Handchir Mikrochir Plast Chir 2012; 44(05): 317
DOI: 10.1055/s-0032-1327591
Brief an die Herausgeber
© Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

Brauchen wir ein Curriculum „Nervenchirurgie“?

Do We need a Curriculum “Nerve Surgery”?
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Publication Date:
01 October 2012 (online)

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Die Frage, ob eine handchirurgische Zeitschrift einen Neurologen im Beirat benötigt, müssen Herausgeber und Leser beantworten. Die Frage jedoch, ob wir, d.h. alle, die sich mit der Nervenchirurgie befassen und noch mehr unsere Patienten, die auf die Hilfe eines Nervenchirurgen angewiesen sind, von einem Curriculum „Nervenchirurgie“ profitieren würden, ist von größerer praktischer Bedeutung. Es soll hier nicht um die Frage gehen, ob die Nervenchirurgie die Domäne der Handchirurgen, plastischen Chirurgen, orthopädischen und Unfallchirurgen oder der Neurochirurgen ist. Diese Frage ist längst entschieden: alle dürfen Nerven operieren. Dies ist in Ordnung und wird es auch so lange bleiben, wie es keine eigenständige Gebietsbezeichnung „Nervenchirurgie“ gibt. Warum sich eine solche – analog zur „Gefäßchirurgie“ – nicht schon längst durchgesetzt hat, kann ich nicht beurteilen und soll auch nicht weiter diskutiert werden. Beachtenswert ist es allemal.

Meine langjährige Tätigkeit im Beirat dieser Zeitschrift und fachübergreifenden Gremien wie den Arbeitsgruppen für die Erstellung von Leitlinien der AWMF hat mir gezeigt, dass es trotz unterschiedlicher Auffassungen im Detail einen Konsens darüber gibt, dass die Qualität der Versorgung verbessert werden muss. Dies gilt auch für das umfangreiche Gebiet der Nervenverletzungen, das zur Zeit für eine Leitlinie bearbeitet wird.

Eine Qualitätsverbesserung ist am wirksamsten und nachhaltigsten durch eine verbesserte Aus-/Weiterbildung zu erreichen. Hierbei haben die Fachgesellschaften ein weitgehendes Mitspracherecht, wobei unterschiedliche Interessen und Schwerpunkte im Vordergrund standen und stehen. Die Nervenchirurgie ist eher zwischen den beteiligten Fächern angesiedelt und spielt z.B. in der Neurochirurgie zahlenmäßig nur noch eine marginale Rolle. Viele Operateure der anderen Fachgebiete haben zwar oft größere praktische Erfahrung, es mangelt ihnen jedoch häufig an ausreichenden Kenntnissen u. a. zur Indikationsstellung und an grundlegenden Kenntnissen zur Elektrophysiologie und Nervregeneration, Defizite, die auch immer wieder bei sog. wissenschaftlichen Publikationen zu Tage treten. Dies ist nicht nur der Weiterbildungsordnung anzulasten, sondern eher deren Umsetzung, vor allem dem Fehlen einer adäquaten Anleitung in den ausbildenden Institutionen. Um hier eine Verbesserung zu erreichen, bietet sich ein fachübergreifendes Modul „Nervenchirurgie“ an. In diesem müssten die Anforderungen an einen Nervchirurgen formuliert und deren praktische Umsetzung festgelegt werden. Fachgesellschaften und Ärztekammer sehen in (fachübergreifenden) modularen Weiterbildungs-Bausteinen eine zukunftsträchtige und realistische Möglichkeit, die fortschreitende Spezialisierung der medizinischen Fächer zum Nutzen unserer Patienten einzusetzen. Vielleicht können sich einige Leser dieser Zeitschrift vorstellen, dass dies auch für die Nervenchirurgie zutreffend oder zumindest diskussionswürdig wäre?

Mit diesem Diskussionsbeitrag möchte ich mich nach mehr als 12-jähriger Zugehörigkeit aus dem Beirat verabschieden und der Zeitschrift wünschen, dass sie als offenes und kritisches fachübergreifendes Forum für viele Leser interessant bleibt.

Hans Assmus

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