Schlüsselwörter
Notfalleingriff - Penetrationsverletzung - Stenose - Thoraxchirurgie
Key words
emergency intervention - penetrating injuries - stenosis - thoracic surgery
Einleitung
Verletzungen der Trachea und der Hauptbronchien sind selten, aber meist
lebensbedrohlich. Sie sind so selten, dass auch in großen Zentren in Deutschland in
der Regel weniger als 5 Patienten pro Jahr gesehen werden [1], [2], [3], [4]. Sie sind andererseits meist so akut lebensbedrohlich,
dass sehr schnell die Weichen für ein adäquates Management gestellt werden müssen.
Die folgende Übersicht soll aus der Sicht des Praktikers dem versorgenden Chirurgen
Anhaltspunkte für zielorientiertes Handeln liefern.
Erster wichtiger Anhaltspunkt ist die Ursache der Verletzung: Iatrogene oder
traumatische (stumpfe bzw. penetrierende) Verletzung? Da in Deutschland 3 von 5
Verletzungen des Tracheobronchialbaums iatrogenen Ursprungs sind, d. h. als Folge
medizinischer Maßnahmen auftreten [1], soll diese
Verletzung vorrangig erläutert werden.
Iatrogene Verletzungen des Tracheobronchialbaums
Iatrogene Verletzungen des Tracheobronchialbaums
Immer dann, wenn ohne vorangegangenen Lungeneingriff Blut aus dem Tubus abzusaugen
ist oder unter Beatmung sich rasch ein deutliches Weichteilemphysem entwickelt, muss
an eine iatrogene Verletzung des Tracheobronchialbaums gedacht werden.
Iatrogene Tracheaverletzungen sind typischerweise Lazerationen der Tracheahinterwand,
überwiegend im mittleren und unteren Drittel, in der Medianlinie oder rechts lateral
davon, gelegentlich bis in den rechten Hauptbronchus reichend. Zu solchen
Verletzungen kommt es selten bei elektiver Intubation, häufiger bei
Notfallintubationen und im Rahmen dilatativer Tracheostomie-Anlagen [1]. Die hohe Letalität iatrogener Tracheaverletzungen von
10 % [5] bis zu 42 % in manchen berichteten Serien [6], [7] ist allerdings meist in
der Schwere der Begleiterkrankungen begründet. So ist die ursächliche
Notfallintubation oft im Rahmen einer Reanimation oder schwerer akuter
respiratorischer Störungen bei Pneumonie, Lungenembolie oder Myokardinfarkt
erfolgt.
Mögliche Pathomechanismen
Ursächlich werden eine übermäßige Gewaltanwendung im Rahmen der
Notfallintubation, das zu späte Zurückziehen des überstehenden Führungsstabs
oder die Intubation mit starren Tracheoskopen genannt. Ein weiterer, oft
diskutierter Mechanismus ist die Tubusbewegung bei geblocktem Cuff [8]. Untersuchungen an Kadaver-Tracheen zeigten jedoch,
dass ein Tubus-Cuff erst bei einer Füllung mit 70 ml Luft gegen erheblichen
Widerstand zur Hinterwandruptur führt, sodass dieser Mechanismus als eher
unwahrscheinlich angesehen werden kann [9]. Während
der Dilatationstracheotomie gibt es zahlreiche Fehlermöglichkeiten, die eine
Hinterwandverletzung bei der Einführung des Bougie begünstigen können: Fehlende
bronchoskopische Kontrolle, Fehlpunktion von lateral in die Trachea, Punktion
durch einen Trachealknorpel mit entsprechendem Widerstand beim Einführen des
Bougie und der Tracheostomiekanüle. Zu den technischen Fehlern kommt fast immer
noch ein patienteneigener Risikofaktor dazu: Viele iatrogene Verletzungen der
Tracheahinterwand betreffen übergewichtige und kleine Frauen im Alter zwischen
50 und 70 Jahren. Ein kurzer Hals, laufende Kortikoidtherapie und die Verwendung
von Doppellumentuben werden als weitere Risikofaktoren genannt [1], [10].
Klinik
Die typischen klinischen Zeichen sind Blut im Tubus oder Bluthusten nach
Extubation, thorakales Weichteilemphysem und Luftnot als Folge eines
Pneumothoraxes oder der Schwellung des Larynxes durch die Fortleitung des
Mediastinalemphysems. Beatmungsprobleme ergeben sich durch ein hohes
Leckage-Volumen entlang des Cuffs oder über eine einliegende Thoraxdrainage und
durch Verrutschen der Tubusspitze in das Mediastinum mit plötzlichem Anstieg des
Beatmungswiderstands. Die notwendige Erhöhung des Beatmungsdrucks verschlimmert
das Mediastinalemphysem erheblich und kann rasch zum Auftreten eines
Spannungspneumothoraxes führen.
Diagnostik
Ziel der Diagnostik ist die schnelle Abschätzung der Tragweite der Verletzung,
d. h. die Bestimmung von Länge und Tiefenausdehnung der Verletzung, Eingrenzung
des betroffenen Tracheaabschnitts und Beurteilung des Ausmaßes der
Komplikationen: Hautemphysem und Pneumothorax.
Erste Hinweise zur Beurteilung von Hautemphysem, Pneumothorax und Tubuslage
ergibt die Röntgenübersichtsaufnahme des Thoraxes. Als unmittelbare Konsequenz
kann direkt die Anlage einer Thoraxdrainage notwendig sein. Wegweisend ist die
Bronchoskopie. Dabei sollte ein flexibles Bronchoskop mit ausreichend
kaliberstarkem Saug- und Spülkanal zum Einsatz kommen. Das Bronchoskop wird
vorsichtig in die Trachea eingeführt, Blut und Fibrin abgesaugt und zunächst die
Hauptkarina identifiziert. Danach wird das Bronchoskop und – beim beatmeten
Patienten – der Tubus langsam bis an den kranialen Verletzungsrand zurückgezogen
und das Ausmaß der Verletzung, die Hernierung des mediastinalen Gewebes in das
Tracheallumen und die Blutungsaktivität bestimmt. Bei transmuralen Verletzungen
der Pars membranacea muss zudem immer eine Ösophagusverletzung ausgeschlossen
werden.
Kürzlich wurde eine Klassifikation der Tiefenausdehnung (Level I–III b) von
Cardillo et al. [11] vorgeschlagen ([Tab. 1]). Verletzungen des Levels II betreffen die
gesamte Muscularis und die der Level III sind transmurale Verletzungen mit
Mediastinalemphysem und Weichteilhernierung. Abschließend wird – bei
weiterbestehender Beatmungspflichtigkeit – der Tubus distal der Verletzung
platziert und mit so geringem Druck wie möglich geblockt. Ist der Patient
kardiorespiratorisch ausreichend stabil, sollte die Diagnose mittels Spiral-CT
des Thoraxes verifiziert werden und Begleitverletzungen wie Hämatome
ausgeschlossen werden. Pathognomonisch ist dabei die mediastinale Luftansammlung
um die Trachea herum sowie die auffällige Erweiterung des Tracheallumens im
Bereich des Cuffs [12], [13]. Selten können die rupturierten Lippen der Hinterwand separat
identifiziert werden. Vorzugsweise erfolgt diese Diagnostik in einer erfahrenen
thoraxchirurgischen Abteilung, in der falls erforderlich direkt die operative
Versorgung durchgeführt werden kann.
Tab. 1 Schweregradeinteilung der iatrogenen
Tracheaverletzung nach Cardillo [11].
Level I: Oberflächliche Verletzung von Mukosa oder
Submukosa
|
Level II: Verletzung der Muscularis ohne
Mediastinalemphysem
|
Level III A: Komplette Lazeration der Hinterwand mit
Weichteilhernierung oder Mediastinalemphysem
|
Level III B: Lazeration der Trachealwand mit
Ösophagusverletzung oder Mediastinitis
|
Akutmanagement
Als Akutmaßnahmen sind Beruhigung und antitussive Medikation des wachen Patienten
notwendig. Ggf. ist eine bronchoskopische Absaugung von Blutkoageln und Sekret
erforderlich, um den Hustenreiz zu minimieren. Beim intubierten Patienten sollte
die Tubusspitze distal der Läsion platziert und der Cuff nur mit dem minimal
notwendigen Druck geblockt werden. Bei Vorliegen eines Pneumothoraxes besteht
die Indikation zur Einlage einer Thoraxdrainage. Eine ca. 1 cm lange Inzision
der Haut unterhalb der Claviculae kann sehr schnell eine erhebliche Entlastung
von Haut- und Mediastinalemphysem erbringen mit Erleichterung der Atemarbeit.
Jeder Nachweis eines Kreislaufeinbruchs als Hinweis auf einen
Spannungspneumothorax sollte in dieser Situation zur umgehenden Notfallanlage
mindestens einer rechtsseitigen, besser beidseitiger Thoraxdrainagen führen.
Definitive Therapie der iatrogenen Tracheahinterwandverletzung
A. Am einfachsten und meist erfolgreich ist die konservative Therapie
[2]. Ob dies möglich ist, entscheidet sich meist
unmittelbar. Spontan atmende Patienten mit einer Level-I–II- und einige mit
einer Level-III A-Verletzung erfordern in der Regel keine operative Revision;
gleiches gilt für beatmete Patienten, wenn sich der Tubus sicher distal der
Verletzung platzieren lässt.
Die konservative Therapie umfasst die Überwachung und Beruhigung des wachen
Patienten oder die mehrtägige Beatmung des Patienten mit Begleiterkrankung, bis
eine ausreichend stabile Fibrinschicht die Läsion überdeckt [4], [8]. Vereinzelt
beschrieben ist auch die bronchoskopische Fibrinauftragung insbesondere bei
nicht transmuralen Läsionen [11]. Diese Behandlung
ist hinsichtlich der Mortalität risikoarm und wird daher von einigen Autoren
favorisiert. Unter einer Breitspektrum-Antibiotikatherapie lässt sich darüber
hinaus die früher so gefürchtete Mediastinitis [14]
fast immer vermeiden. Allerdings zeigt eine Fallserie von Conti et al. [8] zahlreiche mit der konservativen Behandlung
assoziierte Probleme wie z. B. Notwendigkeit der nicht invasiven Beatmung,
mehrtätige einseitige Ventilation, Notwendigkeit zur operativen Ausräumung
mediastinaler Serome, Auftreten einer tracheoösophagealen Fistel, verzögerte
Heilung > 4 Wochen etc. Aus der eigenen Ambulanz ist ein Fall bekannt, der 8
Wochen nach Tracheahinterwand-Verletzung einen exspiratorischen Totalkollaps der
Trachea beim Husten durch Protrusion mediastinalen Gewebes entwickelte ([Abb. 1]). Weiterhin scheint bei adipösen Patienten
initial die Mediastinalprotrusion erheblich zur Luftnot und respiratorischen
Erschöpfung beizutragen ([Abb. 2]). Hier spiegelt
sich die Tatsache wider, dass die konservative Behandlung zwar zu einer stabilen
Verklebung beider Wundlefzen mit dem dahinterliegenden mediastinalen Gewebe
führt, nicht jedoch zu einer Adaptation der Wundränder miteinander. Über mittel-
und langfristige funktionelle Aspekte der verschiedenen Therapien existieren
bisher keine Untersuchungen.
Abb. 1 Bronchoskopische Diagnostik wegen „Trachealstenose“ 8 Wochen
nach konservativ behandelter Tracheahinterwandverletzung. Aufnahme während
des Hustens. Normalkalibrige Trachea unter CPAP-Beatmung. Subtotaler Kollaps
beim Husten.
Abb. 2 Schwer adipöse Patientin mit einer Intubationsverletzung der
Tracheahinterwand im Rahmen eines kleinen Routineeingriffs am Kniegelenk.
Respiratorische Erschöpfung 1 Std. nach Extubation. Endobronchial Nachweis
einer massiven exspiratorischen Fettgewebsprotrusion bei Husten und Pressen.
Therapie: Endotracheale Naht, Extubation am Folgetag, Entlassung nach einer
Woche. Jet-Ventilation, links inspiratorische Phase, rechts exspiratorische
Phase.
B. Operative Versorgung: Eine absolute Operationsindikation sind immer
Begleitverletzungen des Ösophagus, entsprechend einer Verletzung Level III b
nach Cardillo [4], [11],
und meistens jede größere Kommunikation der offenen Trachea mit der Thoraxhöhle
[4]. Zunehmendes Hautemphysem, schwergradige
respiratorische Insuffizienz mit Notwendigkeit der Intubation, Schwierigkeiten
mit der mechanischen Ventilation, Pneumothorax mit Luftfistel über die liegende
Drainage sowie Mediastinitis sind relative Indikationen für ein chirurgisches
Vorgehen [2].
Durch die operative Nahtversorgung wird die Verletzung idealerweise
anatomiegerecht verschlossen, eine Luftleckage sicher beendet und damit das
Pneumothoraxrisiko verringert, einer Mediastinitis vorgebeugt und die iatrogen
verursachte Verletzung zielgerichtet behandelt. Operative Zugangswege für ein
offen-chirurgisches Vorgehen sind die posterolaterale Thorakotomie rechts [15] oder die kollare Inzision mit der Möglichkeit zur
Erweiterung durch partielle oder vollständige Sternotomie [10], [16]. Darüber hinaus sind
videoassistierte Vorgehensweisen von kollar aus beschrieben [17], [18].
Nachteil der Thorakotomie ist das zusätzliche signifikante Operationstrauma bei
den schon kritisch kranken Patienten. Bei jedem transzervikalen Zugang muss
zudem die Trachea eröffnet oder quer durchtrennt werden, bevor die Hinterwand
erreicht werden kann [17], [18]. Einen Ausweg aus diesem Dilemma könnte hier die endotracheale
Nahtversorgung über ein 14 CH starres Tracheoskop bieten, die keinen operativen
Zugangsweg benötigt ([Abb. 3]) [19]. In der Essener Arbeitsgruppe haben wir
inzwischen Erfahrung mit 10 Patienten. Alle hatten eine transmurale
Hinterwandverletzung mit ausgeprägtem Mediastinalemphysem und waren intubiert
und beatmet. Drei weitere Fälle konnten nicht endoluminal versorgt werden, da
der Patient keine Jet-Ventilation tolerierte oder die Ruptur unmittelbar am
Übergang zwischen Knorpel und Pars membranacea lag und keine seitliche
Membranlefze vorhanden war, um die Nadel einzustechen. Die OP-Zeit ist
inzwischen von 115 min auf minimal 40 min zurückgegangen. Bisher wurden keine
operationsassoziierten Komplikationen wie Rekurrensparese, Ösophagusverletzung
oder Mediastinitis beobachtet. Ein Patient ist innerhalb von 48 h an einem
erneuten Myokardinfarkt verstorben. Ein respiratorisch stabiler Patient kann
danach am OP-Tag extubiert werden.
Abb. 3 Fortlaufende endotracheale Naht einer
Tracheahinterwandverletzung unter Jet-Ventilation. 1 = Sicht auf die distale
Trachea, 2 = Ruptur der Tracheahinterwand, 3 = optischer Nadelhalter.
Der Einsatz tracheobronchialer Stents zur Versorgung trachealer Verletzungen ist
bisher nur in Form von Fallberichten publiziert [20]. Nach über 15-jähriger dokumentierter Erfahrungen in Heidelberg [5], [21] und in Essen und
unter Berücksichtigung der Erfahrungen mit dem Einsatz von Stents bei malignen
Erkrankungen (Sekretverlegung, Stent-Migration, Granulationsgewebestenose, …)
sehen wir bei typischen Verletzungen der Tracheahinterwand keine Indikation für
den Einsatz endotrachealer Stents; allenfalls bei einem komplexen
Verletzungsmuster und fehlenden Alternativen mag dies eine Option sein.
Traumatische Verletzungen des Tracheobronchialbaums
Traumatische Verletzungen des Tracheobronchialbaums
Stumpfe oder penetrierende Verletzungen der Atemwege im Rahmen stumpfer Traumata sind
oft schon am Unfallort letal. Die Prognose der Patienten, die trotzdem das
Krankenhaus erreichen, hängt im Wesentlichen von der Sicherung der Atemwege und dem
Ausmaß der Begleitverletzungen ab. Von allen Patienten, die mit einem Thoraxtrauma
das Krankenhaus erreichen, haben 1–2 % eine tracheobronchiale Verletzung. Stumpfe
Thoraxtraumata mit Verletzungen der intrathorakalen Atemwege sind regelhaft mit
anderen Begleitverletzungen assoziiert [22], [24], [25]. Bis zu 75 % aller
traumaassoziierten Todesfälle sind auf Thoraxtraumen zurückzuführen [26]. An tödlich verletzten Unfallopfern mit Thoraxtrauma
wird eine Rate von 2,8 % tracheobronchialer Verletzungen angegeben [10], [27]. Penetrierende
Verletzungen der Atemwege betreffen zu 75 % die zervikale Trachea. Bei
penetrierenden Thoraxverletzungen kommt es nur bei ca.1 % zu einer Mitbeteiligung
der Trachea.
Pathophysiologie der Verletzung
Stumpfe Verletzungen treten bei Verkehrsunfällen, Sturz aus großer Höhe und bei
Verschüttung auf. In den meisten Fällen resultiert eine transversale Ruptur
(74 %), die überwiegend die intrathorakalen Luftwege innerhalb eines Radius von
2,5 cm um die Bifurkation betrifft (96 %) [28], [29], [30]. Dabei rupturiert am ehesten die Membran zwischen den
Knorpelspangen. Drei Mechanismen können das Verletzungsmuster erklären [9], [22], [31]:
-
Ein massiver Druckanstieg in den Atemwegen während des stumpfen Traumas
bei geschlossener Glottis führt zur Ruptur an einer
Prädilektionsstelle.
-
Durch Kompression des Sternums Richtung Wirbelsäule werden die Lungen
nach lateral gedrängt und Scherkräfte führen zu Rupturen im Bereich der
Bifurkation mit typischerweise Quetschung bzw. Abriss des rechten
Hauptbronchus.
-
Eine starke Dezeleration (Schleudertrauma, Gurtfixierung) führt zum
Einriss oder Abriss der Trachea gegenüber eher fixierten Strukturen wie
dem Krikoid oder der Bifurkation.
Bei penetrierenden Verletzungen durch Messerstiche, Pfählung im Rahmen von
Arbeitsunfällen oder als Schussverletzungen können die zervikale, die thorakale
Trachea oder die Hauptbronchien betroffen sein. Penetrierende Thoraxtraumata
sind selten auf den Tracheobronchialbaum beschränkt [23]. So wurde in einer Arbeit von Inci et al. [32] bei 755 Patienten mit penetrierender Verletzung des Thoraxes in
190 Fällen ein Hämatothorax, in 184 Fällen ein Hämatopneumothorax, in 144 Fällen
ein Pneumothorax sowie Zwerchfellrupturen und andere komplexe Verletzungen bei
< 150 Patienten beschrieben. Auch stumpfe Thoraxtraumen gehen gehäuft mit
schweren Begleitverletzungen einher [33], [34].
Schussverletzungen sind kritisch, da der Eintrittskanal keine Auskunft darüber
gibt, welche Organe durch das Projektil verletzt wurden, insbesondere wenn kein
korrespondierender Austrittskanal gefunden und das Geschoss im Körper verblieben
ist. Verletzungen durch Schusswaffen sind in der Regel komplex, da durch Anprall
an festere Strukturen wie z. B. Wirbelkörper eine Richtungsänderung des
Projektils auftreten kann. Hochgeschwindigkeitsgeschosse hinterlassen ein weit
größeres Schadensausmaß als initial erkennbar. Die kinetische Energie des
Geschosses wird beim Gewebedurchtritt teilweise abgegeben. Die Ausdehnung des
zerplatzenden Gewebes verursacht kurzzeitig eine Höhlenbildung. Obwohl sich das
Gewebe dann wieder zusammenzieht, ist das Gewebetrauma immer weit größer, als
Ein- und Austrittskanal vermuten lassen [22], [23], [24].
Klinik
Tachypnoe (59 %) und Hautemphysem (81 %) sind die häufigsten Hinweise auf eine
tracheobronchiale Verletzung [33]. Weiterhin können
leichte Hämoptysen sowie Dysphonie, Stridor und Zyanose auftreten. Eine
kollabierte Lunge, die trotz regelrecht einliegender Pleuradrainage nicht zur
Ausdehnung kommt, ist ein typischer Hinweis auf eine zentrale Atemwegsverletzung
oder eine massive Parenchymverletzung [25], [28]. Pathognomonisch für eine Atemwegsverletzung ist
der Luftaustritt aus einer offenen Halsverletzung.
Diagnostik
Die Röntgenübersichtsaufnahme des Thoraxes ist bei ca. 88 % aller
tracheobronchialen Verletzungen auffällig [33].
Pneumothorax, Haut- und Mediastinalemphysem sind typisch bei intrathorakalen
Verletzungen und seltener bei zervikalen Tracheaverletzungen. Ein zervikales
Hautemphysem ist auf einer lateralen Halsaufnahme zuverlässiger zu sehen als in
der Thoraxübersicht [9]. Ein kompletter
Bronchusabriss zeigt sich in einem fehlenden Hilus und einer Komplettatelektase
der Lunge [12]. Jeder stabile Patient mit vermuteter
Atemwegsverletzung sollte eine Thorax-CT und eine Bronchoskopie, ggf.
Ösophagoskopie erhalten [35]. Die Identifizierung
einer Ösophagusverletzung ist prognostisch von besonderer Bedeutung, da eine
verzögerte Behandlung nach 24 h mit einer steigenden Letalität verbunden ist
[35]. In der Thorax-CT ist eine
Tracheaverletzung immer mit einem Mediastinalemphysem und/oder tief-zervikalem
Emphysem assoziiert (100 %): Weitere Zeichen sind: Paratracheale Luft (93 %),
Pneumothorax (36 %), retroperitoneale Luft (14 %), Konturunterbrechung der
Trachealwand (71 %), Trachealring-Fraktur (14 %), Tubus-Cuff-Distention oder
-Hernierung (71 %). Insgesamt kann bei 85–100 % aller zervikalen oder thorakalen
Trachealverletzungen die Diagnose mittels CT erhärtet werden [9], [13]. Allerdings
kommen alle genannten radiologischen Zeichen auch bei Lungentraumatisierten ohne
Atemwegsverletzung vor, daher muss die Verdachtsdiagnose immer durch
Bronchoskopie überprüft werden. Durch die flexible oder starre Bronchoskopie
können Blutkoagel abgesaugt, eine Blutungsquelle identifiziert, die Verletzung
selbst beurteilt oder eine Lumenverlegung im Verletzungsbereich dargestellt
werden [33], [36]. Das
flexible Bronchoskop dient dabei für eine Intubation als Leitschiene [28].
Akutmanagement
Die Akutversorgung beginnt wie bei jedem Trauma nach der ABC-Regel (Airway,
Breathing, Circulation). Die Sicherung der Atemwege hat oberste Priorität,
allerdings sollte bei einem spontan atmenden Patienten mit guter Oxygenierung
die Intubation soweit als möglich vermieden werden. Bei zunehmender Luftnot und
gestörter Atmung ist die Intubation am Notfallort zur Sicherung der Atemwege
allerdings lebensrettend, denn durch zunehmende Schwellung, Einblutung oder
Haut- und Mediastinalemphysem kann die endotracheale Intubation irgendwann
unmöglich werden. Verhindert eine Kehlkopfverletzung oder Schwellung die orale
Intubation, kann am Notfallort die Koniotomie oder offene Tracheotomie notwendig
werden. Die Indikation zur Notfallintubation unmittelbar nach dem Trauma ist bei
gestörter Atemmechanik und Hypoxie, bei ausgedehntem Trauma, zu erwartender
Notfalloperation, und Verschlechterung von Vitalparametern gegeben. Das Relaxans
der Wahl ist in diesen Fällen Succinylcholin [35], [37]. Im Schockraum sollte bei
vermutetem Tracheaabriss die Intubation über ein flexibles Bronchoskop erfolgen
[33]. Bei ausgedehnten maxillofazialen
Begleitverletzungen kann eine Notfalltracheotomie notwendig sein, um
tracheobronchiale Verletzungen nachzuweisen und die Atemwege zu sichern [29]. Es wird empfohlen, im Rahmen der
Primärversorgung mit geringst möglicher Intervention die Atemwege zu sichern und
den Patienten dann in eine Abteilung mit Erfahrung in der tracheobronchialen
Chirurgie zu verlegen [36].
Definitive Therapie
Jede penetrierende und die meisten stumpfen Verletzungen der Atemwege mit
Kontinuitätsunterbrechung erfordern ein primär operatives Vorgehen, das an die
Lokalisation und das Ausmaß von Begleitverletzungen angepasst werden muss [23].
Penetrierende Verletzungen der zervikalen Trachea werden über einen kollaren
Schnitt gut erreicht. Hier ist das sparsame Débridement und der Primärverschluss
anzustreben. Ein protektives Tracheostoma distal der Verletzungsstelle kann bei
zu erwartend längeren Behandlungsverläufen oder nicht geklärter Kehlkopffunktion
vorteilhaft sein [36]. Zusätzliche Verletzungen der
Thoraxspitze können eine Sternotomie erforderlich machen [33]. Die thorakale Trachea, die Hauptkarina, der rechte Hauptbronchus
sowie der proximale linke Hauptbronchus werden über eine posterolaterale
Thorakotomie rechts, der distale linke Hauptbronchus von links erreicht. Alle
transversalen Rupturen oder Einschnitte werden in Einzelknopftechnik versorgt,
longitudinale Verletzungen können fortlaufend mit monofiler resorbierbarer Naht
versorgt werden [28], [38]. Abrisse oder Einrisse mit scharfen, durchbluteten Rändern werden
mit resorbierbarer Naht primär genäht. Gewebedefekte können ggf. als Eingang für
eine Tracheotomie genutzt werden, die später wieder verschlossen wird [36].
Kombinierte Verletzungen von Trachea und Ösophagus sollten primär rekonstruiert
werden, gefolgt von einem aggressiven Monitoring für Komplikationen. Dabei muss
vor allem auf das Auftreten tracheoösophagealer Fisteln geachtet werden [36], [39]. Bei allen
Patienten mit traumatischen Verletzungen der großen Atemwege sollte perioperativ
eine Breitspektrum-Antibiotikatherapie angewendet werden [40].
Da stark traumatisierte Abschnitte der zentralen Atemwege nach primärer
Rekonstruktion zu starker ischämischer Insuffizienz oder Bildung von
Narbenstenosen neigen [28], sollten die üblichen
Techniken der Bronchus-Segmentresektion mit Rekonstruktion im Gesunden Anwendung
finden [38], [41]. U. U.
muss ein Lungenlappen geopfert werden, um das Restparenchym sicher zu erhalten.
Abrisse der Hauptbronchien können initial übersehen werden, da das umgebende
Bindegewebe zunächst eine gewisse Schienung bietet. Innerhalb von 1–4 Wochen
kommt es dann allerdings zu einem Verschluss durch Granulationsgewebe mit
nachgeschalteter Lungenatelektase. In dieser Situation sind im Sinne einer
sekundären Versorgung die Techniken der Bronchusresektion und Anastomosierung
gefordert [38], [41].