Aktuelle Dermatologie 2013; 39(03): 87-89
DOI: 10.1055/s-0032-1325982
Kasuistik
© Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

Progressive systemische Sklerodermie mit begleitendem bronzefarbenem Hautkolorit

Progressive Systemic Scleroderma Accompanied by Bronze-Coloured Skin
A. Fellas
Klinik für Dermatologie und Allergologie, Hauttumorzentrum Wiesbaden, HSK, Dr.-Horst-Schmidt-Kliniken GmbH
,
C. Bayerl
Klinik für Dermatologie und Allergologie, Hauttumorzentrum Wiesbaden, HSK, Dr.-Horst-Schmidt-Kliniken GmbH
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Korrespondenzadresse

Prof. Dr. med. Christiane Bayerl
Klinik für Dermatologie und Allergologie
HSK, Dr.-Horst-Schmidt-Kliniken GmbH
Aukammallee 39
65191 Wiesbaden

Publication History

Publication Date:
27 February 2013 (online)

 

Zusammenfassung

Die Patientin stellte sich im März 2012 mit dem Bild einer progressiven systemischen Sklerodermie bei uns vor. Zusätzlich bestand ein bronzefarbenes Hautkolorit. Die Beschwerden begannen 6 Monate zuvor. Zum gleichen Zeitpunkt wurde bei der Patientin ein Mammakarzinom diagnostiziert. Nach R0-Resektion erfolgte eine Chemotherapie nach dem FEC-DOC-Schema. Eine Ösophagusbeteiligung konnte mittels Szintigrafie nachgewiesen werden. Zusätzlich lag ein ANA-Titer von 1 : 200 vor. Ein M. Addison bzw. M. Wilson konnte nicht festgestellt werden. Eine Therapie mit Penicillin 10 Mio. IE dreimal täglich in Kombination mit einer oralen PUVA wurde eingeleitet. Einzelne Fälle mit einem gleichzeitigen Auftreten von Hyperpigmentierung der Haut und Sklerodermie wurden beschrieben. Die o. g. Chemotherapie zur Behandlung des Mammakarzinoms kann ebenfalls zum Auftreten einer Sklerodermie sowie einer Hyperpigmentation führen. Die genaue Pathogenese unseres Falles ist multifaktoriell und nicht völlig zu klären.


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Abstract

In March 2012, the 52-year-old patient presented typical symptoms of systemic scleroderma. In addition, a bronze-coloured skin was presented. According to the patient, the symptoms started six months before. At this time, the patient was diagnosed with breast cancer, followed by a R0-resection and chemotherapy according to the FEC-DOC schema. The esophagus scintigraphy showed a moderate constriction in the middle third of the esophagus for fluid substances. The only abnormality in the blood was an increased ANA-titer of 1 : 200. Due to the cutaneous hyperpigmentation, we also tested for M. Addison and M. Wilson, which could be excluded. A systemic therapy with Penicillin G 10 Mio IE 3 × daily in combination with an oral PUVA over three weeks was initiated. Individual cases have been described in the medical literature showing that scleroderma is accompanied by a diffuse generalised hyperpigmentation. Because of the prior diagnosed breast-cancer, the patient also received chemotherapy with docetaxel. Possible side effects of this cytostatic drug include scleroderma as well as a cutaneous hyperpigmentation in the course of the superficial veins. Due to this we believe that the pathogenesis in our case might be multifactorial and not completely understood.


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Einleitung

Die progressive systemische Sklerodermie (PSS) gehört zusammen mit der zirkumskripten Sklerodermie (Morphea) zu der großen Gruppe der Kollagenosen. Die Inzidenz der PSS liegt bei 0,5 – 1,5/100 000 Einwohner. Sie manifestiert sich meist zwischen dem 30. – 50. Lebensjahr. Frauen sind bis 15-mal häufiger betroffen als Männer. Man unterscheidet zwischen einer limitierten und einer diffusen Form. Zu der limitierten Form gehört das CREST-Syndrom (Kalzinosis, Morbus Raynaud, Ösophagusbeteiligung, Sklerodermie, Teleangiektasien) [1] [2]. Beim Auftreten einer Hyperpigmentierung sollte differenzialdiagnostisch an einen Morbus Addison, eine Acanthosis nigricans, einen M. Wilson sowie eine multiple endokrine Neoplasie gedacht werden. Die Ätiologie ist bislang unklar. Humorale und zelluläre Immunphänomene werden beobachtet. Die antinukleären Antikörper werden bei bis zu 30 % der Patienten nachgewiesen. Prodromi können eine Livedo racemosa sowie eine Raynaud-Symptomatik sein.


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Kasuistik

Anamnese

Die 52-jährige Patientin stellte sich im März 2012 mit einer seit 6 Monaten bestehenden Verhärtung und Bewegungseinschränkung beider Arme vor. Die Finger fühlten sich zunehmend kälter an und es käme vermehrt zu einer weißlichen Verfärbung. Im zeitlichen Zusammenhang kam es zudem zu einer bronzefarbenen Verfärbung des gesamten Integuments ([Abb. 1 – 3]) mit zusätzlicher Pigmentierung der Handlinien und Fingerfalten. Bei der Patientin wurde im Dezember 2011 ein Mammakarzinom der rechten Brust, Tumorgröße 19 mm, Östrogen- und Progesteronrezeptor positiv, HER-2 negativ diagnostiziert. Es erfolgte eine brusterhaltende R0-Resektion mit anschließender Chemotherapie nach dem FEC-DOC-Schema (5-Fluorouracyl, Epirubicin, Cyclophosphamid und Docetaxel), insgesamt 12 Zyklen bis Juni 2012. Zum Zeitpunkt der Aufnahme bestanden keine Schluckstörungen. Nebenbefundlich litt die Patientin unter einer arteriellen Hypertonie und einer Psoriasis palmoplantaris.

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Abb. 1 Bronzefarbenes Hautkolorit bei Aufnahme der Patientin.
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Abb. 2 Bronzefarbenes Hautkolorit bei Aufnahme der Patientin.
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Abb. 3 Glänzende Haut als Zeichen der Verhärtung.

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Methoden

Bei dem Verdacht auf eine progressive systemische Sklerodermie erfolgte eine Durchuntersuchung mit Ösophagusszintigrafie und Lungenfunktionsprüfung. Laborchemisch wurden ANA und ENA sowie die Borrelien-Serologie untersucht. Zum Ausschluss eines Morbus Addison bzw. Morbus Wilson erfolgten zusätzlich Nierensonografie, Magnetresonanztomografie des Schädels und ein ACTH-Test. Im Blut wurden Kupfer- und Eisenhaushalt untersucht.


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Ergebnisse

In der Ösophagusszintigrafie zeigte sich eine moderate Einschränkung im mittleren Ösophagusdrittel für breiige Substanz. Lungenfunktionsprüfung und Nierensonografie ergaben einen Normalbefund. Die MRT-Schädel-Untersuchung zeigte ebenfalls einen unauffälligen Befund der Hypophyse. Im ACTH-Test wurde eine normale Cortisolfreisetzung festgestellt. Borrelien-Serologie und ENA waren unauffällig. ANA zeigten einen erhöhten Titer von 1 : 200. Eisen- und Kupferhaushalt waren normwertig. Die ophthalmologische Untersuchung war ebenfalls unauffällig.

Eine progressive systemische Sklerodermie mit Ösophagusbeteiligung wurde diagnostiziert. Aufgrund der begleitenden kutanen Hyperpigmentation wurden ein M. Addison und ein M. Wilson ausgeschlossen. Eine Therapie mit Penicillin G 10 Mio. IE 3 × tgl. in Kombination mit einer oralen PUVA über 3 Wochen wurde eingeleitet. Darunter kam es zu einer Abblassung der Hyperpigmentation. In der Verlaufskontrolle in unserer Ambulanz 6 Wochen poststationär wurde die Beweglichkeit der Arme als deutlich gebessert empfunden. Eine erneute Kontrolle wurde von der Patientin nicht wahrgenommen.

Im Juli 2012 stellte sich die Patientin im CharitéCentrum für Innere Medizin und Dermatologie vor. Das bräunliche Hautkolorit war weiterhin bestehend, allerdings mit Aussparung der Handflächen und Fußsohlen sowie teilweise axillär. Die Haut an den oberen Extremitäten war weiterhin gespannt und verhärtet, die Beweglichkeit weiterhin eingeschränkt. Empfohlen wurde eine systemische Behandlung der PSS in Kombination mit einer Bade-PUVA-Therapie sowie konsequente Durchführung von Lymphdrainagen.


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Diskussion

In der Literatur wurden einzelne Fälle zu Sklerodermie mit begleitender diffuser generalisierter Hyperpigmentation beschrieben [3] [4]. Die Mechanismen, die zu dieser Hyperpigmentation führen, sind noch unbekannt. Die Mitwirkung des Endothelin-1, welches in den Keratinozyten produziert wird, wird vermutet [5]. In der Studie von Tabata et al. wurde eine In-situ-Hybridisierung von neun Sklerodermie-Hautpräparaten durchgeführt und mit gesunden Hautpräparaten verglichen. Die Hautpräparate der Sklerodermie-Patienten zeigten im Vergleich zu den gesunden Präparaten eine sehr hohe Anzahl an körnigen Strukturen in der Epidermis [5]. Bei o. g. Konstellation der Symptome ist eine polyglanduläre Autoimmunendokrinopathie differenzialdiagnostisch zu erwägen. Die Patientin bekam zusätzlich eine Chemotherapie mit Docetaxel aufgrund des Mammakarzinoms. Zu den Nebenwirkungen dieses Zytostatikums gehören auch eine Sklerodermie sowie eine kutane, im Verlauf der oberflächlichen Venen auftretende Hyperpigmentierung [6]. Vermutlich haben mehrere Faktoren bei unserer Patientin eine Rolle in der Entstehung der systemischen Sklerodermie gespielt. Nach Beendigung der Chemotherapie war die Hyperpigmentation weiterhin vorhanden, die Bewegungseinschränkung und Verhärtung der Haut zeigte eine Progredienz.


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Interessenkonflikt

Die Autoren geben an, dass kein Interessenkonflikt besteht.

  • Literatur

  • 1 Altmeyer P, Bacharach-Buhles M, Buhles N, Brockmeyer N. Enzyklopädie der Dermatologie, Venerologie, Allergologie, Umweltmedizin. Berlin: Springer; 2002
  • 2 Plewig G, Landthaler M, Burgdorf WHC et al. Braun-Falco’s Dermatologie, Venerologie und Allergologie. Berlin: Springer; 2005
  • 3 Dubner S, Bovi J, White J et al. Postirridiation Morphea in a Breast Cancer Patient. Breast J 2006; 12: 173-176
  • 4 Ee HL, Tan SH. Reticulate hyperpigmented scleroderma: a new pigmentary manifestation. Clinical and Experimental Dermatology 2005; 30: 131-133
  • 5 Tabata H, Hara N, Otsuka S et al. Correlation between diffuse pigmentation and keratinocyte-derived endothelin-1 in systemic sclerosis. Int J Dermatol 2000; 39: 899-202
  • 6 Chew L, Chuen VS. J Oncol. Cutaneous reaction associated with weekly docetaxel administration. Pharm Pract 2009; 15: 29-34

Korrespondenzadresse

Prof. Dr. med. Christiane Bayerl
Klinik für Dermatologie und Allergologie
HSK, Dr.-Horst-Schmidt-Kliniken GmbH
Aukammallee 39
65191 Wiesbaden

  • Literatur

  • 1 Altmeyer P, Bacharach-Buhles M, Buhles N, Brockmeyer N. Enzyklopädie der Dermatologie, Venerologie, Allergologie, Umweltmedizin. Berlin: Springer; 2002
  • 2 Plewig G, Landthaler M, Burgdorf WHC et al. Braun-Falco’s Dermatologie, Venerologie und Allergologie. Berlin: Springer; 2005
  • 3 Dubner S, Bovi J, White J et al. Postirridiation Morphea in a Breast Cancer Patient. Breast J 2006; 12: 173-176
  • 4 Ee HL, Tan SH. Reticulate hyperpigmented scleroderma: a new pigmentary manifestation. Clinical and Experimental Dermatology 2005; 30: 131-133
  • 5 Tabata H, Hara N, Otsuka S et al. Correlation between diffuse pigmentation and keratinocyte-derived endothelin-1 in systemic sclerosis. Int J Dermatol 2000; 39: 899-202
  • 6 Chew L, Chuen VS. J Oncol. Cutaneous reaction associated with weekly docetaxel administration. Pharm Pract 2009; 15: 29-34

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Abb. 1 Bronzefarbenes Hautkolorit bei Aufnahme der Patientin.
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Abb. 2 Bronzefarbenes Hautkolorit bei Aufnahme der Patientin.
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Abb. 3 Glänzende Haut als Zeichen der Verhärtung.