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DOI: 10.1055/s-0032-1315243
Instrumente und ihre Namensgeber. Vincenz Czerny und die Czerny-Fasszange
Publication History
Publication Date:
27 August 2012 (online)
Ende des 19. Jahrhunderts hatte der operative Kampf gegen das Zervixkarzinom nach den Rückschlägen in der Geschichte eine neue Stufe erreicht [1]. Wilhelm Alexander Freund (1833–1917) publizierte seine Methode der abdominalen Hysterektomie, die er nach langen anatomischen Studien am 30. Januar 1878 erstmals an einer Patientin mit Zervixkarzinom im Breslauer Allerheiligen-Spital erfolgreich praktizierte [2].
Ein knappes Jahr später erschien in der Wiener Medizinischen Wochenschrift die Arbeit des Billroth-Schülers Vincenz Czerny (1842–1916), der die von ihm am 12. August 1879 durchgeführte vaginale Hysterektomie in ihren noch heute gültigen technischen Grundzügen beschrieb [5]. Damit stand ein ausgewiesener Chirurg an der Wiege der vaginal-operativen Gynäkologie, was allerdings nicht allzu sehr verwundert, denn die Promotionsformel aller Mediziner lautete damals meist noch „Doktor der Medizin, Chirurgie und Geburtshülfe“. Czerny pflegte damals eine vaginale Operationstechnik, die in ihrer Konsequenz zur Entwicklung der radikalen vaginalen Hysterektomie durch Friedrich Schauta (der heutigen Schauta-Operation) führte [6], während Schautas ehemaliger Assistent Ernst Wertheim die „erweiterte Freundʼsche Operation“ letztlich zur heutigen „Wertheim-Operation“ ausbaute [7].
Czerny wurde am 19. 11. 1842 in Trautenau (Böhmen) in der Familie eines Apothekers geboren [8]. Er studierte von 1860–1866 Medizin in Wien und an der Deutschen Karls-Universität Prag. Nach der Promotion 1866 arbeitete er bei den Wiener Koryphäen Ferdinand von Hebra (Dermatologie), Ferdinand von Arlt (Augenheilkunde) und Johann Ritter von Oppolzer (Innere Medizin). 1868 wurde er Assistent von Theodor Billroth, dem damals führenden Chirurgen der k. u. k. Monarchie. 1870 nahmen beide Chirurgen in deutschen Lazaretten am Deutsch-Französischen Krieg teil. Knapp ein Jahr später habilitierte sich Czerny ohne eigentliche Habilitationsschrift und erhielt schon Ende 1871 das Ordinariat der Chirurgischen Universitätsklinik in Freiburg i. Br. Er war damals gerade 28 Jahre alt [8]. In Freiburg lernte er neben der akademischen Prominenz der Stadt nicht nur den berühmten Internisten Adolf Kussmaul, sondern vor allem dessen Tochter Luise (1853–1929) kennen, die Vinzenz Czerny schon 1872 heiratete. Nach Jahren erfolgreicher Arbeit folgte Czerny 1877 dem Ruf an die Ruprecht-Karls-Universität Heidelberg, wo er die folgenden 29 Jahre erfolgreich forschte und lehrte [8], [9]. Für die Gynäkologie hat Czerny durch die Entwicklung der vaginalen Hysterektomie historische Bedeutung erworben, aber auch durch die Etablierung verschiedener Myomoperationen. Dazu verwendete er wohl auch die von ihm angegebene Fasszange, ein scharfes, kräftiges 3-zinkiges Instrument ([Abb. 3]), das in ähnlicher Form als Museaux-Klemme (Zweizinker) oder Schröder-Klemme (Dreizinker) Eingang in die gynäkologischen Operationssäle gefunden hat [10]. Damit ließen sich beim vaginalen und abdominalen Vorgehen die Myome sicher greifen, führen und ausschälen.
Die Liste der Ehrungen, die Vinzenz Czerny erfuhr, ist fast so lang wie die der innovativen Leistungen, die er vorzuweisen hatte [8], [9]. Er erhielt Berufungen auf die chirurgischen Lehrstühle in Prag (1877), Würzburg (1882) und Wien (1894), die er jeweils durch geschickte Bleibeverhandlungen zum Wohle der Heidelberger Klinik nutzte. In diesem Rahmen wurde er 1879 Geheimer Hofrat, Geheimer Rat II. Classe (1882) sowie Geheimer Rat I. Classe (1903), was mit dem Titel Exzellenz verbunden war. Bereits 1901 wählten ihn die deutschen Chirurgen zum Vorsitzenden der Deutschen Gesellschaft für Chirurgie. Mit 64 Jahren trat Czerny von seinem Ordinariat zurück, um sich ganz der onkologischen Forschung zu widmen. Er gehörte zu den Urvätern der Idee des heutigen Heidelberger Krebsforschungszentrums und zu den Gründern des „Committees für Krebsforschung“, der späteren Deutschen Krebsgesellschaft. Vinzenz Czerny, einer der ganz Großen der operativen Medizin, starb am 13. 10. 1916 in Heidelberg, der Stadt, die ihn 1912 zu ihrem Ehrenbürger ernannte, wahrscheinlich an den Folgen eines strahlenbedingten Malignoms, das er sich bei seinen Experimenten zugezogen haben dürfte [8], [9].
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Literatur
- 1 Fischer I. Historischer Rückblick über die Leistungen des XIX. Jahrhunderts auf dem Gebiet der Geburtshilfe und Gynäkologie. In: Halban J, Seitz L, Hrsg. Biologie und Pathologie des Weibes. Berlin: Urban und Schwarzenberg; 1928
- 2 Freund WA. Eine neue Methode der Exstirpation des ganzen Uterus. Sammlung Klin Vorträge 1878; 133: 911-924
- 3 Vorstand der Gesellschaft. Die Vorsitzenden der Deutschen Gesellschaft für Chirurgie in Bildern. Leipzig: Johann Ambrosius Barth; 1926
- 4 Freund WA. Leben und Arbeit. Berlin: Verlag J. Springer; 1913
- 5 Zander J. Milestones in Gynecology and Obstetrics. In: Ludwig H, Thomsen K, eds. Proceedings of the XIth World Congress of Gynecology and Obstetrics, Berlin, 1985. Heidelberg: Springer Verlag; 1986: 3-24
- 6 Schauta F. Die erweiterte vaginale Totalexstirpation des Uterus bei Kollumkarzinom. Wien, Leipzig: Verlag J. Safar; 1908
- 7 Wertheim E. Die erweiterte abdominale Operation bei Carcinoma colli uteri (auf Grund 500 Fällen). Berlin, Wien: Urban & Schwarzenberg; 1911
- 8 Lindner C. Vinzenz Czerny. Pionier der Chirurgie, chirurgischen Onkologie und integrierten Krebsforschung. Freiburg: Centaurus Verlag; 2009
- 9 http://www.ub.uni-heidelberg.de/allg/benutzung/bereiche/handschriften/625jahre2011/pdf/czerny.pdf Stand: 30.6.2012
- 10 http://www.springerimages.com/Images/MedicineAndPublicHealth/1-10.1007_s00106-003-0966-z-2 Stand: 29.06.2012