Endo-Praxis 2012; 28(2): 49
DOI: 10.1055/s-0032-1313559
Editorial
© Georg Thieme Verlag Stuttgart · New York

Übergewichtige Patienten in der Endoskopie –welche Anforderungen erwarten uns?

S Rossol
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Publication Date:
21 May 2012 (online)

Die Zunahme der Adipositas und die durch sie verursachten internistischen Erkrankungen sind von großer Bedeutung und eines der zukünftigen Probleme im Medizinbereich. Vor allem der chronische Verlauf der Adipositas generiert massive Probleme in der westlichen Welt, da alle relevanten Organsysteme betroffen sind und neben HerzKreislauf-Problemen und Diabetes mellitus auch Krebserkrankungen zunehmen.

Deutschland befindet sich mit ca. 15 % im oberen Drittel der Europäischen Gemeinschaft, liegt jedoch noch weit hinter den USA mit über 30 % Anteil an morbider Adipositas in der Allgemeinbevölkerung. Die Welle an Erkrankungen, die insbesondere in den nächsten Jahrzehnten durch zunehmendes Übergewicht bei Jugendlichen zu erwarten ist, wird das Gesundheitssystem entscheidend verändern. Spontane Verbesserungen sind in der Zukunft kaum zu erwarten, da über 90 % der adipösen Jugendlichen auch im Erwachsenenalter adipös bleiben.

Für die Gastroenterologie sind adipöse Patienten bei gastroenterologischen Tumoren, bei der Refluxerkrankung, bei Erkrankungen des Gallengangsystems sowie bei Lebererkrankungen von Bedeutung. Grundsätzlich wird die Betreuung zunehmender Zahlen adipöser Patienten eine deutliche Änderung bisheriger Kriterien bzw. die Generierung neuer Strukturen in den Endoskopieabteilungen bedingen. Dies betrifft alle Bereiche der Struktur-, Prozess- und Ergebnisqualität. Initial sollte die räumliche und organisatorische Qualität in Hinsicht auf die Betreuung adipöser Patienten überprüft und angepasst werden. Dies beginnt bei der Größe der Umkleideräume, der Patientenliegen und den Untersuchungsräumen selbst.

Untersuchungsfrequenz und Personalstruktur müssen entsprechend analysiert und angepasst werden, sie tragen der Belastung der einzelnen Endoskopiepflegekraft und der längeren Untersuchungszeit Rechnung. Als Beispiel ist der Organisationsablauf endoskopischer Untersuchungen bei adipösen Patienten so zu gestalten, dass die hohe Untersuchungsdichte der Endoskopieabteilungen und -praxen bei zunehmender Frequenz adipöser Patienten reduziert werden muss (Auf- und Abliegezeiten, Untersuchungszeiten).

Auch bei adipösen Patienten sind Patientenzufriedenheit und Ergebnisqualität im Fokus aller Bemühungen. Relevant ist die Sedierungsqualität, die bei Patienten mit Adipositas und bestehender Komorbidität berücksichtigt werden muss. Bei lipophilen Medikamenten (Benzodiazepine) ist die Halbwertzeit verlängert und damit die therapeutische Unsicherheit erhöht. Propofol besitzt dagegen einen Vorteil bei adipösen Patienten, da es nur kurz wirksam ist und die Eliminationszeit kaum beeinflusst wird. Bei Propofolanwendung ist zur Sicherheit eine Blutdruckmessung obligat. Die Aufklärung der Patienten über das Auftreten verzögerter Medikamentenwirkungen ist ebenso wichtig wie die Instruktion des Endoskopiepersonals. Zu denken ist auch an Besonderheiten wie ein bestehendes Schlafapnoesyndrom oder eine im Notfall erschwerte Intubation durch eine veränderte Anatomie. Weitere Begleiterkrankungen sollte bereits im Aufklärungsgespräch erfasst werden.

Endoskopisch spezifische Verfahren bei adipösen Patienten konzentrieren sich aktuell auf den Magenballon und auf die endoskopische Beherrschung postoperativer Komplikationen. Die Einlage eines Magenballons ist eine etablierte endoskopische Intervention in der Adipositastherapie, die in einer Initialphase über 6–9 Monate zu einem kontrollierten Gewichtsverlust führen soll. Zukünftig könnte ein einfacher endoskopischer Zugang schonende endoskopische Verfahren zur Adipositastherapie erlauben. Damit werden Komplikationen wie Wundheilungsstörungen vermieden. Die Endoskopie leistet bisher schon ihren Beitrag bei der Kontrolle nach chirurgischen Eingriffen (Magenband oder Bypassoperationen mit Perforation, Striktur, Gastroparese). Weitere Gebiete betreffen die endoskopischen Restriktionsverfahren am Gastrointestinaltrakt durch interventionelle Nahttechniken. Auch die NOTES-Technik leistet dabei durch die Entwicklung neuer Endoskope und Instrumente zentrale Hilfestellung.

Die Versorgung und Untersuchung adipöser Patienten in den Endoskopieabteilungen ist eine relevante zukünftige Herausforderung und eine vorausschauende Adaptierung, oder Umstellung der vorhandenen Ressourcen ist in vielen Fällen noch nicht vollzogen und deshalb notwendig. Für viele Endoskopieneinheiten kann dies neben einer Belastung im Endoskopiealltag auch eine strategische Orientierung bedeuten, wenn die Gesamtstruktur (z.B. mehrere Kliniken oder das Krankenhaus) sich diesen Patienten besonders intensiv widmet und ihre Erkrankungen mehr in das Versorgungszentrum stellt.

Bibliografie

DOI http://www.dx.doi.org/10.1055/s-0032-1313559

Endo-Praxis 2012; 28: 49

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ISSN 0177-4077