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DOI: 10.1055/s-0032-1309611
Bestimmung des Therapieausmaßes – ethische und rechtliche Grundlagen
Publication History
Publication Date:
15 May 2013 (online)


Ethische Prinzipien. Die Prinzipienethik geht von einigen Grundzielsetzungen aus, die von den meisten Menschen unserer Industriegesellschaften akzeptiert werden. Für die Medizinethik sind dies:
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Respekt vor der Autonomie des Patienten,
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Wohltun im Sinne von Lebenserhalt, Heilung und Linderung,
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Nichtschaden,
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Gerechtigkeit bei der Verteilung knapper medizinischer Ressourcen.
Typische ethische Konfliktkonstellationen. Ethische Probleme treten immer dann auf, wenn 2 oder mehr dieser Prinzipien miteinander in Konflikt geraten. Die häufigste Konfliktkonstellation in der Intensivmedizin ist diejenige zwischen der Verpflichtung zum Lebenserhalt und zum Nichtschaden (Verlängerung des Sterbevorgangs). Bei der gebotenen Abwägung der konkurrierenden Prinzipien muss man den konkreten Einzelfall mit seinen individuellen Umständen beurteilen.
Patientenverfügung. Am 1. September 2009 trat in Deutschland eine gesetzliche Regelung in Kraft, nach der schriftliche Patientenverfügungen dann, wenn sie konkret und eindeutig sind, grundsätzlich für jede Krankheit und jede Krankheitsphase verbindlich sind.
Sterbehilfe, Therapiebegrenzung. Seelischer Beistand, Basisversorgung und Linderung der körperlichen Leiden durch Schmerzstillung oder therapeutisch indizierte Sedierung (auch bei damit einhergehender Lebensverkürzung) sind unumstrittene Aufgaben des Arztes. Nach wie vor strafrechtlich verboten ist in Deutschland jede gezielte aktive Lebensverkürzung (aktive Sterbehilfe), auch wenn sie auf ausdrückliches und ernstliches Verlangen des Patienten geschähe. Erlaubt bzw. geboten ist schließlich eine Begrenzung der Therapie, wenn diese gegen den Willen bzw. das Wohl des Patienten verstößt – auch wenn der Patient dadurch stirbt (passive Sterbehilfe).
Ein besonderes Problem der Intensivbehandlung ist der Übergang von potenziell sinnvoller Behandlung zur bloßen Sterbeverlängerung. Ist der tatsächliche oder mutmaßliche Wille des Patienten (z. B. anhand einer situationsbezogenen Patientenverfügung) nicht zu ermitteln, muss unter Berücksichtigung von Prognose und Prognosesicherheit eine einseitige Entscheidung über das Ausmaß der Therapie getroffen werden, und dabei zwischen „Recht auf Leben“ und „Recht zum Sterben“ abgewogen werden. Diese Entscheidungsfindung gehört zur ärztlichen Tätigkeit. Dies gilt in der Regel auch bei Entscheidungsbefugnis Dritter (z. B. Betreuer), da die Beurteilung der Situation durch den behandelnden Arzt für den medizinischen Laien meist richtungweisend ist. Zum Schutz vor Irrtum und Missbrauch dient die Konsultation anderer an der Behandlung beteiligter Ärzte sowie die Beratung mit Pflegekräften, Angehörigen und anderen Nahestehenden. Bei Konsens über Aussichtslosigkeit, Sinnlosigkeit und Unzumutbarkeit weiterer medizinischer Interventionen ist ein Sterbenlassen durch Therapiebegrenzung nicht nur erlaubt, sondern geboten. Es ist dann unerheblich, ob auf neue Maßnahmen verzichtet wird oder bereits eingeleitete Maßnahmen beendet werden. In der Praxis orientiert sich die Art und Weise der Therapiebegrenzung im Wesentlichen an der Prognose und der Prognosesicherheit.