Hebamme 2013; 26(1): 4
DOI: 10.1055/s-0032-1331053
Editorial
Hippokrates Verlag in MVS Medizinverlage Stuttgart GmbH & Co. KG Stuttgart

Ebenen eines Nofalls

Birte Luther
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Publication Date:
13 March 2013 (online)

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Nähert man sich unserem Titelthema Geburtshilfliche Notfälle unter theoretischen Gesichtspunkten, kommt man schnell dahinter, dass eine Notfallsituation aus unterschiedlichen Perspektiven betrachtet werden kann. Man könnte auch sagen, eine Notfallsituation besteht aus unterschiedlichen (Handlungs-)Ebenen. Mindestens vier wesentliche Ebenen wären zu benennen.

  • Auf der Interaktionsebene geht es um das Zusammenspiel der unterschiedlichen Akteure (z. B. Betroffene (Frau und/oder Kind), Angehörige und Notfallteam), aber auch um so etwas wie die Entwicklung von Leitlinien oder einer angemessenen Fehlerkultur.

  • Eine weitere wesentliche Rolle stellt die Ebene der Rahmenbedingungen dar. Hierein fällt z. B. der Zeitpunkt des Auftretens (nachts/tagsüber), die unterschiedlichen Tempi, in denen bestimmte Notfallmanagements ablaufen müssen, der Ort (Geburtshaus, Klinik), die personellen Ressourcen und das Equipment.

  • Auf der kognitiven Ebene dagegen geht es um ein fundiertes Grundlagenwissen und um eine regelmäßige Wissensvertiefung und -erweiterung durch Fortbildungen.

  • Auf der Anwendungsebene schließlich geht es um das regelmäßige Training, z. B. nach dem Skills-Lab-Modell, damit das Wissen in der Notfallsituation möglichst adäquat angewandt werden kann.

Die Liste kann sicherlich noch erweitert werden. Sie zeigt aber schon jetzt, wie viele unterschiedliche Aspekte berücksichtigt werden müssen.

In dieser Ausgabe werden alle vier Ebenen zumindest in Teilaspekten beleuchtet, dadurch gibt es viele Anregungen aus den unterschiedlichen Blickwinkeln einer Notfallsituation. Susanne Mack schreibt z. B. in ihrem Beitrag über die Schulterdystokie, dass die Vorteile, die es hat, mit der Frau Augenkontakt herzustellen und ihr klare und verständliche Erläuterungen zu geben, bisher in keiner Leitlinie erwähnt werden.

Dr. Sven Hildebrandt führt aus, dass die eigentliche Gefahr der Schulterdystokie weniger vom Notfall selbst ausgeht, sondern vielmehr vom panischen Handeln der Helfenden. Und Prof. Kainer betont in seinem Artikel, dass die meisten Fehler in Notsituationen von non technical skills ausgehen, d. h. nicht das Wissen und die Handhabung fehlen in der Akutsituation, vielmehr wird das optimale Zusammenspiel des Notfallteams zum Hindernis. Wie immer haben wir viele Fallbeschreibungen eingeflochten, anhand derer praxisnah erklärt wird, welches Vorgehen sinnvoll ist bzw. sinnvoll gewesen wäre.

Hier zeigt sich, dass langsam eine Fehlerkultur entsteht, die es ermöglicht, zu lernen und zu wachsen. Die österreichische Philosophin Helene von Druskowitz hat einmal gesagt: „Nur indem wir beständig von dem Gefühl unserer Unvollkommenheit begleitet werden, vervollkommnen wir uns.“ Dazu wird auch das interaktive Fallberichts- und Lernsystem „Fälle-für-Alle e. V.“ beitragen, das speziell für die Hebammenarbeit konzipiert wurde (s. Beitrag Romano et al.).

Ein weiteres Highlight dieses Heftes ist die Vorstellung der Preisträgerinnen des Justina-Siegemund-Preises, der alle 3 Jahre vom Hippokrates Verlag für wissenschaftliche Arbeiten von Hebammenschülerinnen und -studentinnen verliehen wird. Dieses Mal war die Auswahl besonders schwer, weil viele wirklich herausragende Arbeiten eingegangen sind. Die Ergebnisse der Studie der Hebammenschülerinnen aus Minden, die den ersten Preis erhielten, werden schon in diesem Heft vorgestellt (s. Beitrag Blackstein et al.). Und wer mehr über die Namensgeberin des Preises erfahren möchte, kann dies über den Artikel von Dr. Christine Loytved et al. tun.

Sie sehen, es lohnt sich wieder sehr, unsere Zeitschrift zu lesen. Dabei wünsche ich Ihnen viel Freude, Inspiration und Austausch mit Fachkolleginnen und -kollegen.

Herzlichst

Ihre

Birte Luther