Zusammenfassung
In Deutschland erkranken ungefähr 40 Kinder im Jahr an einem Retinoblastom.
Bei früher Diagnose ist das Tumorwachstum auf das Auge beschränkt, und die
Gesamtüberlebensraten sind mit über 95 % gut. Patienten mit metastasiertem
Retinoblastom dagegen haben nur sehr geringe Heilungschancen. Bei den ca.
40 % der Patienten, bei denen Retinoblastome in beiden Augen auftreten, ist
der Erhalt von möglichst viel verbleibender Sehkraft nach der Therapie von
großer Bedeutung. In der konservativen Behandlung werden unter anderem
Laserkoagulation, Thermotherapie, Kryotherapie, Brachytherapie oder
systemische Chemotherapie eingesetzt. In der Primärtherapie hat die
systemische Chemotherapie die perkutane Bestrahlung heutzutage fast
vollständig ersetzt. Klinische Fallstudien zeigten zudem die Wirksamkeit der
intraarteriellen, intravitrealen und periokularen Gabe von Chemotherapie bei
der Behandlung intraokularer Retinoblastome. Da das Retinoblastom erblich
sein kann, sind genetische Untersuchungen ein wesentlicher Bestandteil der
Diagnostik bei Retinoblastom. Insbesondere bei Patienten mit einseitigem
Retinoblastom muss, wenn verfügbar, auch Tumormaterial untersucht werden.
Bei den meisten Patienten mit sporadischem einseitigem Retinoblastom kann
nur so die Diagnose der nicht ererbten Form sicher gestellt werden. Die
genetische Diagnostik hat gezeigt, dass bei fast 50 % der Kinder mit
Retinoblastom die erbliche Form der Erkrankung vorliegt. Diese Kinder haben
ein erhöhtes Risiko für Tumoren außerhalb des Auges. Solche Zweittumoren und
andere Spätfolgen sind während des weiteren Lebens von großer Bedeutung für
die Patienten. Sie erfordern eine multidisziplinäre Zusammenarbeit in der
Behandlung und Nachsorge. Aktuell werden multizentrische klinische Studien
entwickelt, um evidenzbasierte Therapiekonzepte für das lokalisierte und das
metastasierte Retinoblastom zu untersuchen und die Überlebensrate und die
Lebensqualität der erkrankten Kinder zu verbessern. Dieser Artikel wurde
übersetzt und ergänzt und ist zuerst erschienen in Klin Padiatr 2012; 224:
339–347.
Abstract
There are approximately 40 new cases of retinoblastoma in Germany per year.
Children in whom the tumour is detected when still intraocular have an
excellent overall survival rate (> 95 %). However, the prognosis of
metastasised retinoblastoma remains poor. About 40 % of retinoblastoma
patients have tumours in both eyes. For these children in particular it is
important to save the eye and visual function as much as possible. There are
several options for conservative treatment of localised retinoblastoma
including laser coagulation, thermotherapy, cryotherapy, brachytherapy and
chemotherapy. In recent years, systemic chemotherapy has become the
established standard for primary treatment of intraocular retinoblastoma. In
case series, intra-arterial, intravitreal and periocular applications of
chemotherapy were also shown to be effective in treating intraocular
retinoblastoma. Genetic testing is an integral part of the routine
diagnostics of all patients. Mutation analysis of tumour material is
invaluable for identification of somatic mutations including mutational
mosaicism. Genetic testing also identifies children with heritable
retinoblastoma, which represent 50 % of cases. These children also have a
predisposition for the development of tumours outside of the eye (second
primary neoplasm). To adequately address these and other late effects in
survivors of retinoblastoma, a multidisciplinary approach is needed that
optimises therapy and long-term follow-up. Upcoming multicentre clinical
trials will evaluate treatment concepts for localised and metastasised
retinoblastoma to improve survival rates and quality of life of children
with retinoblastoma. This article was translated and modified and was
primarily published in Klin Padiatr 2012; 224: 339–347.
Schlüsselwörter
okuläre Tumoren - Retina - Tumorwachstum auf das Auge - Retinoblastom
Key words
paediatric ophthalmology - retina - ocular tumours - retinoblastoma