Hintergrund
Lymphangiome sind seltene gutartige Tumoren der Lymphgefäße, die bezüglich ihrer Morphologie
weiteren Untergruppen zugeordnet werden [1]. Unterschieden werden kavernöse von kapillären und zystischen Lymphangiomen, wobei
sich die ICD-10-Klassifikation der Tumoren an ihrer Lokalisation orientiert. Ätiologisch
handelt es sich bei Lymphangiomen in der Regel um angeborene Fehlbildungen, die in
vielen Fällen klinisch asymptomatisch bleiben. Histologisch sind Lymphangiome durch
septierte zystiforme Strukturen gekennzeichnet, die teilweise mit eosinophiler Flüssigkeit
gefüllt und mit Endothelzellen ausgekleidet sind [2]. Die Tumoren betreffen hinsichtlich ihrer Lokalisation zu 75 % den Hals- und Nackenbereich
sowie zu 20 % die Axilla [3]. Weniger als 5 % aller Lymphangiome sind intrathorakal oder -abdominell gelegen;
hier wurden sie unter anderem in Gastrointestinaltrakt, Milz, Leber, Pankreas und
Omentum majus beschrieben [4]
[5].
Wir berichten im Folgenden über eine Patientin mit zunächst ätiologisch unklaren rezidivierenden
einseitigen Pleuraergüssen, bei der anhand bildgebender Befunde und einer CT-navigierten
Biopsie ein kombiniertes mediastinales und retroperitoneales zystisches Lymphangiom
als Ursache identifiziert werden konnte.
Fallbericht
Eine 71-jährige Patientin mit bekanntem Asthma bronchiale, chronischer Sinusitis,
arterieller Hypertonie und Osteoporose wurde in einem auswärtigen Krankenhaus zur
Abklärung von seit drei Monaten rezidivierenden linksseitigen Pleuraergüssen stationär
aufgenommen. In der thorakalen CT fand sich keine Ursache für den rezidivierenden
Erguss. Die Pleurapunktion ergab den Befund zahlreicher Chylomikronen, sodass der
Erguss als Chylothorax eingestuft wurde. In der thorakoskopischen Biopsie von Lunge
und Pleura konnte lediglich ein unspezifisches granulozytär-entzündliches Zellbild
nachgewiesen werden. Darüber hinaus fanden sich mediastinale und retroperitoneale
Raumforderungen, die zunächst als Lymphknotenvergrößerungen interpretiert wurden,
wobei sich weder bildmorphologisch noch laborchemisch oder zytologisch eindeutige
Anhaltspunkte für ein inflammatorisches oder malignes Geschehen ergaben.
Bei Aufnahme in unsere Klinik wurde zunächst eine Verlaufskontrolle der CT durchgeführt,
die eine Befundprogredienz der vorbeschriebenen paraaortalen abdominellen Raumforderungen
zeigte ([Abb. 1]). Die Dichte nach intravenöser Kontrastmittelgabe lag bei durchschnittlich 9 HE.
Die mediastinale Lymphadenopathie wies im Verlauf keine Dynamik auf, wobei endosonographisch
innerhalb der vergrößerten Lymphknoten gefäßähnliche tubuläre Strukturen detektiert
wurden. Auch die erweiterte laborchemische Analyse ergab keine Hinweise auf ein Malignom
oder eine systemisch-inflammatorische Erkrankung. Die ergänzend durchgeführte PET-CT
zeigte keinen FDG-Uptake der beschriebenen Raumforderungen.
Abb. 1 a, b Transversale (a) und koronare (b) Rekonstruktion einer kontrastmittelgestützten Abdomen-CT in der portalvenösen Phase:
Paraaortal vorwiegend unterhalb der Nierenarterien Nachweis strangförmiger, im Vergleich
zur Aorta hypodenser lymphatischer Strukturen (Pfeile). A = Aorta, VC = Vena cava
inferior, N = Nieren.
Die im Folgenden angefertigte MRT des Abdomens zeigte in den T2-gewichteten Aufnahmen
signalreiche, girlandenförmig konfigurierte septierte Gewebsformationen beidseits
prävertebral retroaortal bzw. retrocaval, beginnend auf Höhe LWK 4 /5 bis links kranial
auf Höhe des Abgangs der linken Nierenvene ziehend. Nach intravenöser Kontrastmittelgabe
wiesen die Randbereiche und Septen eine mäßige Kontrastmittelaufnahme auf ([Abb. 2 a – c]). In der Technetium-99m-Nanokolloid-Szintigrafie zeigte sich eine strangförmige
Tracerakkumulation ([Abb. 3]). Mittels einer CT-navigierten perkutanen Biopsie ([Abb. 4]) konnte schließlich der histologische Befund eines zystischen Lymphangioms bestätigt
werden ([Abb. 5 a – c]).
Abb. 2 a – c Abdomen-MRT (a koronare fettgesättigte T2-TRUFI-Sequenz, b transversale T2-HASTE-Sequenz, c koronare T1-FLASH-Sequenz nach intravenöser Kontrastmittelapplikation): Paraaortal
links Demarkation einer girlandenförmigen, partiell zystischen Formation (Pfeile)
mit hohem T2-Signal, aber ohne relevante Kontrastmittelaufnahme. A = Aorta, VC = Vena
cava inferior, N = Nieren.
Abb. 3 Technetium-99m-Nanokolloid-Lymphszintigrafie (Ansicht von ventral): Intraabdominell
paraaortal Nachweis deutlicher, strangförmig-fleckiger Nuklidmehrbelegungen (Pfeile).
Abb. 4 CT-gesteuerte perkutane Biopsie in Bauchlage: Lokalisation der Instrumentenspitze
(Pfeil) unmittelbar vor der Zielstruktur. A = Aorta, VC = Vena cava inferior, N = Nieren.
Abb. 5 a – c In HE-Färbung (a) zystische Lymphkapillarproliferate mit wechselndem Nebeneinander von ektatischen
Kapillaren und polsterförmigen glattmuskulären perilymphatischen Proliferationen.
In der immunhistochemischen Darstellung (glattmuskuläres Aktin) glatte Muskelfasern
im Wandbereich ektatischer Lymphgefäße (b). Immunhistochemische Darstellung der Lymphgefäße (Faktor 8) mit lückenhafter Endothelauskleidung
und z. T. Endothelduplikationen (c). Mit freundlicher Genehmigung durch das Institut für Pathologie, Berufsgenossenschaftliches
Universitätsklinikum Bergmannsheil GmbH, Ruhr-Universität Bochum (Prof. Dr. A. Tannapfel).
Im weiteren Verlauf war die klinische Symptomatik durch eine diätetische Umstellung
vollständig rückläufig, und die Patientin konnte schließlich beschwerdefrei nach Hause
entlassen werden.
Diskussion
Erste wissenschaftliche Arbeiten zu zystischen Lymphangiomen finden sich in der Literatur
bereits Ende des 19. Jahrhunderts; D’Arcy Power beschreibt in seiner Arbeit aus dem
British Medical Journal von 1896 [6] die typischen Charakteristika der Erkrankung bei Kindern und schildert den Fall
eines 14 Tage alten männlichen Säuglings, bei dem ein ausgedehntes zystisches Lymphangiom
des Halses chirurgisch erfolgreich behandelt werden konnte. Seitdem wurden zahlreiche
Berichte zu der Krankheitsentität an unterschiedlichen Körperlokalisationen veröffentlicht,
wobei bei nur in 186 Fällen eine retroperitoneale Beteiligung nachgewiesen werden
konnte [7].
Bislang existieren keine sicheren Erkenntnisse zur Entstehung von Lymphangiomen. Es
wird angenommen, dass embryonal in den ersten Wochen einer Schwangerschaft Fehldifferenzierungen
des Mesoderms auftreten, die zu lokalen Störungen der Verbindung zwischen lymphatischem
und venösem System führen. In der Folge kommt es zu Abflussbehinderungen der Lymphflüssigkeit
mit konsekutiven Lymphangiektasien, die ihrerseits in der Ausbildung von zystischen
Lymphangiomen münden [2]. Knapp 90 % aller Lymphangiome werden bereits innerhalb der ersten 5 Lebensjahre
diagnostiziert [8], davon ist die überwiegende Mehrzahl von etwa 90 % bereits bei Geburt vorhanden.
Wenn zystische Lymphangiome nicht in prädisponierenden, klinisch apparenten Regionen,
wie am Hals oder perioral auftreten, können die Tumoren lange Zeit unentdeckt bleiben.
Gerade die retroperitoneal lokalisierten Lymphangiome werden in der Regel erst dann
symptomatisch, wenn ihre weiträumige Ausdehnung durch Kompression angrenzender anatomischer
Strukturen zu abdominellen Schmerzen, Müdigkeit oder Gewichtsverlust führt [9]. Die korrekte Diagnosefindung bereitet damit nicht selten erhebliche Probleme und
erfordert – wie auch bei unserer Patientin – eine multimodale Diagnostik.
Die klinische Symptomatik unserer Patientin wurde in erster Linie durch die rezidivierenden
linksseitigen Pleuraergüsse bestimmt, die am ehesten durch eine Abflussbehinderung
des Ductus thoracicus aufgrund der mediastinal gelegenen zystischen Lymphangiomanteile induziert wurden.
Der retroperitoneal gelegene Anteil des zystischen Lymphangioms unserer Patientin
wurde lediglich als asymptomatischer Zufallsbefund diagnostiziert, ermöglichte aber
anhand der Bildmorphologie insbesondere in der MRT eine artdiagnostische Zuordnung
und differenzialdiagnostische Eingrenzung mit Bestätigung der Diagnose durch die histopathologische
Aufarbeitung der CT-navigierten Biopsie. Dementsprechend konnte auf ein invasiveres
Vorgehen (Mediastinoskopie, Operation) zur Verifikation des mediastinalen Befundes
verzichtet werden.
Zu den häufigsten Ursachen eines Chylothorax zählen intraoperative bzw. iatrogene
Verletzungen des Ductus thoracicus – vornehmlich im Rahmen von Operationen an Herz, Ösophagus oder Lunge. Auch durch
stumpfe Thoraxtraumata kann es zu einer Ruptur des Ductus thoracicus kommen [10]. Darüber hinaus können Infektionen zu Behinderungen des Lymphabflusses mit konsekutivem
Chylothorax führen. Ätiologisch handelt es sich in vielen Fällen um die Manifestationen
einer Tuberkulose [11]. Selten werden Chylothoraces auch bei Patienten mit Filariose beobachtet [12], wobei es im Rahmen der Erkrankung zur Akkumulation von Filarien innerhalb der Lymphgefäße
mit konsekutiver Lymphabflussbehinderung kommen kann. Schließlich sind therapieresistente
Chylothoraces ein charakteristischer Befund der Gorham-Stout-Erkrankung (Synonyme:
diffuse zystische Knochenangiomatose, vanishing bone disease), der eine lokale Proliferation
kleiner Blut- und Lymphgefäße mit fortschreitender Zerstörung und Resorption des Knochens
zugrunde liegt. Die seltene, ätiologisch unklare Krankheit tritt sporadisch auf und
wird meist schon im Kindes- oder jungen Erwachsenenalter ohne Geschlechtsbevorzugung
diagnostiziert [13].
Obwohl zystische Lymphangiome auch in der CT mit hinreichender Genauigkeit dargestellt
werden können, hat die MRT eine deutlich höhere Sensitivität und Spezifität, da mit
ihr flüssigkeitsgefüllte Läsionen in T2-gewichteten, fettgesättigten Sequenzen mit
hohem Kontrastunterschied zu den umgebenden Strukturen abgebildet werden können [14]
[15]. Bei zystischen mediastinalen Raumforderungen kann gelegentlich die differenzialdiagnostische
Abgrenzung zu Thymuszysten, zystischen Teratomen, perikardialen bzw. bronchogenen
Zysten und Lymphomen mit Nekrosen schwierig sein [16]
[17]. Retroperitoneal lokalisierte zystische Lymphangiome können ebenfalls Lymphomen
ähneln, allerdings liegen die Dichtewerte der Lymphangiome im wasseräquivalenten Bereich.
Darüber hinaus sind zystische Mesotheliome, undifferenzierte Sarkome, zystische Metastasen
von Ovarial- oder Magentumoren, extrapankreatische Pseudozysten und die retroperitoneale
Fibrose (Morbus Ormond) vom zystischen Lymphangiom zu unterscheiden [18]. In Einzelfällen können neben der CT und MRT weitere bildgebende Verfahren notwendig
sein, um ein zystisches Lymphangiom sicher zu diagnostizieren. Hierzu zählen – wie
bei unserer Patientin – die Lymphszintigrafie und die PET-CT. Dong et al. beschreiben
allerdings einen Patienten, bei dem ein retroperitoneales zystisches Lymphangiom durch
partiellen F-18 FDG-Uptake einen malignomverdächtigen Befund imitierte und somit nicht
zu einer korrekten Diagnosefindung beigetragen hätte [19]. Die definitive Klärung der Dignität eines Lymphangioms erfordert in der Regel die
Gewinnung einer Gewebeprobe durch chirurgische Extirpation oder eine perkutane, bildgestützte
Biopsie mit anschließender histopathologischer Analyse [7].
Zur Therapie des zystischen Lymphangioms wird heute überwiegend die möglichst vollständige
operative Entfernung empfohlen [7], wobei hierdurch potenziell mögliche Komplikationen wie Superinfektion, Ruptur oder
Blutung verhindert werden können [20]. Darüber hinaus kann auch eine vorübergehende parenterale Ernährung mit anschließender
mittelkettiger Triglyzerid-Diät (MCT-Diät) und Zufuhr von Proteinen den Verlauf zystischer
Lymphangiome günstig beeinflussen und zu deren Rückbildung beitragen [10]. Bei asymptomatischen oder inoperablen Patienten kann bei superfiziellen Lymphangiomen
alternativ zur Extirpation auch eine medikamentöse Sklerosierung – etwa mit Picibanil,
einem Benzylpenicillin-Derivat – versucht werden [21]. Schließlich konnten gezeigt werden, dass die Gabe von Octreotid zur Reduktion des
lymphatischen Flusses beitragen kann [22]. Zu berücksichtigen ist bei allen primär konservativen Therapiekonzepten, dass es
bei bis zu 50 % aller Ductus thoracicus-Läsionen zu spontanen Verschlüssen unter lymphatischer Entlastung kommt [10]. Bei unserer Patientin führte bereits die alleinige Ernährungsumstellung zu einer
wesentlich reduzierten lymphatischen Belastung, sodass die vormals rezidivierenden
Chylothoraces deutlich abnahmen. Im Verlauf konnte daher auf eine chirurgische Resektion
des Befundes verzichtet – und der Patientin damit ein aufwendiger thorako-abdomineller
Zweihöhleneingriff erspart werden.
Zusammengefasst demonstriert unser Fall, dass bei rezidivierenden Chylothoraces und
unklaren abdominellen Beschwerden die Berücksichtigung eines Lymphangioms in weiterführende
differenzialdiagnostische Überlegungen sinnvoll ist. Dies gestaltet sich im klinischen
Alltag oft schwierig, da die Erkrankung sehr selten auftritt und unspezifische Symptome
generiert. Unter Berücksichtigung der unterschiedlichen bildmorphologischen Charakteristika
bezüglich Dichte, Signal- und Kontrastmittelverhalten stehen mit schnittbildgebenden
Verfahren und z. B. der CT-navigierten Biopsie etablierte Untersuchungsmodalitäten
zur Verfügung, die eine sichere Diagnose ermöglichen.