Kernaussagen/Fazit für die Praxis
1. Diagnostik und Indikationsstellung zur Primärtherapie:
Initial ist die Fluoreszeinangiografie neben der sorgfältigen Bestimmung des
bestkorrigierten Visus (unter Beachtung von Refraktionsschwankungen) und der
binokularen Ophthalmoskopie (einschließlich Peripherie) auch weiterhin eine
wichtige diagnostische Maßnahme im Rahmen der primären Indikationsstellung,
um die Perfusion und das Ausmaß der fovealen und peripheren Ischämie
beurteilen zu können. Die Spectral-Domain(SD)-OCT-Untersuchung ist eine
wichtige Basisuntersuchung, um das Ausmaß der exsudativen Veränderungen zu
erkennen und einen objektiven Vergleich bei späteren Verlaufskontrollen zu
ermöglichen, aber auch um fortgeschrittene retinale Atrophien identifizieren
zu können, die eine Behandlung im Sinne einer Visusverbesserung wenig
aussichtsreich erscheinen lassen.
2. Therapiemodalitäten und Strategie:
a. Diabetisches Makulaödem
mit
fovealer Beteiligung:
Besteht eine foveale Beteiligung eines Makulaödems, kommen verschiedene
Therapiemodalitäten sowie deren Kombination in Betracht, über die der
Patient mit den entsprechenden Behandlungsfrequenzen und
Komplikationshäufigkeiten informiert werden sollte:
Die Anti-VEGF -Monotherapie besitzt die beste Wirksamkeit, ein
Makulaödem zurückzubilden und die bestmögliche Visusentwicklung zu
ermöglichen. Allerdings sind viele Behandlungen – zumindest während der
ersten Monate und gegebenenfalls auch über Jahre – mit den entsprechenden
Konsequenzen erforderlich, d. h. häufigen Arztbesuchen und kumulativem
Endophthalmitis-Risiko. Studien mit monatlicher Medikamenteneingabe haben
gute Ergebnisse gezeigt; die (nach Upload mit mindestens 3
Medikamenteneingaben) bedarfsabhängige Gabe nach morphologischen Kriterien
zeigte in Studien eine im Mittel deutlich abnehmende
Behandlungsnotwendigkeit über die Zeit (erstes Jahr: ca. 7–8, zweites Jahr:
unter 4, drittes Jahr: unter 3). Langzeitentwicklung und Sicherheitsprofil
der Anti-VEGF-Therapie können noch nicht endgültig beurteilt werden. Eine
Evidenz aus Phase-III-Studien gibt es nur zu Ranibizumab (RESTORE, RIDE,
RISE, DRCR ). Größere Vergleichsstudien mit Bevacizumab –
entsprechend CATT für die AMD – oder große Bevacizumab-Studien wurden
bisher nicht publiziert. Nach positiven Daten über 6 Monate ist für
Aflibercept eine Phase-III-Studie (VIVID-DME ) begonnen worden.
Die Laserbehandlung zeigt in Vergleichsstudien schlechtere
Visusergebnisse als die intravitreale Anti-VEGF-Therapie, aber einen klaren
Nutzen gegenüber dem unbehandelten Spontanverlauf. Das Therapieziel der
Lasertherapie ist vor allem eine Visus-Stabilisierung. Vorteile der
Lasertherapie sind die erheblich niedrigere Behandlungsfrequenz und das
Fehlen der potentiellen Komplikationen der intravitrealen Medikamentengabe,
Nachteile sind die schlechteren Visusergebnisse und die durch die
Lasereffekte verursachten Schädigungen der Sehzellen und des retinalen
Pigmentepithels, selbst wenn bei einer Lasertherapie schonende „energiearme“
Einstellungen, die in Studien etabliert wurden (DRCR), verwendet werden.
Eine fokal/grid-Laserkoagulation sollte frühestens nach 3 Monaten wiederholt
werden.
Bisher gibt es keine eindeutigen Daten, die einen zusätzlichen Nutzen der
gleichzeitigen Kombination von VEGF-Inhibition und Lasertherapie nach
morphologischen Kriterien belegen. Insbesondere gibt es bei der
Kombinationstherapie nach bisherigen Daten während des ersten
Behandlungsjahres keinen Hinweis auf eine Reduktion der erforderlichen
Injektionsfrequenz. Eine sinnvolle Abfolge kann aber auch in der
sequentiellen Anwendung von Anti-VEGF-Therapie und Lasertherapie oder
umgekehrt bestehen.
Die intravitreale Gabe von Steroid-Präparaten ist trotz eines
positiven Effektes auf den Visus und einer im Vergleich mit den
VEGF-Inhibitoren geringeren Injektionsfrequenz eine Reserveoption, vor allem
weil relativ häufig Nebenwirkungen wie Druckerhöhung und Katarakt-Induktion
bzw. -Progression zu beachten sind. Pseudophake Patienten zeigen ein
günstigeres Nutzen-Risiko-Profil. Klare Kriterien, wann eine Steroidgabe als
„second-line“-Therapie nach oder statt Anti-VEGF-Gabe sinnvoll sein kann,
sind bisher noch nicht etabliert. Regelmäßige Kontrollen des Augendrucks
sind bei dieser therapeutischen Option notwendig. Angesichts des
Nebenwirkungsprofils von Fluocinolon sollten die therapeutischen
Alternativen ausreichend erprobt und dokumentiert worden sein. Für eine
Kombinationstherapie aus VEGF-Inhibitoren und Kortikoiden liegen bisher noch
keine ausreichenden Daten vor.
b. Diabetisches Makulaödem ohne foveale Beteiligung: Die
„fokal/grid“-Laserkoagulation ist alleiniger Standard für klinisch
signifikante Ödeme (ETDRS-Kriterien) ohne foveale Beteiligung.
3. Diagnostik und Kriterien für eine Wiederbehandlung,
Therapieintervall und -abbruch:
Für die IVOM-Therapie,
insbesondere bei PRN-gestützten Algorithmen, sind häufige Kontrollen
zumindest des bestkorrigierten Visus und des Fundusbefundes erforderlich.
Die Eignung des Visus als alleiniges Wiederbehandlungskriterium ist nicht
ausreichend belegt. In den Studien wurden ETDRS-Sehtafeln verwendet (Problem
der Übertragbarkeit in den Alltag), Patienten mit Diabetes unterliegen
stärkeren Refraktionsschwankungen je nach Blutzuckerwerten und die genauere
Zuordnung anderer Ursachen für eine Visusänderung (Benetzung, Katarakt,
Glaskörpertrübungen) kann zusätzlich problematisch sein. Die
SD-OCT-Bildgebung ermöglicht eine sichere Lokalisation und objektive
Vergleichbarkeit der morphologischen Befunde im Verlauf und ist deswegen als
Ergänzung zur binokularen Funduskopie erforderlich.
Für die Mehrzahl der Patienten muss die Therapie nach den ersten 4
Injektionen von VEGF-Inhibitoren mit weiteren Behandlungen fortgesetzt
werden, wenn aufgrund des Fundusbefundes und des Verlaufes eine weitere
Verbesserung zu erwarten ist (s. Kriterien im Flussdiagramm). Die Therapie
sollte beendet werden, wenn auf Grund einer ausgedehnten retinalen Atrophie
oder einer irreversiblen zystoiden Degeneration keine weitere Verbesserung
zu erwarten ist, wenn ein weiterer Visusverlust nicht aufgehalten werden
kann, oder wenn der Visus unter 0,05 sinkt (mögliche Ausnahme: andere
Ursachen wie z. B. eine Glaskörperblutung).
4. Bedeutung der internistischen Therapie:
Die Qualität der
Blutzuckereinstellung und die Kontrolle weiterer Risikofaktoren – z. B. des
Blutdrucks – haben einen Einfluss auf Inzidenz, Verlauf und Prognose der
diabetischen Makulopathie (Nationale Versorgungsleitlinien
„Typ-2-Diabetes“/„Prävention und Therapie von Netzhautkomplikationen“).
Wichtig ist die interdisziplinäre Kommunikation und Zusammenarbeit der
beteiligten Fachdisziplinen. Die gründliche Überprüfung der internistischen
Faktoren ist nicht zuletzt dann besonders zu beachten, wenn es zu häufigen
Rezidiven eines DMÖ unter einer Therapie kommt.
5. Beurteilung der Netzhautperipherie:
Neue Studiendaten
(RIDE; RISE; DA VINCI ) haben zwar gezeigt, dass sich eine
begleitende nicht-proliferative diabetische Retinopathie (NPDR) während der
ersten 2 Jahre monatlicher Anti-VEGF-Injektionen für ein DMÖ signifikant
seltener zu einem proliferativen Stadium (PDR) weiterentwickelt. Dennoch ist
unter intravitrealer Medikamententherapie eine Untersuchung der gesamten
Netzhaut in den üblichen Frequenzen (s. Nationale Versorgungsleitlinie)
genauso erforderlich und ggf. eine Laserkoagulation der peripheren Netzhaut
zu empfehlen wie bei Patienten mit gleichem Retinopathiestadium ohne
intravitreale Therapie.