Die Forderung der österreichischen Fachgesellschaften weist schon lange auf die Bedeutung einer Differenzierung der ersten und 2. Ultraschalluntersuchung in eine Basisuntersuchung und eine erweiterte Untersuchung hin (1, 2). In die letzte Mutterkindpass-Version (2009) wurde diese wichtige Forderung aufgenommen. Dies ist sowohl für die Ärzte / innen als auch für die Schwangeren von Vorteil, weil dadurch klar wird, dass nicht jede / r alles können muss und besondere Untersuchungen ein besonderes Wissen erfordern. Es ist heute üblich und ganz normal geworden, Schwangere für eine spezielle Untersuchung an eine spezialisierte Stelle zu überweisen. Die Information der Schwangeren über diese Untersuchungsmöglichkeiten ist integraler Bestandteil der Schwangerenbetreuung und ermöglicht den Frauen die Entscheidung, ob sie eine erweiterte Untersuchung, die ja oft keine Kassenleistung ist, in Anspruch nehmen wollen.
1) Ersttrimester-Screening, Combined Test
Über die Möglichkeit des Ersttrimester-Screenings sollte jede Schwangere, unabhängig von ihrem Alter, informiert werden (MKP, 1. Ultraschalluntersuchung, „Aufklärung über weitere pränataldiagnostische Untersuchungen erfolgt“). Zum Ersttrimester-Screening gehört eine anatomische Beurteilung des Feten, auf Wunsch auch eine Blutabnahme mit Bestimmung zweier Hormonparameter zur Wahrscheinlichkeitsberechnung auf Trisomien, der Überbegriff „Combined Test“ hat sich dafür etabliert. Es ist eine komplexe Untersuchung, die seit den ersten Publikationen (3–5) immer weiter verfeinert wurde (6).
Es geht dabei um die Berechnung des Trisomie-Risikos und damit um die Entscheidung für oder gegen eine invasive Abklärung. Daher ist eine ausreichende Qualität bei der Durchführung dieser Tests sehr wichtig: Unnötige Punktionen gefährden gesunde Feten, falsch negative Tests setzen die Untersucher / innen einem erheblichen Haftungsrisiko aus.
Um die Qualität der Combined Tests sicher zu stellen, wurden klare Qualitätskriterien von der FMF London und dann auch von der FMF Deutschland vorgegeben:
Der / die UntersucherIn muss qualifiziert sein, jeder muss selbst mit der entsprechenden Software die Berechnungen vornehmen, die Labors müssen zertifiziert sein.
Der / die UntersucherIn kann sich das Wissen mittlerweile über einen kostenfreien Internetkurs aneignen (http://www.fetalmedicine.com/fmf/), sich dann primär zertifizieren, die nötige Software gratis herunterladen und jährliche Audits absolvieren. Bei der FMF Deutschland ist der Prozess ähnlich (http://www.fmf-deutschland.info/de/arzt-info/), aber teils kostenpflichtig. Eine Auditierung / Zertifizierung / Akkreditierung erfolgt immer ad personam, das heißt, sie kann nicht einfach an einen Assistenten / in delegiert werden. Sie ist verpflichtend für alle, die die Leistung „Ersttrimesterscreening“ anbieten.
Es ist ganz klar, dass dies State of the Art und im Streitfall gutachterlich von großer Bedeutung ist.
Man trifft immer wieder auf folgende Ansichten, die den heutigen Standards völlig widersprechen und vor denen wir hiermit warnen möchten:
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„Ich habe vor Jahren einen Kurs gemacht und mich zertifiziert, und das reicht ja wohl. Ich schicke die NT-Werte mit maternalem Blut an ein Labor, und die senden mir dann den kompletten Testbefund. Dadurch spare ich mir auch die Software und das lästige Herumrechnen“.
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„Ich habe vor Jahren einen Kurs gemacht und mich zertifiziert, und das reicht ja wohl. – Eine / r in meinem Spital hat die Auditierung und wir anderen arbeiten unter seinem / ihrem Namen“.
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„Ich habe vor Jahren einen Kurs gemacht und mich zertifiziert, und das reicht ja wohl. – Ich mache Ersttrimesterschälle in meiner Praxis ohne Biochemie, und das geht bestens. Bin ja auch Facharzt / ärztin. Dafür kann ich durchaus einen angemessenen Preis verlangen“.
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„Ich bin ein erfahrener Ultraschaller und brauche mich nicht überprüfen zu lassen. Ich messe exakt die NT und schätze die Wahrscheinlichkeit anhand einer Tabelle ein. Oder ich verwende einen fixen Grenzwert“.
Es muss klar gesagt werden, dass alle diese Varianten Verstöße gegen die Qualitätsstandards sind und die 3 Fachgesellschaften dringend davor warnen, so vorzugehen!
Auch die Behauptung, die eingangs angeführten Qualitätsvorgaben seien in Österreich nicht verpflichtend, da von ausländischen Gesellschaften erstellt, wird im Klagsfalle kaum helfen. Es gibt in der Medizin Regeln, die sich aufgrund ihrer Logik und jahrelangen fachlichen Bewährung als internationaler Standard in Fachkreisen durchgesetzt haben. Hier braucht man mit der Umsetzung nicht darauf zu warten, bis die Ärztekammern oder das Ministerium dazu gesetzliche Regelungen erlassen. Im Gegenteil ist es als bahnbrechende Leistung anzuerkennen, dass hier fachinterne Qualitätsstandards erarbeitet wurden, ohne solange zu warten, bis Gerichtsurteile zum Handeln zwingen.
Es lässt sich einfach überprüfen, ob der / die Untersucher / in aktuell zum Combined-Testen zugelassen ist: Die Liste der FMF London-Zertifizierten und Auditierten ist auf der Startseite der Homepage abrufbar: http://www.fetalmedicine.com/fmf/ („List of accredited doctors“ / nur die 2. Liste zeigt die Auditierten!) und bei der FMF Deutschland kann man unter http://www.fmf-deutschland.info/de/patienten-info/zertifizierte-gynaekologen/die Ärzte namentlich suchen und dadurch deren Zulassung überprüfen.
Im Interesse der Schwangeren und in unserem eigenen Interesse erachten wir es also für wichtig, darauf hinzuweisen, dass Combined Tests nur regelkonform zur Anwendung kommen dürfen. Über die Homepages der FMF London und Deutschland kann jede / r kontrollieren, ob eine Zertifizierung und aktuelle Auditierung vorliegen.
2) Organ-Screening (Detailultraschall)
Auch für diese Untersuchung wurden Standards erarbeitet und publiziert (7–10), eine überarbeitete Version wurde im Dezember 2012 publiziert (11). Die erforderlichen Kenntnisse zum Organ-Screening entsprechen dem Stufe-II-Niveau der ÖGUM / DEGUM / SGUM. Es ist zwar nicht gefordert, dass man die Stufe-II-Qualifikation hat, um diese Untersuchung vorzunehmen, es müssen jedoch die Untersuchungsstandards eingehalten werden. Diese betreffen die Bildgebung, die Gerätequalität, die Bilddokumentation und Beratung. Natürlich ist damit auch ein entsprechender Zeitaufwand verbunden. Eine spezielle praktische und theoretische Aus- und Weiterbildung führt einen an diese Untersuchungsstandards heran. Im Schadensfall wird jeder dieser Punkte sachverständig zu beurteilen sein.
Das Organ-Screening anzubieten und abzurechnen, beinhaltet sowohl die Diagnostik erkennbarer Fehlbildungen als auch die Risikointerpretation von Softmarkern (12–16). Eine Schwangere also nach dem privat bezahlten „Organscreening“ wegen eines echogenen Fokus oder eines erweiterten fetalen Nierenbeckens einem Zentrum zur Risikoeinschätzung zuzuweisen und auf diesem Wege ein echtes Organ-Screening mit Gesamtübernahme des Haftungsrisikos zu erreichen, ist keine korrekte Vorgangsweise und muss abgelehnt werden. Erst wenn im Rahmen des privat bezahlten Organ-Screenings echte Auffälligkeiten diagnostiziert wurden, soll an ein übergeordnetes Ultraschallzentrum weiter verwiesen werden.
Zu warnen ist auch vor verbalen Phantasiegebilden wie „Organscreening light“ oder „Organscreening Stufe 1“, die in falscher Sicherheit wiegen. Sobald der Name „Organscreening“, „erweiterter Ultraschall“ oder „Detailultraschall“ verwendet wird, müssen die o. g. Qualitätskriterien nachweislich eingehalten werden.