Zahnmedizin up2date 2013; 7(6): 517-527
DOI: 10.1055/s-0032-1325102
Endodontologie
Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

Möglichkeiten und Grenzen der Pulparegeneration

Kerstin Galler
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Publication Date:
29 November 2013 (online)

Einleitung

Die Zahnpulpa befindet sich umschlossen von den verschiedenen Hartgeweben (Schmelz, Dentin und Zementum) im Inneren des Zahnes. Dieses auch als Endodont bezeichnete Gewebe beinhaltet die dentinbildenden Odontoblasten, außerdem Fibroblasten, Blutgefäße, Nervenzellen und Zellen des Immunsystems wie dendritische Zellen und Makrophagen. Des Weiteren befinden sich in der Pulpa ebenso wie in anderen Körpergeweben Stammzellen, die am regulären Gewebeumsatz beteiligt sind, aber auch nach einer Verletzung oder Gewebezerstörung wandern und ausdifferenzieren können, um die Aufgabe der ursprünglichen Zellen zu erfüllen.

Bereits während der Zahnentwicklung erfolgt im Zahnkeim die terminale Differenzierung ektomesenchymaler Zellen zu Odontoblasten, die mit der Dentinproduktion beginnen. Dabei wird zunächst ein überwiegend aus Kollagen bestehendes, nicht mineralisiertes Gerüst synthetisiert, das Primärdentin. Durch Einlagerung von Hydroxylapatit-Kristallen kommt es zur Hartgewebsbildung. Diese erfolgt im Gegensatz zum Knochen direktional, wobei die Odontoblasten Zellfortsätze hinterlassen, welche die tubuläre Struktur des Dentins erzeugen. Dentin und Pulpa bilden somit entwicklungsgeschichtlich eine anatomisch-funktionelle Einheit, man spricht auch vom Pulpa-Dentin-Komplex.

Kommt es infolge von Zahnhartsubstanzverlusten (meist durch Karies oder Trauma) zur Schädigung des Endodonts, so wird routinemäßig als therapeutische Maßnahme die Wurzelkanalbehandlung durchgeführt. Nach Entfernung der entzündeten oder nekrotischen Pulpa und Desinfektion des Wurzelkanalsystems wird das verloren gegangene Gewebe durch ein synthetisches Material ersetzt. Damit soll ein Verschluss erzielt werden, durch den die weitere Ausbreitung von Mikroorganismen verhindert und der Zahn langfristig in der Mundhöhle erhalten werden kann. Mit dem Verlust der Pulpa ist jedoch auch deren Funktion nicht mehr erfüllt, u. a. die Bildung und Befeuchtung des Dentins, die immunologische Abwehrleistung, die Innervation und Schmerzweiterleitung als Warnsystem sowie die Bildung von Tertiärdentin. Daher wären biologiebasierte oder regenerative Verfahren wünschenswert, mit denen die Funktion der Pulpa erhalten oder wiederhergestellt werden könnte.

Der endodontischen Behandlung geht eine eingehende Diagnostik voraus. Klinisch werden reversible und irreversible Pulpopathien sowie die Pulpanekrose unterschieden. Während im Falle der reversiblen Pulpopathie mittels Kariesexkavation, Füllungsaustausch oder der direkten Überkappung versucht werden kann, die Pulpa vital zu erhalten, ist nach Stellung der Diagnose einer irreversiblen Pulpitis die Pulpektomie indiziert. Dies ist jedoch kritisch zu betrachten, da eine Entzündungsreaktion in der Pulpa zunächst nur einen abgegrenzten Teilbereich betrifft. Das inflammatorische Geschehen breitet sich meist vom Ort der Reizeinwirkung im Bereich eines Pulpahorns beginnend von koronal nach lateral und apikal aus. Während bei Milchzähnen (und bei bleibenden Zähnen mit nicht abgeschlossenem Wurzelwachstum) die Pulpotomie, also die Entfernung lediglich des entzündeten Gewebes, therapeutisch zum Vitalerhalt durchgeführt wird, ist dieses Vorgehen bisher bei bleibenden Zähnen wenig berbreitet. Es wäre jedoch erstrebenswert, durch modifizierte Behandlungsprotokolle die Pulpotomie zum Vitalerhalt im Sinne eines regenerativen Verfahrens auch bei bleibenden Zähnen mit abgeschlossenem Wurzelwachstum durchzuführen.

Einen Sonderfall stellen jugendliche Zähne mit nicht abgeschlossenem Wurzelwachstum nach Zahntrauma dar. Geht die Pulpa bedingt durch entzündliche Vorgänge nach bakterieller Kontamination verloren, so kommt damit auch das Wurzelwachstum zum Stillstand. Ein weit offener Apex mit trichterförmigen, dünn auslaufenden und somit frakturanfälligen Dentinwänden erschwert die suffiziente Wurzelkanalfüllung erheblich. Durch medikamentöse Einlagen kann der Abschluss des Wurzelwachstums angeregt werden, im Anschluss wird der Wurzelkanal mit einer Füllung obturiert. Die Behandlung ist jedoch langwierig und des Öfteren mit Komplikationen behaftet, weil es durch entzündliche Prozesse oder durch Dentin- und Knochenresorption zur Zahnlockerung bis hin zum Zahnverlust kommen kann. Diese bisher praktizierte Apexifikation, mit der im apikalen Bereich eine Hartgewebsbarriere induziert werden soll, ist zeitaufwendig und führt auch bei erfolgreichem Abschluss zwar zumeist zu einer Verdickung der Dentinwände, nicht jedoch zu einer Zunahme des Wurzellängenwachstums. Der Vitalerhalt jugendlicher Zähne wäre natürlich besonders wünschenswert, da sowohl der Zahn als auch der ihn umgebende Knochen erhalten werden könnten, womit Funktion und Ästhetik gewährleistet blieben.

Mit der Isolation von mesenchymalen Stammzellen aus der Zahnpulpa bleibender Zähne im Jahre 2000 und der raschen Weiterentwicklung in den Bereichen des Tissue Engineering und der regenerativen Medizin gibt es immer mehr Bestrebungen, regenerative Behandlungskonzepte auch in der Endodontie gewinnbringend anzuwenden. Derzeit wird aktiv an der Entwicklung von Verfahren gearbeitet, die in der Zukunft den Einsatz synthetischer Materialien zum Ersatz der Pulpa (zumindest in ausgewählten Fällen und Indikationsstellungen) verdrängen könnten.

 
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