Psychiatr Prax 2012; 39(04): 196
DOI: 10.1055/s-0032-1320110
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Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

Humor in Psychiatrie und Psychotherapie

Contributor(s):
Susanne Bachthaler
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Publication Date:
22 June 2012 (online)

 
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Gerade in unserer schnelllebigen Zeit mit meist starrem Leistungsdenken sowie einer hohenWertigkeit von Daten, Fakten und Statistiken, bleibt nur wenig Raum für Buntes und Fantasievolles, sodass der vorliegende Buchtitel schon eine fast magische Anziehungskraft hat und geradezu einlädt, Distanz zur nüchternen Umwelt zu bekommen. Aber immer noch schwirrt in manchen Therapeutenköpfen die Prämisse herum, dass Humor Widerstand und dass Lachen nur oberflächlich sei. Dadurch wird der Einsatz von humorvollen oder zum Lachen anregenden therapeutischen Interventionen teilweise als nicht professionell angesehen und verpönt. Für diese Therapeuten empfiehlt sich die Lektüre des rezensierten Buches ganz besonders. Denn am Ende wird für die meisten Leser klar sein, dass Humor bzw. Lachen – selbstverständlich verantwortungsvoll und wohl überlegt – in die Therapie eingebracht, ein wirkungsvolles Instrument sein kann, um Ressourcen zu stärken und so zur Gesundung bei zu tragen. Natürlich eignen sich Humorinterventionen nicht für jeden Therapeuten und Patienten, so wie nicht jede Therapierichtung für jeden passt. Diejenigen die genau das für sich herausfinden und sich auf humorvolle Interventionen einlassen möchten, erhalten hier ein breites Interventionsspektrum, das die Lachmuskeln trainiert und wertvolle Tipps für die Praxis, die zum Teil auch wissenschaftlich fundiert sind.

Nach einer Einführung in die verschiedenen Arten und Definitionen von Humor, folgt ein Kapitel, das vor allem für die Zweifler an Humor als therapeutischem Mittel interessant erscheint, nämlich die neurobiologischen Grundlagen der Humorforschung. Wo sich z. B. in der funktionellen Bildgebung die Witzwahrnehmung und das Witzverständnis abbilden.

Hier gibt es überraschend viele Studien – allerdings oft mit geringen Fallzahlen. Danach kommen Kapitel über Ironie und Humorinterventionen in der Psychotherapie mit Patienten verschiedener Altersstufen gefolgt vom Einsatz des Humors in unterschiedlichen Therapierichtungen wie Tiefenpsychologie, Analyse, Trauma-, Verhaltens- und Kunsttherapie. In den nächsten Kapiteln wird auf den Provokativen Stil® und auf ein vonMc Ghee entworfenes Humortrainingsprogramm, in dem Humor als Copingstrategie eingesetzt wird, eingegangen. Abgerundet wird die Zusammenstellung mit der Darstellung von Lachgruppen und der Arbeit der Klinikclowns sowohl mit Kindern als auch mit betagten Menschen. Unter den Autoren sind viele angesehene Therapeuten wie z. B. Verena Kast.

Durch die Lektüre wird klar, dass für eine humorvolle Intervention die therapeutische Beziehung gefestigt sein sollte. Humorinterventionen erfordern ein Quantum an Mut beim Therapeuten, da es auch darum geht, sich selbst nicht ganz so ernst zu nehmen. Wenn dies gelingt, kann ein Perspektivenwechsel beim Patienten stattfinden. Selbstverständlich kann eine Humorintervention nicht heilen – das wird im vorliegenden Buch auch gar nicht postuliert – und welche Intervention schafft das schon, dennoch kann Humor neue Wege öffnen, wenn schon alles ganz verfahren erscheint. Es wird herausgestellt, dass eine Humorintervention dann, wenn der Therapeut ebenfalls den Humor im Sinne der Authentizität in seinen Alltag eingebunden hat, besonders wirkungsvoll ist. Das bedeutet für Therapeuten, dass es gar nicht so leicht ist, stimmige humorvolle Interventionen zu einem geeigneten Zeitpunkt möglichst locker in die Therapie einzustreuen und dass es dafür sicherlich der Übung bedarf. Jedenfalls wird durch die Lektüre das Bewusstsein für Humor im täglichen Leben, die Neugier und Lust, mehr Humor in den eigenen Therapien einzusetzen und sich selbst nicht ganz so ernst zu nehmen, gesteigert. Wie das gehen kann, zeigt ein Witz von E. Noni Höfner aus dem vorliegenden Buch: Was ist der Unterschied zwischen einem Therapeuten und dem lieben Gott? Der liebe Gott glaubt nicht, dass er ein Therapeut ist. Alles klar, oder? Für jeden, der es verstanden hat, auf jeden Fall ein lesenswertes Buch und für alle, die es nicht verstanden haben, noch viel mehr.

Susanne Bachthaler, Ravensburg
E-Mail: susanne.bachthaler@zfpzentrum.de