Einleitung
Die progressive systemische Sklerodermie (PSS) gehört zusammen mit der zirkumskripten Sklerodermie (Morphea) zu der großen Gruppe der Kollagenosen. Die Inzidenz der PSS liegt bei 0,5 – 1,5/100 000 Einwohner. Sie manifestiert sich meist zwischen dem 30. – 50. Lebensjahr. Frauen sind bis 15-mal häufiger betroffen als Männer. Man unterscheidet zwischen einer limitierten und einer diffusen Form. Zu der limitierten Form gehört das CREST-Syndrom (Kalzinosis, Morbus Raynaud, Ösophagusbeteiligung, Sklerodermie, Teleangiektasien) [1]
[2]. Beim Auftreten einer Hyperpigmentierung sollte differenzialdiagnostisch an einen Morbus Addison, eine Acanthosis nigricans, einen M. Wilson sowie eine multiple endokrine Neoplasie gedacht werden. Die Ätiologie ist bislang unklar. Humorale und zelluläre Immunphänomene werden beobachtet. Die antinukleären Antikörper werden bei bis zu 30 % der Patienten nachgewiesen. Prodromi können eine Livedo racemosa sowie eine Raynaud-Symptomatik sein.
Kasuistik
Anamnese
Die 52-jährige Patientin stellte sich im März 2012 mit einer seit 6 Monaten bestehenden Verhärtung und Bewegungseinschränkung beider Arme vor. Die Finger fühlten sich zunehmend kälter an und es käme vermehrt zu einer weißlichen Verfärbung. Im zeitlichen Zusammenhang kam es zudem zu einer bronzefarbenen Verfärbung des gesamten Integuments ([Abb. 1 – 3]) mit zusätzlicher Pigmentierung der Handlinien und Fingerfalten. Bei der Patientin wurde im Dezember 2011 ein Mammakarzinom der rechten Brust, Tumorgröße 19 mm, Östrogen- und Progesteronrezeptor positiv, HER-2 negativ diagnostiziert. Es erfolgte eine brusterhaltende R0-Resektion mit anschließender Chemotherapie nach dem FEC-DOC-Schema (5-Fluorouracyl, Epirubicin, Cyclophosphamid und Docetaxel), insgesamt 12 Zyklen bis Juni 2012. Zum Zeitpunkt der Aufnahme bestanden keine Schluckstörungen. Nebenbefundlich litt die Patientin unter einer arteriellen Hypertonie und einer Psoriasis palmoplantaris.
Abb. 1 Bronzefarbenes Hautkolorit bei Aufnahme der Patientin.
Abb. 2 Bronzefarbenes Hautkolorit bei Aufnahme der Patientin.
Abb. 3 Glänzende Haut als Zeichen der Verhärtung.
Methoden
Bei dem Verdacht auf eine progressive systemische Sklerodermie erfolgte eine Durchuntersuchung mit Ösophagusszintigrafie und Lungenfunktionsprüfung. Laborchemisch wurden ANA und ENA sowie die Borrelien-Serologie untersucht. Zum Ausschluss eines Morbus Addison bzw. Morbus Wilson erfolgten zusätzlich Nierensonografie, Magnetresonanztomografie des Schädels und ein ACTH-Test. Im Blut wurden Kupfer- und Eisenhaushalt untersucht.
Ergebnisse
In der Ösophagusszintigrafie zeigte sich eine moderate Einschränkung im mittleren Ösophagusdrittel für breiige Substanz. Lungenfunktionsprüfung und Nierensonografie ergaben einen Normalbefund. Die MRT-Schädel-Untersuchung zeigte ebenfalls einen unauffälligen Befund der Hypophyse. Im ACTH-Test wurde eine normale Cortisolfreisetzung festgestellt. Borrelien-Serologie und ENA waren unauffällig. ANA zeigten einen erhöhten Titer von 1 : 200. Eisen- und Kupferhaushalt waren normwertig. Die ophthalmologische Untersuchung war ebenfalls unauffällig.
Eine progressive systemische Sklerodermie mit Ösophagusbeteiligung wurde diagnostiziert. Aufgrund der begleitenden kutanen Hyperpigmentation wurden ein M. Addison und ein M. Wilson ausgeschlossen. Eine Therapie mit Penicillin G 10 Mio. IE 3 × tgl. in Kombination mit einer oralen PUVA über 3 Wochen wurde eingeleitet. Darunter kam es zu einer Abblassung der Hyperpigmentation. In der Verlaufskontrolle in unserer Ambulanz 6 Wochen poststationär wurde die Beweglichkeit der Arme als deutlich gebessert empfunden. Eine erneute Kontrolle wurde von der Patientin nicht wahrgenommen.
Im Juli 2012 stellte sich die Patientin im CharitéCentrum für Innere Medizin und Dermatologie vor. Das bräunliche Hautkolorit war weiterhin bestehend, allerdings mit Aussparung der Handflächen und Fußsohlen sowie teilweise axillär. Die Haut an den oberen Extremitäten war weiterhin gespannt und verhärtet, die Beweglichkeit weiterhin eingeschränkt. Empfohlen wurde eine systemische Behandlung der PSS in Kombination mit einer Bade-PUVA-Therapie sowie konsequente Durchführung von Lymphdrainagen.
Diskussion
In der Literatur wurden einzelne Fälle zu Sklerodermie mit begleitender diffuser generalisierter Hyperpigmentation beschrieben [3]
[4]. Die Mechanismen, die zu dieser Hyperpigmentation führen, sind noch unbekannt. Die Mitwirkung des Endothelin-1, welches in den Keratinozyten produziert wird, wird vermutet [5]. In der Studie von Tabata et al. wurde eine In-situ-Hybridisierung von neun Sklerodermie-Hautpräparaten durchgeführt und mit gesunden Hautpräparaten verglichen. Die Hautpräparate der Sklerodermie-Patienten zeigten im Vergleich zu den gesunden Präparaten eine sehr hohe Anzahl an körnigen Strukturen in der Epidermis [5]. Bei o. g. Konstellation der Symptome ist eine polyglanduläre Autoimmunendokrinopathie differenzialdiagnostisch zu erwägen. Die Patientin bekam zusätzlich eine Chemotherapie mit Docetaxel aufgrund des Mammakarzinoms. Zu den Nebenwirkungen dieses Zytostatikums gehören auch eine Sklerodermie sowie eine kutane, im Verlauf der oberflächlichen Venen auftretende Hyperpigmentierung [6]. Vermutlich haben mehrere Faktoren bei unserer Patientin eine Rolle in der Entstehung der systemischen Sklerodermie gespielt. Nach Beendigung der Chemotherapie war die Hyperpigmentation weiterhin vorhanden, die Bewegungseinschränkung und Verhärtung der Haut zeigte eine Progredienz.