Dialyse aktuell 2012; 16(07): 424-426
DOI: 10.1055/s-0032-1328820
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Antikörpervermittelte Abstoßungsreaktionen – Donorspezifische Antikörper im Fokus der Transplantationsmedizin

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17 September 2012 (online)

 
 

Die Nierentransplantation ist zu einem Routineverfahren mit akzeptabler Morbidität geworden. Auch wenn die Transplantatfunktion bei vielen Menschen sehr gut ist, konnte das Langzeit-Organ-Überleben aber bisher nur unzureichend gebessert werden, sodass viele Patienten nach einem Transplantatversagen erneut auf der Warteliste stehen. Donorspezifische Antkörper (DSA) und antikörpervermittelte Abstoßungsreaktionen (AMR: "antibody-mediated rejection") spielen dabei eine besondere Rolle.

In den letzten Jahren ist neben der zellulären Abstoßung mehr und mehr auch die sogenannte humorale, HLA-Antikörper-vermittelte (HLA: "human leukocyte antigen") Abstoßung in den Fokus der Transplantationsimmunologie geraten. Akute und chronische Abstoßungsreaktionen richten sich vor allem gegen HLA-Antigene. Aus diesem Grund ist das Matching von Transplantatempfänger und Organspender hinsichtlich der HLA-Antigene trotz moderner immunsuppressiver Therapie unverzichtbar.

HLA-Sensibilisierung vor der Transplantation

Eine Exposition gegenüber fremden HLA-Antigenen durch frühere Transplantationen, aber auch durch Schwangerschaften oder Bluttransfusionen können bereits im Vorfeld zu immunologischer Sensibilisierung gegen fremde HLA-Antigene führen. Hierbei kommt es zur Bildung von Memory-T- und -B-Zellen gegen fremde HLA-Merkmale, die durch rasche Reaktivierbarkeit, lange Lebensdauer und geringes Ansprechen auf konventionelle Immunsuppressiva gekennzeichnet sind. Diese HLA-Sensibilisierung verlängert in vielen Fällen die Wartezeit und verringert die Transplantationswahrscheinlichkeit.

Die Messung von HLA-Antikörpern gegen einzelne Spender im Lymphozytotoxizitätstest (LCT) erfolgt über das Crossmatch, kann gegen ein Panel von zum Beispiel 50 HLA-typisierten Blutspendern (PRA: "panel-reactive antibodies") quantifiziert werden und gilt heute als Standard zur Vorhersage des immunologischen Risikos einer Abstoßungsreaktion. Bis 17 % der Patienten auf Wartelisten müssen aufgrund einer Panelreaktivität von über 10 % als immunologische Risikopatienten eingestuft werden, berichtete Dr. Wolfgang Arns, Köln, auf einer von Novartis unterstützten Veranstaltung auf dem diesjährigen "24th International Congress of the Transplantation Society" in Berlin.


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DSA-Antikörper sind von großer klinischer Relevanz

Eine wichtige Weiterentwicklung in der Diagnostik der Alloreaktivität ist die Luminextechnologie, die den Nachweis von Antikörpern gegenüber einzelnen Antigenen (z. B. jeweils nur HLA-A2, -B18, -Cw4, -DR13, -DQ6 oder -DP18) bzw. HLA-Allelen (z. B. DRB1 01:03) ermöglicht. Die mit diesem Verfahren nachweisbaren donorspezifischen Antikörper (DSA) sind von großer klinischer Relevanz, betonte der Transplantationsmediziner. So konnten Lefacheur et al. zeigen, dass vor der Transplantation luminexdetektierte Antikörper mit einem deutlich verkürzten Transplantatüberleben einhergehen [ 1 ]. Auch die Arbeit von Terasaki et al. [ 2 ] unterstreicht die hohe Bedeutung von präexistierenden HLA-Antiköpern.

Hier wurde nachgewiesen, dass präformierte Antikörper mit vermehrten hyperakuten Abstoßungen, primärem Transplantatverlust, verzögerter Transplantatfunktion und akuten Abstoßungsreaktionen nach Entlassung einhergehen.


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De-novo-Antikörper erhöhen das Risiko für ein Transplantatversagen

Ein weiteres Problem ist das Auftreten von De-novo-HLA-Antikörpern nach der Transplantation. Unabhängig davon, ob schon vor der Transplantation DSA nachweisbar sind, ist das Auftreten solcher Antikörper mit einem deutlich erhöhten Risiko für ein Transplantatversagen verbunden [ 3 ] (Abb. [ 1 ]). Ähnliche Erfahrungen sind auch mit donorunspezifischen Antikörpern gemacht worden, obwohl in diesen Fällen die negativen Verläufe nicht so eindrücklich waren.

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Abb. 1 Einfluss der De-novo-Produktion von HLA-Antikörpern auf das Transplantatüberleben.
HLA = "human leukocyte antigen"

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Immunsuppression kann der Antikörperbildung vorbeugen

Der Prävention dieser Antikörperbildung durch ein möglichst optimales Matching und geeignete Immunsuppressionsschemata kommt daher eine hohe klinische Bedeutung zu. Gut belegt ist, dass die frühe und kontinuierliche Gabe des antiproliferativ wirksamen Mycophenolat (in Kombination mit einem Calcineurininhibitor und Steroiden) die HLA-AntikörperBildung am effektivsten unterdrücken kann [ 4 ].


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Antikörpervermittelte Abstoßungsreaktion gefährdet die neue Niere

Eine gefürchtete Folge der Antikörperbildung ist die antikörpervermittelte Abstoßungsreaktion (AMR), die das Transplantatüberleben und damit den Erfolg der Transplantation gefährden kann. Dabei korreliert die Höhe der DSA-Spiegel mit der Schwere der AMR [ 5 ]. Bekannte Risikofaktoren für eine AMR sind:

  • sensibilisierende Ereignisse in der Anamnese wie etwa frühere Transplantationen, Schwangerschaften oder Bluttransfusionen

  • eine unzureichende Immunsuppression

  • die Zahl der HLA-Mismatches


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Chronische Schädigung ist irreversibel

Generell kann eine akute Form mit frühen histologischen Abstoßungsanzeichen im Transplantat von einer chronischen Form unterschieden werden, die beide gleichermaßen überwiegend mit nachweisbaren DSA einhergehen können. Die chronische Form ist durch besondere histomorphologische Veränderungen im Transplantat gekennzeichnet, die als Transplantatglomerulopathie (nach oftmals vorangegangener Glomerulitis) zusammengefasst werden. In der Folge findet sich außerdem eine interstitielle Fibrose mit Tubulusatrophie (IF/TA), die eine irreversible Schädigung ist. Zusammen mit der als sekundär zu interpretierenden Glomerulosklerose können diese Veränderungen gewissermaßen als Narbenbildung aufgefasst werden, die auch durch andere Schädigungsfaktoren hervorgerufen werden können. Bei Beteiligung eines komplementabhängigen Prozesses finden sich C4d-Ablagerungen in den peritubulären Kapillaren. Ansonsten ist eine Kapillaritis für einen antikörperabhängigen Prozess wegweisend.


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Störung der Mikrozirkulation als Ausgangspunkt

Nach heutigen pathophysiologischen Vorstellungen kommt es antikörpervermittelt zu einer Komplementaktivierung mit nachfolgender Endothelschädigung. Eine peritubuläre Entzündung von Kapillaren und Glomeruli mit Störung der Mikrozirkulation kennzeichnen vor allem die akute AMR, die mit einer akuten Symptomatik oder auch klinisch stumm verlaufen kann. Persistiert die mikrovaskuläre Entzündung, entwickelt sich eine chronische AMR mit nachfolgender interstitieller Fibrose und tubulärer Atrophie (IFTA), Atherosklerose und Glomerulopathie. Klinisch macht sich dies als ein langsam zunehmender Funktionsverlust des Transplantats mit Wiederanstieg des Kreatininwertes bemerkbar [ 6 ].


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Therapie der AMR ist nicht evidenzbasiert

Für die Therapie des AMR gibt es bisher noch keine von der FDA (Food and Drug Administration) zugelassenen evidenzbasierten Therapien. Mit Ausnahme einer randomisierten Studie [ 7 ] beschäftigen sich bisher nur monozentrische Studien mit geringen Patientenzahlen und nicht standardisierten Protokollen mit dieser Thematik, sagte Arns.


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Fehlende Therapiemöglichkeiten vor allem bei chronischer AMR

Bisher wurden Erfolge vor allem bei der Behandlung der akuten Abstoßungsreaktion gemacht, die sich mit heutigen Mitteln meist relativ gut beherrschen lässt. Eine effektive Behandlung der chronischen Schädigung des Transplantats ist dagegen bisher noch nicht nachhaltig gelungen. Die Prophylaxe bzw. frühe Diagnose und Therapie der chronischen AMR steht daher im besonderen Fokus.


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Desensibilisierung als Prophylaxe

Ein wichtiger Ansatz beim Nachweis von DSA vor der Transplantation sind verschiedene Desensibilisierungsstrategien wie Immunabsorption, Plasmaaustausch, Thymoglobuline, Rituximab oder Immunglobuline. So konnten Montgomery et al. [ 7 ] 2011 zeigen, dass HLA-sensibilisierte Patienten vor der Lebendnierenspende von einer Behandlung mit Plasmapherese und i. v. Immunglobulingabe profitieren und im Vergleich zu dialysierten Patienten auf der Warteliste, denen ein solches Vorgehen nicht angeboten werden konnte, ein deutlicher Überlebensvorteil besteht. Auch die Gabe des CD20-Antkörpers Rituximab als Anti-B-Zell-Therapie hat sich in dieser Indikation bewährt. Die gleichen Strategien werden auch beim Nachweis hoher De-novo-DSA-Titer nach der Transplantation eingesetzt – hier fehlen aber noch standardisierte Behandlungsprotokolle und kontrollierte Studien.

Noch nicht völlig geklärt ist die Rolle von mTOR-Inhibitoren in dieser Indikation. Eine monozentrische Studie [ 8 ], in der unter der Therapie mit Everolimus eine vermehrte DSA-Bildung beobachtet wurde, hielt Arns für wenig aussagefähig: Patienten unter Everolimus waren im Vergleich zur Kontrollgruppe in dieser Studie länger dialysiert, wiesen eine höhere Zahl von HLA-Mismatches auf und hatten vor allem eine unzureichende Immunsuppression erhalten.

Maria Weiß, Berlin

Dieser Beitrag entstand mit freundlicher Unterstützung der Novartis Pharma GmbH, Nürnberg.

Die Beitragsinhalte stammen vom Symposium "TransAgora-Session 3: Antibody-mediated rejection (AMR): evolving our understanding", veranstaltet von der Novartis Pharma GmbH, Nürnberg, auf dem 24th International Congress of the Transplantation Society, Berlin.

Die Autorin ist freie Journalistin.


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  • Literatur

  • 1 Lefaucheur C, Loupy A, Hill GS et al. Preexisting donor-specific HLA antibodies predict outcome in kidney transplantation. J Am Soc Nephrol 2010; 21: 1398-1406
  • 2 Terasaki PI, Cai J. Humoral theory of transplantation: further evidence. Curr Opin Immunol 2005; 17: 541-545
  • 3 Lachmann N, Terasaki PI, Schönemann C. Donor-specific HLA antibodies in chronic renal allograft rejection: a prospective trial with a four-year follow-up. Clin Transpl 2006; 171-199
  • 4 Lederer SR, Friedrich N, Banas B et al. Effects of mycophenolate mofetil on donor-specific antibody formation in renal transplantation. Clin Transplant 2005; 19: 168-174
  • 5 Burns JM, Cornell LD, Perry DK et al. Alloantibody levels and acute humoral rejection early after positive crossmatch kidney transplantation. Am J Transplant 2008; 8: 2684-2694
  • 6 Loupy A, Hill GS, Jordan SC. The impact of donor-specific anti-HLA antibodies on late kidney allograft failure. Nat Rev Nephrol 2012; 17: 348-357
  • 7 Montgomery RA, Lonze BE, King KE et al. Desensitization in HLA-incompatible kidney recipients and survival. N Engl J Med 2011; 365: 318-326
  • 8 Liefeldt L, Brakemeier S, Glander P et al. Donor-specific HLA antibodies in a cohort comparing everolimus with cyclosporine after kidney transplantation. Am J Transplant 2012; 12: 1192-1198

  • Literatur

  • 1 Lefaucheur C, Loupy A, Hill GS et al. Preexisting donor-specific HLA antibodies predict outcome in kidney transplantation. J Am Soc Nephrol 2010; 21: 1398-1406
  • 2 Terasaki PI, Cai J. Humoral theory of transplantation: further evidence. Curr Opin Immunol 2005; 17: 541-545
  • 3 Lachmann N, Terasaki PI, Schönemann C. Donor-specific HLA antibodies in chronic renal allograft rejection: a prospective trial with a four-year follow-up. Clin Transpl 2006; 171-199
  • 4 Lederer SR, Friedrich N, Banas B et al. Effects of mycophenolate mofetil on donor-specific antibody formation in renal transplantation. Clin Transplant 2005; 19: 168-174
  • 5 Burns JM, Cornell LD, Perry DK et al. Alloantibody levels and acute humoral rejection early after positive crossmatch kidney transplantation. Am J Transplant 2008; 8: 2684-2694
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  • 7 Montgomery RA, Lonze BE, King KE et al. Desensitization in HLA-incompatible kidney recipients and survival. N Engl J Med 2011; 365: 318-326
  • 8 Liefeldt L, Brakemeier S, Glander P et al. Donor-specific HLA antibodies in a cohort comparing everolimus with cyclosporine after kidney transplantation. Am J Transplant 2012; 12: 1192-1198

 
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Abb. 1 Einfluss der De-novo-Produktion von HLA-Antikörpern auf das Transplantatüberleben.
HLA = "human leukocyte antigen"