Zusammenfassung
Hintergrund:
In der internationalen Gesundheitsforschung wird seit einigen Jahren untersucht, welche Bedeutung die subjektive Wahrnehmung der eigenen sozialen Stellung für die Gesundheit hat. In Deutschland steht die empirische Untersuchung des Zusammenhangs von subjektivem Sozialstatus (SubjSES) und Gesundheit dagegen noch ganz am Anfang. In diesem Beitrag wird daher der Frage nachgegangen, inwieweit die gesundheitsbezogene Lebensqualität von Erwachsenen in Deutschland mit dem SubjSES variiert und ob dieser Zusammenhang über objektive Statusmerkmale hinaus besteht.
Methodik:
Die Ergebnisse basieren auf der Allgemeinen Bevölkerungsumfrage der Sozialwissenschaften 2010 (ALLBUS 2010). Dabei handelt es sich um eine repräsentative Querschnittbefragung der Wohnbevölkerung in Deutschland ab 18 Jahren (n=2 827). Die gesundheitsbezogene Lebensqualität wird anhand von 4 Fragen bestimmt, die sich auf die Selbsteinschätzung des allgemeinen Gesundheitszustands (self-rated health; SRH) und Beeinträchtigungen des Wohlbefindens durch körperliche Schmerzen, Niedergeschlagenheit und Einsamkeit beziehen. Der SubjSES wird mit einer 10-stufigen Ratingskala erfasst, auf der sich die Befragten im „Oben und Unten“ der Gesellschaft selbst einordnen. Anhand binär logistischer Regressionen wird der Einfluss des SubjSES auf die gesundheitsbezogene Lebensqualität bei statistischer Kontrolle für Alter und die objektiven Statusmerkmale Schulbildung, Netto-Äquivalenzeinkommen und berufliche Stellung geschlechtsspezifisch analysiert.
Ergebnisse:
Männer und Frauen mit niedrigem SubjSES haben einen schlechteren SRH und sind signifikant häufiger von körperlichen Schmerzen, Niedergeschlagenheit und Einsamkeit betroffen als Personen, die sich höher einstufen. Nach Adjustierung für Alter, Bildung, Einkommen und Beruf bleibt der Einfluss des SubjSES auf SRH und Niedergeschlagenheit bei Männern und Frauen bestehen (SRH: Männer: OR=4,76; 95%-KI=2,52–8,99; Frauen: OR=2,95; 95%-KI=1,74–4,99; Niedergeschlagenheit: Männer: OR=2,86; 95%-KI=1,60–5,10; Frauen: OR=2,75; 95%-KI=1,65–4,56). Für körperliche Schmerzen und Einsamkeit zeichnet sich nach Kontrolle für objektive Statusmerkmale lediglich bei Frauen ein signifikanter Effekt des SubjSES ab (OR=1,75; 95%-KI=1,07–2,86 und OR=3,03; 95%-KI=1,43–6,42).
Schlussfolgerung:
Die Ergebnisse weisen darauf hin, dass die Selbstwahrnehmung von sozialer Benachteiligung einen eigenständigen und zum Teil geschlechtsspezifischen Einfluss auf die gesundheitsbezogene Lebensqualität von Erwachsenen in Deutschland hat. Damit bietet der Indikator „subjektiver Sozialstatus“ in Ergänzung zu objektiven Merkmalen des sozialen Status zusätzliches Potenzial zur Beschreibung und Erklärung gesundheitlicher Ungleichheit.
Abstract
Background:
The impact of subjective perception of social status on health has been analysed in international health research for several years. However, in Germany the empirical analysis of the relation between subjective social status (SSS) and health is still in the very early stages. This study investigates if health-related quality of life (HRQoL) in German adults is associated with SSS over and above conventional measures of social status.
Methods:
The results are based on the German General Social Survey (ALLBUS 2010), a representative cross-sectional survey of the adult resident population in Germany (n=2 827). HRQoL was assessed with 4 items referring to self-rated health (SRH) and impairment of well-being due to bodily pain, depressiveness, and loneliness. SSS was measured with a 10-point scale where participants rated their status in society. The impact of SSS on HRQoL was analysed separately for men and women using logistic regression models adjusted for age, school education, net equivalent household income, and occupational position.
Results:
Poorer SRH, bodily pain, depressiveness, and loneliness occurred significantly more often in men and women with low SSS compared to those with higher SSS. After adjusting for age, education, income, and occupation, the effects of SSS on SRH and depressiveness remained significant in men and women (SRH: men: OR=4.76; 95% CI=2.52–8.99; women: OR=2.95; 95% CI=1.74–4.99; depressiveness: men: OR=2.86; 95% CI=1.60–5.10; women: OR=2.75; 95% CI=1.65–4.56). The effects of SSS on bodily pain and loneliness were observed only in women after adjustment for objective status indicators (OR=1.75; 95% CI=1.07–2.86 and OR=3.03; 95% CI=1.43–6.42, respectively).
Conclusion:
These findings indicate that self-perception of social disadvantage affects HRQoL in German adults independently and partly gender-specifically. Hence, complementary to objective status indicators the SSS offers additional potential for describing and explaining health inequalities.
Schlüsselwörter subjektiver sozialer Status - gesundheitsbezogene Lebensqualität - gesundheitliche Ungleichheit - soziale Determinanten - ALLBUS
Key words subjective social status - health-related quality of life - health inequalities - social determinants - ALLBUS