Einleitung
Die aktuelle nationale COPD-Leitlinie empfiehlt langwirksame Anticholinergika und/oder langwirksame β2-Sympathomimetika als Mittel der ersten Wahl zur medikamentösen Dauertherapie der COPD ab dem Stadium II (mittelschwere COPD) nach der Klassifikation der „Global Initiative for Obstructive Lung Disease“ (GOLD) [1]
[2]. Die meisten der Studien, die diesen Empfehlungen zugrunde liegen, wurden jedoch insbesondere bei Patienten mit schwerer bis sehr schwerer COPD durchgeführt (GOLD-Stadien III und IV). Damit ist die Evidenzbasis zur bronchodilatatorischen Therapie für die leichteren COPD-Stadien, die auch in der Praxis zahlenmäßig eine viel größere Rolle spielen, noch lückenhaft. Eine Reihe kleinerer Kurzzeitstudien deuten darauf hin, dass COPD-Patienten bereits in frühen Krankheitsstadien unter Symptomen ihrer Erkrankung (Husten, Auswurf, Exazerbationen und verringerte körperliche Belastbarkeit) leiden [4]
[5]
[6]. Dennoch ist bislang noch unklar, welcher klinische Stellenwert langwirksamen Bronchodilatatoren in der Dauertherapie bei Patienten mit mittelgradiger COPD zukommt und welche klinischen und funktionellen Parameter sie beeinflussen.
Ziel der vorliegenden präspezifizierten Subgruppenanalyse, basierend auf der 4-Jahres-Langzeitstudie UPLIFT [7], war es daher, erstmals die Wirksamkeit einer Langzeittherapie mit Tiotropium versus Kontrollgruppe, gezielt bei Patienten mit mittelgradiger COPD (GOLD II), im deskriptiven Vergleich der Wirksamkeit bei Patienten mit schwerer bis sehr schwerer COPD (GOLD III + IV gepoolt) gegenüberzustellen.
Material und Methoden
Bei der UPLIFT-Studie handelt es sich um eine randomisierte multizentrische, doppelblinde, kontrollierte Studie mit parallelem Gruppenvergleich. An dieser Langzeitstudie über 4 Jahre nahmen 5993 COPD-Patienten aus 37 Ländern und 487 Studienzentren teil. Patienten inhalierten entweder Tiotropium (18 µg) oder Plazebo jeweils einmal täglich morgens. Sowohl in der Tiotropiumgruppe (n = 2987) als auch der Kontollgruppe (n = 3006) waren als Begleitmedikation sämtliche COPD-Medikamente außer inhalativen Anticholinergika erlaubt.
Die Einschlusskriterien der Studie waren: COPD-Diagnose, Alter ≥ 40 Jahre, Raucheranamnese ≥ 10 Packungsjahre, FEV1/FVC ≤ 70 % und eine postbronchodilatatorische FEV1 ≤ 70 % des Sollwerts. Patienten mit Asthma, Sauerstoff-Langzeittherapie oder COPD-Exazerbationen im Vormonat wurden von der Studie ausgeschlossen. Nach Randomisierung stellten sich die Patienten nach 1 und 3 Monaten und anschließend alle 3 Monate bis zum Ende der 4-jährigen Studienphase in ihrem Studienzentrum vor. Als coprimäre Endpunkte wurden der jährliche präbronchodilatorische und postbronchodilatorische FEV1-Abfall gemessen. Als sekundäre Endpunkte wurden weitere Lungenfunktionsparameter, der Gesundheitsstatus mittels St. George’s Respiratory Questionnaire (SGRQ), mittelschwere und schwere Exazerbationen sowie die Gesamtmortalität erfasst.
Lungenfunktion, Exazerbationen und Gesundheitsstatus
Die spirometrische Messung der Lungenfunktion wurde gemäß ATS (American Thoracic Society)-Leitlinien zum Zeitpunkt der Randomisierung, nach 1 Monat und dann halbjährlich bis zum Studienende durchgeführt. Im Anschluss an die präbronchodilatatorische Messung der Lungenfunktion wurde die Studienmedikation verblindet verabreicht. Direkt danach erhielt der Patient 80 µg Ipratropium und 60 min später 400 µg Salbutamol, jeweils mittels HFA-Dosieraerosol. Die postbronchodilatatorische Lungenfunktionsmessung wurde 30 min nach der Salbutamolgabe durchgeführt.
Der Gesundheitsstatus wurde vor der Lungenfunktionsmessung mit dem SGRQ bestimmt. Das Auftreten von Exazerbationen wurde bei jeder Visite dokumentiert. Eine Exazerbation war definiert als eine akute Verschlechterung bzw. als das Neuauftreten von mehr als einem Symptom (Husten, Sputum, Sputumpurulenz, Giemen oder Dyspnoe) über mindestens 3 Tage, die eine Behandlung mit einem Antibiotikum und/oder einem systemischen Steroid erforderlich machte. Krankenhauspflichtige, d. h. schwere Exazerbationen wurden ebenfalls erfasst.
Mortalität
Für alle Studienteilnehmer – auch jene, die vor Ablauf der 4-jährigen Studiendauer die Studie abbrachen – wurde der Vitalstatus bis zum Ende der Studiendauer verfolgt. Die Mortalitätsanalyse erfolgte sowohl für die Mortalität während der Behandlungszeit als auch als präspezifizierte intention-to-treat (ITT)-Analyse am Tag 1470 (Nachverfolgung bis Studienende + 30 Tage Auswaschperiode).
Statistik
Die Berechnung des Stichprobenumfangs basierte auf folgenden Annahmen: Differenz im jährlichen FEV1-Abfall von 15 ml zwischen beiden Behandlungsgruppen, eine Standardabweichung von 90 ml/Jahr, eine Abbruchrate von 35 % und eine statistische Power von 90 % mit einem Signifikanzniveau von 5 %. Im Unterschied zu einer retrospektiven Analyse war die Untersuchung der Subgruppe der GOLD-Stadium II-Patienten präspezifiziert, d. h. bereits im Prüfplan und bei der Randomisierung berücksichtigt. Alle randomisierten Patienten, die Studienmedikation erhielten und an mindestens 3 Lungenfunktionsmessungen bzw. mindestens an 2 SGRQ-Messungen nach Randomisierung beteiligt waren, wurden in die Analyse eingeschlossen.
Das Cox’sche Regressionsmodell wurde zur Berechnung von Hazard Ratios verwendet. Die Anzahl an Exazerbationen und die Anzahl an Tagen, an denen ein Ereignis stattfand, wurde zwischen den Studiengruppen mithilfe von relativen Risiken dargestellt. Zugrunde lag das Poisson’sche Regressionsmodell mit Korrektur für Überstreuung. Alle berechneten P-Werte basierten auf zweiseitigen Tests. Es wurde keine Korrektur für multiples Testen vorgenommen. Alle Analysen wurden mit SAS 8.2 berechnet. Eine detaillierte Beschreibung der zugrunde liegenden Methodik und statistischen Analyse liegt in publizierter Form vor [7]
[8].
Ergebnisse
Studienpopulation
46 % der an UPLIFT teilnehmenden Patienten befanden sich bei Studienbeginn im GOLD-Stadium II, während 53 % den GOLD-Stadien III oder IV zuzuordnen waren. Die Verteilung der Patienten auf die Subgruppen und Behandlungsarme sowie die Anzahl der Patienten, die die Studie protokollgemäß beendete, ist in [Abb. 1] dargestellt. [Tab. 1] zeigt die demografischen Daten sowie die Ausgangsdaten für Gesundheitsstatus, Lungenfunktion und Vormedikation für die Patienten der Subgruppen GOLD II bzw. III/IV. In beiden Subgruppen bestanden keine relevanten Unterschiede zwischen Patienten im Tiotropium- und im Kontroll-Arm.
Abb. 1 Flussdiagramm mit Verteilung der Patienten auf die Subgruppen und Behandlungsarme. In der GOLD III/IV-Subgruppe brachen mehr Patienten als in GOLD II die Medikamenteneinnahme vor Ablauf der vorgesehenen Behandlungszeit ab, und die Abbruchrate war im Kontroll-Arm um 12 Prozentpunkte höher als im Tiotropium-Arm. Im Schweregrad II hingegen war die Abbruchrate zwischen den beiden Behandlungsgruppen vergleichbar (Differenz: 4,1 Prozentpunkte).
Tab. 1
Baselineparameter.
Parameter
|
GOLD II (n = 2739 [46 %])
|
GOLD III/IV (n = 3156 [53 %])
|
Gruppe
|
Tiotropium (n = 1384)
|
Kontrolle (n = 1355)
|
Tiotropium (n = 1554)
|
Kontrolle (n = 1602)
|
männlich (%)
|
72,0
|
72,3
|
78,2
|
75,2
|
Alter (J)
|
65 (9)
|
64 (9)
|
65 (8)
|
65 (8)
|
Body Mass Index
|
27 (5)
|
27 (5)
|
25 (5)
|
25 (5)
|
Raucherstatus
|
Akt. Raucher (%)
|
30,7
|
35,0
|
28,2
|
25,6
|
Raucheranamnese (Packungsjahre)
|
48 (28)
|
47 (27)
|
50 (28)
|
49 (29)
|
Dauer der COPD (J)
|
10 (8)
|
9 (7)
|
10 (8)
|
10 (7)
|
SGRQ-Gesamtscore (Einheiten)
|
41 (17)
|
42 (17)
|
50 (16)
|
49 (17)
|
FEV1 (L)
|
Prä-bd
|
1,36 (0,37)
|
1,36 (0,35)
|
0,87 (0,27)
|
0,86 (0,28)
|
Post-bd
|
1,63 (0,37)
|
1,64 (0,36)
|
1,06 (0,29)
|
1,04 (0,30)
|
FEV1 (% Soll)
|
Prä-bd
|
49 (8)
|
49 (8)
|
31 (8)
|
31 (8)
|
Post-bd
|
59 (6)
|
59 (6)
|
38 (8)
|
38 (8)
|
Vormedikation (%)
|
LABA[*]
|
55,7
|
55,4
|
63,8
|
64,1
|
ICS[*]
|
58,5
|
56,9
|
64,0
|
65,9
|
GOLD: Global initiative for Obstructive Lung Disease; LABA: Inhalierbarer langwirksamer β2-adrenerger Agonist; ICS: Inhalierbares Kortikosteroid. Die Standardabweichung ist in Klammern angegeben.
* Kombinationspräparate sind doppelt gelistet (einmal bei jedem Inhaltsstoff).
GOLD II-Patienten wiesen erwartungsgemäß einen höheren Anteil aktiver Raucher auf als GOLD III/IV-Patienten. Auch der SGRQ-Gesamtpunktwert war bei GOLD III/IV-Patienten höher, d. h. schlechter als im Stadium GOLD II. Die Lungenfunktionswerte bei Randomisierung spiegelten die auf dem FEV1-Wert basierende Schweregradeinteilung nach GOLD wider. Über alle GOLD-Schweregrade und in beiden Behandlungsgruppen zeigte sich eine deutliche Teilreversibilität der Atemwegsobstruktion, jeweils gemessen an der FEV1 nach maximaler Bronchodilatation durch 80 µg Ipratropiumbromid und 400 µg Salbutamol. In beiden Subgruppen bestanden keine wesentlichen Unterschiede zwischen den beiden Behandlungsgruppen hinsichtlich der Vormedikation.
Lungenfunktion
[Abb. 2] zeigt den FEV1-Verlauf über vier Jahre in den Subpopulationen GOLD II und GOLD III/IV. In der GOLD II-Subpopulation kam es im Vergleich mit der Kontrollgruppe unter Therapie mit Tiotropium zu einer geringen, statistisch signifikanten Reduktion des postbronchodilatatorischen FEV1-Abfalls (43 (2) ml/Jahr gegenüber 49 (2) ml/Jahr; p = 0,024). Der jährliche Abfall der präbronchodilatatorisch gemessenen FEV1 sowie der FVC- bzw. VC-Werte unterschied sich zwischen den Gruppen nicht signifikant. Die absoluten prä- und postbronchodilatatorisch gemessenen FEV1-Verbesserungen zwischen 101 und 119 ml bzw. 52 und 82 ml (p < 0,001 an jedem Messzeitpunkt) in der Tiotropiumgruppe gegenüber der Kontrolle bei GOLD II-Patienten wurden über die gesamte Studiendauer aufrechterhalten ([Abb. 2 a]). Sie waren höher als in der Subpopulation der GOLD III/IV-Patienten, bei denen, ausgehend von schweregradbedingt niedrigeren Ausgangswerten, Verbesserungen zwischen 71 und 91 ml (präbronchodilatatorisch) bzw. 33 und 57 ml (postbronchodilatatorisch) registriert wurden (p < 0,001 an jedem Messzeitpunkt zwischen Tiotropium und Kontrolle) ([Abb. 2 b]). Der jährliche Abfall der prä- und postbronchodilatatorischen FEV1 sowie der FVC- bzw VC-Werte unterschied sich zwischen den Behandlungsgruppen in den beiden Subgruppen (GOLD II und GOLD III/IV) nicht signifikant.
Abb. 2 Zeitlicher Verlauf von FEV1 vor und nach Bronchodilatation in der Tiotropium- und Kontrollgruppe. a Subgruppe der GOLD II-Patienten. b Subgruppe der GOLD III/IV-Patienten. Offene Symbole und punktierte Linien: FEV1 vor Bronchodilatation; gefüllte Symbole und durchgezogene Linien: FEV1 nach Bronchodilatation. Blaue Kreise: Kontrollgruppe; rote Quadrate: Tiotropiumgruppe. *p < 0,0001; #p = 0,0002. Tiotropium bewirkte in beiden Subgruppen sowohl vor als auch nach Bronchodilatation eine signifikante Zunahme der FEV1, die über den Beobachtungszeitraum von vier Jahren erhalten blieb. Die Zunahme in der Tiotropiumgruppe war in der GOLD II-Subgruppe größer als in der GOLD III/IV-Subgruppe.
Gesundheitsstatus
Tiotropium verbesserte in der GOLD II-Subpopulation über alle Messzeitpunkte (6 Monate nach Randomisierung bis Studienende) den SGRQ-Gesamtpunktwert im Vergleich zur Kontrollgruppe signifikant um 2,7 – 4,0 Einheiten (adjustiert zum Ausgangswert, p < 0,0001 zu allen Messzeitpunkten). Damit war der SGRQ-Gesamtpunktwert nach 4 Jahren Studiendauer besser als zu Studienbeginn ([Abb. 3 a]). Die Verbesserung des SGRQ-Gesamtpunktwerts in der Tiotropiumgruppe war in der GOLD II-Subpopulation numerisch stärker ausgeprägt als bei den Patienten in der GOLD III/IV-Subpopulation ([Abb. 3 b]: SGRQ-Gesamtpunktwert Tiotropium gegenüber Kontrolle: 1,9 – 2,9 Einheiten; p < 0,01), die entsprechend ihrem höheren COPD-Schweregrad mit einem schlechteren Ausgangswert in die Studie eintraten. Der SGRQ-Gesamtpunktwert wurde auch in der GOLD III/IV-Subpopulation über 4 Jahre aufrechterhalten ([Abb. 3 b]). Wie [Abb. 4] zeigt, war der Anteil der Patienten, die eine Verbesserung des SGRQ-Gesamtpunktwerts um mindestens 4 Punkte erreichten, in beiden Subpopulationen unter Behandlung mit Tiotropium signifikant höher als in den jeweiligen Kontrollgruppen (GOLD II: p < 0,0001, GOLD III/IV: p ≤ 0,0012, jeweils an allen Messzeitpunkten).
Abb. 3 Verlauf des Gesundheitsstatus (SGRQ-Gesamtpunktwert) über vier Jahre. a Subgruppe der GOLD II-Patienten. b Subgruppe der GOLD III/IV-Patienten. Blaue Kreise: Kontrollgruppe; rote Quadrate: Tiotropiumgruppe. *p < 0,001; §p = 0,004; #p = 0,006. In beiden Subgruppen bewirkte Tiotropium eine Reduktion des SGRQ-Gesamtpunktwerts (Verbesserung des Gesundheitsstatus), die über die gesamte Studiendauer von vier Jahren erhalten blieb. Die Differenz durch Tiotropium betrug in der GOLD III/IV-Subgruppe zwischen 1,9 und 2,9 Einheiten, während sie in der GOLD II-Subgruppe mit Werten zwischen 2,7 und 4,0 größer war.
Abb. 4 Anteil der Patienten mit Abnahme (d.h Verbesserung) des SGRQ-Gesamtpunktwerts um ≥ 4 Einheiten gegenüber dem Ausgangswert nach 1, 2, 3 und 4 Jahren. a Subgruppe der GOLD II-Patienten. b Subgruppe der GOLD III/IV-Patienten. Orange Balken: Kontrollgruppe; grüne Balken: Tiotropiumgruppe. Signifikanzniveau wie angegeben. In beiden Subgruppen war der Anteil der Patienten, die gegenüber dem Ausgangswert eine klinisch relevante Abnahme des SGRQ-Gesamtpunktwerts erlebten, zu jedem Zeitpunkt unter Tiotropium signifikant höher als in der Kontrollgruppe.
Exazerbationen
In der GOLD II- bzw. GOLD III/IV-Subpopulation entwickelten 65 % bzw. 70 % der Patienten im Studienverlauf mindestens eine Exazerbation. In beiden Subgruppen (GOLD II und GOLD III/IV) reduzierte Tiotropium, verglichen mit der Kontrollbehandlung, signifikant die Exazerbationsrate ([Abb. 5]). Bei GOLD II-Patienten nahm die jährliche Exazerbationsrate unter Tiotropium um 20 % ab (Tiotropium: 0,56, Kontrolle: 0,70 Exazerbationen pro Patient und Jahr; p < 0,0001), während die relative Ratenreduktion durch Tiotropium bei GOLD III/IV-Patienten 12 % betrug (jährliche Exazerbationsrate Tiotropium: 0,88, Kontrolle: 0,99; p = 0,0019). Bei der Berechung der number-needed-to-treat (NNT) zeigte sich, dass 7,1 Patienten im GOLD-Stadium II mit Tiotropium behandelt werden mussten, um eine Exazerbation pro Jahr zu verhindern, während die NNT in den Stadien III/IV 9,1 Patienten betrug. In beiden Subgruppen (GOLD II; GOLD III/IV) waren die Rate und der Anteil von Patienten mit krankenhauspflichtigen Exazerbationen gegenüber den Kontrollgruppen nicht signifikant unterschiedlich. Die Zeit bis zur ersten Exazerbation wurde in der Tiotropiumgruppe gegenüber der Kontrollgruppe in der GOLD II-Subpopulation signifikant um 5,62 Monate (Tiotropium: Median 23,09 Monate, Kontrolle: Median 17,47 Monate; p < 0,0001) und in der GOLD III/IV-Subpopulation um 2,3 Monate (Tiotropium: Median 11,99 Monate, Kontrolle: Median 9,69 Monate; p = 0,0038) verlängert.
Abb. 5 Effekt von Tiotropium auf die jährliche Exazerbationsrate. Links: Subgruppe der GOLD II-Patienten; rechts: Subgruppe der GOLD III/IV-Patienten. Orange Balken: Kontrollgruppe; grüne Balken: Tiotropiumgruppe. Tiotropium bewirkte in beiden Subgruppen eine signifkante Reduktion der Exazerbationsrate (GOLD II: Tiotropium: 0,56, Kontrolle: 0,7 Exazerbationen pro Patient und Jahr; p < 0,0001; GOLDIII/IV: Tiotropium: 0,88, Kontrolle: 0,99 Exazerbationen pro Patient und Jahr; p = 0,0019). Der Effekt von Tiotropium vs Kontrolle war sowohl relativ (relative Reduktion der Rate um 20 % gegenüber 12 %) als auch absolut (absolute Reduktion der Rate um 0,14 gegenüber 0,11 Exazerbationen pro Patient und Jahr) ausgeprägter in der Subgruppe der GOLD II-Patienten als bei den GOLD III/IV-Patienten.
Gesamtletalität
Die Hazard Ratio [HR, 95 %-Konfidenzintervall (95 % CI)] für Gesamtletalität in der Tiotropium- versus der Kontrollgruppe betrug bei den COPD-Patienten im Schweregrad GOLD II während der Behandlungszeit 0,85 (95 % CI 0,66; 1,09) und in der ITT-Analyse 0,88 (95 % CI 0,69; 1,11). Für die COPD-Patienten im Schweregrad III/IV betrug die HR während der Behandlungszeit 0,84 (95 % CI 0,71; 1,0) und in der präspezifizierten ITT-Analyse 0,93 (95 % CI 0,79; 1,08). Die schweren unerwünschten Ereignisse wurden bereits an anderer Stelle publiziert [7].
Diskussion
Im Unterschied zu einer bereits publizierten Subgruppenanalyse der UPLIFT-Studie [9] konzentriert sich die vorliegende Analyse nicht auf die einzelnen Stadien der COPD nach GOLD, sondern auf den deskriptiven Vergleich der Wirksamkeit und Verträglichkeit von Tiotropium versus Kontrolle zwischen mittelgradiger COPD (GOLD II) und schwerer/sehr schwerer COPD (gepoolte GOLD III + IV-Daten). Diese präspezifizierte Subgruppenanalyse aus UPLIFT ist besonders deshalb interessant, da sie an einer großen Population von Patienten mit mittelschwerer COPD (GOLD II) über 4 Jahre durchgeführt wurde und den Einsatz von langwirksamen Anticholinergika bei COPD-Patienten im Stadium GOLD II auf eine breitere Evidenzbasis stellt. GOLD II-Patienten stellen auch in Deutschland die mit Abstand größte Subpopulation von COPD-Patienten dar [10]. Bereits in diesem relativ frühen Stadium der Erkrankung leiden die Patienten unter Exazerbationen und einem reduzierten Gesundheitsstatus, wie auch die Ergebnisse dieser Untersuchung zeigen [6]
[11].
Die absoluten Verbesserungen von FEV1 und Gesundheitsstatus sowie die Prävention von Exazerbationen waren unter Tiotropium bei Patienten mit mittelgradiger COPD (GOLD II) ausgeprägter als bei Patienten mit schwerer bzw. sehr schwerer COPD (GOLD III/IV). Diese Ergebnisse belegen erstmals an einer großen und gut definierten Population, dass COPD-Patienten bereits in frühen Stadien (ab GOLD-Stadium II) von einer Therapie mit Tiotropium klinisch profitieren, und unterstützen gleichlautende Empfehlungen in aktuellen Leitlinien [1]
[12]. Es stellt sich in diesem Kontext zunächst die Frage nach der Relevanz einer im Verhältnis höheren postbronchodilatatorischen Verbesserung der pulmonalen Funktion im GOLD-Stadium II gegenüber einer geringeren Verbesserung bei schwerer und sehr schwerer COPD. Aus pathophysiologischer Perspektive lässt sich die Ergebniskonstellation gut mit den Zeitachsen der COPD-Pathogenese vereinbaren. Mit fortschreitenden COPD-typischen Lungenveränderungen kommt es sowohl zu einem zunehmenden Verlust an Lungenfunktion als auch zu einer abnehmenden Reversibilität der obstruktiven Komponente der Ventilationsstörung [13]. Als klinische Konsequenz unterstreichen die Ergebnisse die Forderung nach frühzeitiger und konsequenter bronchodilatatorischer Therapie, um die mit der Limitierung des Atemflusses bei COPD sehr häufig einhergehende Vermeidung körperlicher Aktivität und konsekutive Dekonditionierung so weit und so lange als möglich aufzuhalten [4]. Paradigma der Gültigkeit dieses Prinzips sind die additiven Effekte von Rehabilitation und anticholinerger Therapie [14]. In gleicher Weise belegt diese Analyse erneut und über einen Zeitraum von 4 Jahren, dass auch in fortgeschrittenen COPD-Stadien eine klinische Wirkung einer langwirksamen anticholinergen Bronchodilatation zu erwarten ist. Neben Parametern der pulmonalen Funktion wurden durch Tiotropium auch patientenrelevante Endpunkte wie der mittels SGRQ gemessene Gesundheitsstatus über die gesamte Studiendauer von 4 Jahren positiv beeinflusst. Die tatsächliche klinische Bedeutung der im Mittel absolut nur geringen Verbesserungen der SGRQ-Scores erschließt sich im Vergleich zwischen Studienbeginn und -ende und bei Betrachtung des absoluten Anteils der Patienten mit einer Verbesserung des SGRQ-Scores um mindestens 4 Punkte, der Schwelle eines klinisch relevanten Unterschieds [15]. So war der Gesundheitsstatus der mit Tiotropium behandelten Patienten selbst am Ende der 4-jährigen Studienzeit noch besser als zu Studienbeginn. Die absoluten Verbesserungen der SGRQ-Scores und der Anteil an Patienten mit einer Abnahme der Scores um mindestens 4 Punkte waren bei GOLD II-Patienten wiederum ausgeprägter als bei GOLD III/IV-Patienten. Auch der Gesundheitsstatus spiegelt somit sowohl die im Verlauf der COPD progrediente Verschlechterung dieses Parameters als auch das mit Fortschreiten der Erkrankung abnehmende Verbesserungspotential. Die SGRQ-Analyse belegt den überlegenen Effekt einer frühzeitigen bronchodilatatorischen Therapie im Verhältnis zur Bronchodilatation erst bei fortgeschrittener Erkrankung. Wiederum liegt der Schluss nahe und sollte durch klinische Prüfungen bestätigt werden, dass durch konsequente Bronchodilatation bei vielen Patienten die körperliche Belastbarkeit und der Gesundheitszustand länger auf höherem Niveau erhalten werden kann.
Schließlich wirft die Prävention von Exazerbationen durch Therapie mit Tiotropium schon im Stadium II nach GOLD eine ganze Reihe von Fragen auf. Prinzipiell können Exazerbationen in allen Krankheitsstadien auftreten, sodass deren Vermeidung in jedem Krankheitsstadium für Arzt und Patient ein sehr wichtiges Therapieziel darstellt [1]
[2]
[11]
[16]. Die negativen Konsequenzen von Exazerbationen bei COPD stehen außer Zweifel. Für Patienten mit fortgeschrittener COPD können Exazerbationen eine vitale Bedrohung darstellen [11]. Dies bedeutet anderseits nicht, dass Exazerbationen für Patienten mit leichter ausgeprägter Erkrankung nicht ebenso klinisch relevant sind. Nicht wenige dieser Patienten stehen noch im Berufsleben oder sind anderweitig aktiv, sodass die Prävention von Exazerbationen als in dieser Population ebenso relevant eingeschätzt werden muss. Die letztlich zu Dekonditionierung und Invalidität führende Abwärtsspirale sollte so früh als möglich durch effektive bronchodilatative Therapie unterbrochen werden, idealerweise verbunden mit Anstrengungen zur Raucherentwöhnung. Diese Aktualität dieser Argumente wird noch unterstrichen durch die hohe Gewichtung von Exazerbationen als Risikoindikator im neuen GOLD-Strategiepapier [12]. Die Patientenzahl, die mit Tiotropium behandelt werden musste, um eine Exazerbation pro Jahr zu vermeiden (NNT), lag bei UPLIFT in der Subpopulation von Patienten mit mittelgradiger COPD (GOLD II) bei 7,1 und damit niedriger als bei den Patienten mit schwerer COPD. Im Vergleich dazu mussten zum Beispiel 52 Patienten über 6 Jahre mit dem Cholesterinsynthesehemmer Pravastatin behandelt werden, um einen Myokardinfarkt zu vermeiden [17].
Die in der UPLIFT-Studie mit Tiotropium erzielten Behandlungseffekte waren unabhängig von der medikamentösen Begleittherapie. In diesem Zusammenhang ist darauf hinzuweisen, dass sowohl in der Tiotropiumgruppe als auch in der Kontrollgruppe mit Ausnahme von Anticholinergika sämtliche respiratorische Begleitmedikation inklusive langwirksamer β2-Sympathomimetika, inhalativer Steroide sowie deren Kombination erlaubt waren [7]. Dies ist ein wichtiger Unterschied zur zweiten großen COPD-Langzeitstudie TORCH [18].
Die Therapie-Abbruchrate war in den beiden Behandlungsarmen der GOLD II-Subpopulation vergleichbar, sodass die Interpretation der Ergebnisse nicht durch eine zwischen den Gruppen unterschiedliche Abbruchrate beeinflusst wurde. Die Reversibilität der Atemwegsobstruktion nach Gabe eines Bronchodilatators war über alle Schweregrade signifikant und wies für das GOLD-Stadium II die höchsten Werte auf. Dieser bereits wiederholt diskutierte Befund belegt, dass die Diagnose einer COPD bzw. eines Asthmas nicht allein auf das Kriterium der Reversibilität gestützt werden kann [19]
[20]. Diese Schlussfolgerung ist im aktuellen Strategiepapier von GOLD erstmals umgesetzt [12] .
Insgesamt bietet die vorliegende präspezifizierte Subgruppenanalyse auf Basis der größten bislang in einer Interventionsstudie untersuchten Population von Patienten mit mittelgradiger COPD eine solide Evidenzgrundlage für den leitliniengerechten Einsatz langwirkender Bronchodilatatoren, im vorliegenden Fall von Tiotropium bei COPD-Patienten ab dem Stadium GOLD II. Diese Ergebnisse für GOLD II-Patienten waren in dieser Ausprägung nicht unbedingt zu erwarten, wenn man bedenkt, dass Patienten mit mittelgradiger COPD noch relativ gute Lungenfunktionswerte, einen meist nur mäßig eingeschränkten Gesundheitsstatus und seltener Exazerbationen aufweisen, als dies in den schweren Krankheitsstadien der Fall ist.
Ob langwirksame Anticholinergika den langwirksamen β2-Sympathomimetika bei der therapeutischen Wirksamkeit überlegen sind, kann aus der UPLIFT-Studie nicht abgeleitet werden, da keine Randomisierung bezüglich der Begleitmedikation vorgenommen wurde. In der kürzlich publizierten POET-COPD-Studie konnte erstmals im direkten Vergleich gezeigt werden, dass Tiotropium dem langwirksamen β2-Sympathomimetikum Salmeterol bei der Reduktion aller untersuchten Exazerbationsendpunkte signifikant überlegen war [21].
Zusammenfassend zeigt die vorliegende UPLIFT-Subgruppenanalyse, dass COPD-Patienten im Schweregrad GOLD II klinisch relevante Symptome und Exazerbationen aufweisen. Dies unterstreicht die Bedeutung einer frühzeitigen Therapie symptomatischer Patienten. Das langwirksame Anticholinergikum Tiotropium verbesserte bei COPD-Patienten auch im GOLD-Stadium II unabhängig von der Begleitmedikation signifikant die Lungenfunktion, den Gesundheitsstatus sowie das Exazerbationsrisiko während der gesamten Studiendauer von 4 Jahren und unterstützt die aktuelle GOLD-Position einer frühzeitigen Therapie von COPD-Patienten mit Tiotropium als Mittel der 1. Wahl ab der Kategorie B [12].