Orthopädie und Unfallchirurgie - Mitteilungen und Nachrichten 2012; 1(2): 212-213
DOI: 10.1055/s-0032-1315616
DGU
Aus den Verbänden
© Georg Thieme Verlag Stuttgart · New York

Buchbesprechung „Handchirurgie“

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Publication Date:
18 February 2013 (online)

VORBEMERKUNG

Auch in den gemeinsamen Mitteilungen und Nachrichten finden die Leser wie gewohnt Rezensionen. Die Fachgesellschaften und der BVOU mussten sich allerdings mit Rücksicht auf die limitierte Seitenanzahl auf Begrenzung des Umfangs und der Anzahl der Rezensionen verständigen. Wir wissen, dass diese Vorgaben nicht allen Büchern und Rezensenten gerecht wird. Daher haben wir uns entschlossen, in Ausnahmefällen für Besprechungen unfallchirurgisch besonders interessanter Bücher unsere Rubrik „Aus der DGU“ zu öffnen.

Ihr

Hartmut Siebert
DGU Generalsekretär

Es gibt zwei gute Gründe für dieses neue Buch:

1. Die Handchirurgie von Nigst, Buck-Gramcko und Millesi galt über 30 Jahre als das deutschsprachige Standardwerk für den Spezialisten. Durch Fortschritte der Wissenschaft und zunehmende Erfahrungen entstand über die Jahre ein Vakuum, das ausgefüllt zu werden verlangte. Die Zeit war also reif für eine umfassende Neubearbeitung.

2. Die Erfahrungen der Gutachterkommissionen belegen eine überdurchschnittliche Frequenz der Bestätigung von Behandlungsfehlervorwürfen bei handchirurgischen Fällen im Vergleich zum Gesamtkollektiv. Ungeachtet der spärlichen Repräsentation in der bundesdeutschen Muster-Weiterbildungsordnung als Zusatzbezeichnung haben die Inhalte des jungen Faches längst Niveau und Volumen einer Facharztqualität erreicht. Nachteile der aktuellen Struktur gibt es genug, der Vorteil aber ist, dass der Handchirurg heutiger Prägung sich auf ein Basisfach stützen kann, seien es Chirurgie, Unfallchirurgie, Orthopädie oder Plastische Chirurgie. Das mit 6,5 kg im wahrsten Sinne des Wortes gewichtige Werk in 2 Bänden hat sich zum Ziel gesetzt, ein Lehrbuch für den Anfänger wie ein Nachschlagewerk für den Erfahrenen zu sein. Eine Monografie könnte diese ungeheure Aufgabe kaum mehr befriedigend erfüllen. Hier wurden 96 Autoren in ein nachvollziehbares, einheitliches Konzept eingebunden, um dem Leser die Orientierung zu erleichtern. Die 66 Kapitel folgen einer Struktur, die mit einem allgemeinen Abschnitt einschließlich der chirurgisch relevanten Anatomie und Physiologie beginnt. Danach werden spezielle Techniken dargestellt, wobei konservative zusammen mit operativen Behandlungsmethoden berücksichtigt werden. Ergänzt wird die Übersicht durch Fehler, Gefahren und Komplikationen sowie die kapitelbezogene weiterführende Literatur. Auf die Besonderheiten der Diagnostik und Therapie im Wachstumsalter wird jeweils hingewiesen. Konzepte der Nachbehandlung werden aufgezeigt.

Die Autoren sehen die Handchirurgie als integratives Fach im interdisziplinären Team an. Um diesem Anspruch gerecht zu werden, kommen auch Schmerz- und Physiotherapeuten zu Wort. So wird beispielsweise das schwierige Thema des CRPS-I in drei separaten Kapiteln behandelt: aus der Sicht des klinisch tätigen Handchirurgen, des Handtherapeuten und des Operateurs für therapieresistente Fälle. Die Auswahl der Autoren belegt die Absicht, Bewährtes der Erfahrenen zu erhalten und den Stab bruchlos an die nächste Generation weiterzugeben. Dass H. Millesi, einer der Pioniere der deutschsprachigen Handchirurgie, für ein lesenswertes Vorwort gewonnen wurde, kann als ein solches Zeichen verstanden werden. Diese Absicht zeigt sich auch durch die Mischung aus zahlreichen neu gestalteten Abbildungen von Reinhard Henkel, Fotos und Röntgenbildern einerseits, andererseits durch Bildzitate aus dem unübertrefflichen Schatz der Lanz-Wachsmuthschen Praktischen Anatomie von 1935/1959, gezeichnet von Ernst Levin.

Anerkennenswert ist, dass es mit gewaltigem Aufwand in einem Zeitraum von 2 Jahren gelungen ist, eine so umfassende und aktuelle Zusammenstellung des Stoffes zu bewältigen. Für eine erste Auflage ist schon ein hoher Grad an Perfektion erreicht worden. Der kritische Leser wird bemerken, dass sich dabei Wiederholungen nicht immer vermeiden lassen, zumal wenn man auf eine geschlossene Darstellung jedes einzelnen Kapitels Wert legt. Ganz irrtumsfrei kann eine Erstausgabe nicht sein. So stellt beispielsweise das auf Seite 586 als AO-Klassifikation der Fingerfrakturen bezeichnete Schema einen Vorschlag aus der deutschen Sektion der AO von Petracic und Siebert aus dem Jahre 1998 dar, der nie den Segen der AO-International erhalten hatte. (Eine unterschiedliche Systematik der AO ohne Bezeichnung mit Buchstaben und Nummern liegt inzwischen von den Autoren Fricker, Kastelec und Nuñez im digitalen Netz bereit.) Dafür wird man reichlich entschädigt durch grundlegende Beiträge von höchster Sachkompetenz, als Beispiel sollen das Kapitel Gutachten erwähnt werden und in bisherigen Lehrbüchern nicht enthaltene Aspekte wie Psychische Erkrankungen in Beziehung zur Hand und ästhetische Handchirurgie.

Zusammengefasst kann man bestätigen, dass der beabsichtigte Spagat, ein Lehrbuch für den Anfänger und ein Nachschlagewerk für den Erfahrenen zu schreiben, in vollem Umfang gelungen ist. Sowohl der Auch-Handchirurg wie auch der Nur-Handchirurg können von der Neuerscheinung profitieren. Das Werk – und das ist der größte Gewinn aus ärztlicher Sicht – wird helfen, die Qualität der Handchirurgie zum Nutzen der betroffenen Patienten zu sichern und zu verbessern.

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Handchirurgie
H. Towfigh, R. Hierner, M. Langer,
R. Friedel (Hrsg.)
Mit einem Geleitwort von H. Millesi
1. Aufl. 2011.
XXX, 1.852 S., über 3.600 Abb.
in 2 Bänden, nicht einzeln erhältlich, Hardcover
(D) € 369,00 / (A) € 379,00 / CHF 459,50
Springer Verlag Berlin Heidelberg
ISBN 978-3-642-11757-2