Z Geburtshilfe Neonatol 2012; 216(02): 43-44
DOI: 10.1055/s-0032-1311598
Gasteditorial
© Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

Gasteditorial

U. Gembruch
1   Klinik für Geburtshilfe und Pränatale Medizin, Universitätsklinikum Bonn, Bonn
› Author Affiliations
Further Information

Publication History

Publication Date:
19 April 2012 (online)

In dieser Ausgabe der Zeitschrift für Geburtshilfe und Neonatologie finden sich neben ausgewählten Übersichts- und Orginalarbeiten auch die Abstracts anlässlich des diesjährigen 15. Kongresses der Deutschen Gesellschaft für Pränatal- und Geburtsmedizin (DGPGM) in Bonn. Diese spiegeln die breite Palette aktueller Themen in der fetalen, neonatalen und maternalen Medizin wider. Grundlagenforschung, Prädiktion, Diagnose und Therapie fetaler Erkrankungen gehören ebenso wie geburtshilfliches Vorgehen, Wochenbettsbetreuung, präkonzeptionelle Beratung und bewusste Vorbereitung auf die Schwangerschaft zu den Inhalten der Abstracts und Themen des Kongresses. Dort werden auch die zunehmend offensichtlichen, teilweise gravierenden Probleme bezüglich Ausbildung, Arbeitsgestaltung, Ausbau eigenständiger geburtshilflicher Abteilungen sowie Strukturierung und Qualitätskontrolle in der pränatalen, geburtshilflichen und perinatologischen Versorgung diskutiert.

Die Anzahl von Schwangeren mit angeborenen Herzfehlern, die korrigierend oder palliativ operiert wurden, und derer mit erworbenen Erkrankungen des Herzkreislaufsystems nimmt stetig zu. Die Betreuung dieser Frauen außerhalb und innerhalb der Schwangerschaft erfordert eine strukturierte Zusammenarbeit aller beteiligten Disziplinen, darunter Pränatal- und Geburtsmedizin, Anästhesiologie, Kardiologie und Kinderkardiologie, Neonatologie, Innere Medizin, Gerinnungsphysiologie, Humangenetik, Reproduktionsmedizin, wie dies an Zentren für Erwachsene mit angeborenen Herzfehlern (EMAH) verwirklicht werden soll. Der präkonzeptionellen und kontrazeptiven Beratung dieser Frauen widmen sich Waltraut Merz und Ulrich Gembruch. Die präkonzeptionelle Risikoevaluation durch Untersuchung und gängige Risikoklassifikationen, eine ggf. notwendige Optimierung der kardialen Funktion und Anpassung der Medikation und nach Einsetzen der Schwangerschaft eine intensiven Überwachung der Schwangeren und des Feten und die Planung der Entbindung mit Antizipation aller hierbei möglichen Komplikationen führen auch bei diesen Frauen meist zu einem guten Ausgang der Schwangerschaft für Mutter und Kind.

In den letzten 10 Jahren zählte die fetale Neurosonografie wohl zu dem Bereich der sonografischen Bildgebung, in dem die größten Fortschritte erzielt wurden. Es entstanden detaillierte Leitlinien zur Basissonografie und weitergehenden Sonografie des fetalen Hirns im zweiten und dritten Trimenon. Hierbei spielte und spielt der „Wettstreit“ zwischen Ultraschall und fetalem MRI eine sich gegenseitig befruchtende Rolle, sodass Erkenntnisse über die normale fetale Hirnentwicklung, die zum jeweiligen fetalen Alter zu erwartenden Befunde, das Erscheinungsbild und die möglichen Variationen unterschiedlicher Krankheitsbilder sowie die Indikationen zur Durchführung eines ergänzenden fetalen MRI des fetalen Hirns gewonnen werden konnten; parallel dazu mehrte sich unser Wissen über die genetischen Grundlagen fetaler Hirnerkrankungen rapide. Dies alles ermöglicht nun eine immer präzisere Differenzierung und Einordnung fetaler Hirnbefunde und bietet eine bessere Basis für die Evaluation der neurologischen Entwicklung einzelner Erkrankungen, entscheidend auch für die Beratung betroffener Eltern. Rabih Chaoui , Kai-Sven Heling, Franz Kainer und Katrin Karl zeichnen in ihrem Beitrag die sonografischen Befunde einer normalen fetale Hirnentwicklung auf, beginnend in der Frühschwangerschaft bis ins dritte Trimenon. Sie demonstrieren und belegen anhand hervorragender Bilder die Möglichkeiten und Vorteile einer 3-dimensionalen Volumenakquisition. Schon während der Untersuchung können so diverse Schnittebenen rasch aufgesucht werden, wie beispielsweise die mediane Sagittalebene, deren exakte Einstellung Voraussetzung ist, pathologische Befunde, wie einen Balkenmangel, Kleinhirnwurmhypoplasie oder eine pontozerebelläre Hypoplasie, zu diagnostizieren; auch das Auffinden einzelner Fissuren und Gyri zur Beurteilung der Entwicklung des Großhirn im zweiten und dritten Trimenon ist so gut möglich. Die nachträgliche Bearbeitung und ggf. auch eine ergänzende Beurteilung einzelner Hirnstrukturen, die gemeinsame Beurteilung und Diskussion auch mit auswärtigen Experten sowie ein Vergleich zu den MRI-Schnittbildern sind weitere Vorteile der Volumenakquisition bei der fetalen Neurosonografie.

Eine umfassende Übersicht über die unterschiedlichen Formen, die Ätiologie und Entstehung fetaler Spaltbildungen von Lippe, Kiefer und Gaumen und die Techniken zu ihrer pränatalen Diagnose bietet die Arbeit von Lucas Wilhelm und Bert Braumann. Spalten in diesem Bereich gehören nicht nur zu den häufigsten Fehlbildungen, sondern sind nicht selten mit chromosomal und nicht-chromosomal bedingten syndromalen Erkrankungen assoziiert, weshalb ihre pränatale Diagnose wichtig ist. Die bereits pränatal erfolgende unfangreiche kieferorthopädische Beratung der betroffenen Eltern ist seit langem fester Bestandteil des antenatalen Managements geworden. Sehr ausführlich beschreiben die Autoren die Einstellung der sonografischen Schnittebenen, die erforderlich sind, die Ausdehnung der Spalten zu erkennen. Besonders schwierig sind hierbei die Beurteilung des weichen Gaumens und Diagnose isolierter Gaumenspalten, wobei es bei entsprechender Technik gelingt, das Gaumensegel mit Uvula („equal sign“) auch im 2-dimensionalen Bild darzustellen. Auch die verschiedenen Vorgehensweisen bei der 3-dimensionalen Darstellung von Lippen- Kiefer- und Gaumenregion werden ausführlich beschrieben und ihre Vor- und Nachteile diskutiert.

In Frankreich und Österreich erfolgt bereits in der Schwangerschaft ein Toxoplasmose-Screening, das eine Behandlung frischer Infektionen bereits in der Schwangerschaft erlaubt. Die Rate symptomatischer Neugeborener liegt in Frankreich bei 0,34/10 000 Neugeborenen, die von asymptomatischen Neugeborenen bei 3,3/10 000. In Deutschland, USA und anderen Ländern ist bei fehlendem Screening von einer hohen Dunkelziffer konnataler Toxoplasmoseinfektionen auszugehen, d. h. nur symptomatische Neugeborene werden als infiziert erkannt und postnatal behandelt. Allerdings kann die Erkrankung auch bei asymptomatischen Neugeborenen postnatal fortschreiten, insbesondere zu einer floriden Chorioretinitis führen. Anja Pohl-Schickinger, Cornalia Feiterna-Sperling, Katharina Weizsäcker und Christoph Bührer vergleichen Wirksamkeit und Nebenwirkungen zweier postnataler Behandlungsschemata einer konnatalen Toxoplasmose. Während im Chicago-Kollektiv zunächst 2 bzw. 6 Monate lang Pyrimethamin mit einem Sulfadiazin täglich, dann reduziert über 12 Monate verabreicht wurde, sieht das Toulouser Regime die Gabe dieser Medikamente in nur zweiwöchigen Abstand während der ersten beiden Lebensjahre vor. Auch wenn in beiden Regimen Folinsäure gegeben wurde, traten bei täglicher Gabe häufiger schwere Neutropenien auf. Auch bezüglich des Auftretens chorioretinitischer Herde schnitt das Toulouser Regime besser ab. Die Autoren kommen deshalb – auch bei kritischer Analyse der beiden, in stark differierenden Populationen erfolgten Studien – zu dem Schluss, dass bei der derzeitigen Datenlage die nur zweiwöchige Gabe von Pyrimethamin und Sulfadoxin (Toulouser Regime) mit Folinsäure der täglichen Gabe vorzuziehen ist.

Auch wenn der Nikotinkonsum schwangerer Frauen in den letzten Dekaden deutlich abgenommen hat, raucht ein Teil der Frauen auch in der Schwangerschaft weiter. Susann Koch, Claudia Vilser, Walter Groß und Ekkehard Schleußner untersuchten an den in Jena und Gera in den Jahren 1992–2002 geborenen SGA-Kindern die kurz- und langfristigen Auswirkungen des Rauchens in der Schwangerschaft. Sie konnten nachweisen, dass der Nikotinabusus in der Schwangerschaft zu Geburtsgewicht und -länge invers korrelierte, das Ausmaß des Wachstumsdefizits mit dem des Nikotinabusus korrelierte und eine bleibende negative Beeinflussung des Wachstums zu beobachten war. 30,6% der Neugeborenen mit schwerer Wachstumsrestriktion zeigten kein Aufholwachstum; SGA-Kinder von Raucherinnen in der Schwangerschaft hatten ein doppelt so hohes Risiko für einen späteren Kleinwuchs.

Prof. Dr. med. Ulrich Gembruch

Gasteditor