Lege artis - Das Magazin zur ärztlichen Weiterbildung 2013; 3(1): 1
DOI: 10.1055/s-0033-1334109
Editorial
© Georg Thieme Verlag Stuttgart · New York

Krankheit: natürlich oder unnatürlich?

Daniela Erhard
,
Peter Galle
,
Götz Geldner
,
Alfred Königsrainer
,
Frank-Gerald Pajonk
,
Julia Rojahn
Further Information

Publication History

Publication Date:
19 February 2013 (online)

Liebe Leserin, lieber Leser, zur aktuellen Erkältungs- und Grippezeit haben sie wieder Hochkonjunktur: Die „natürlichen“ Hausmittel und Pflanzenextrakte, Propolis oder Silber als „natürliche Antibiotika“. Passend dazu: Unter dem Label Lieber Natürlich will eine Initiative mit Sitz im schwäbischen Dettenhausen Produkte aus natürlichen Inhaltsstoffen mit einem neuen Logo kennzeichnen. Infrage kommen u. a. homöopathische und anthroposophische Arzneimittel, Schüßler-Salze und Naturkosmetika.

Die Vorstellung von der „heilenden“ Natur – auch im Gegensatz zur Schulmedizin – scheint tief im gesellschaftlichen Bewusstsein verankert. Irgendwann in der Antike muss sie sich dort eingenistet haben. Nachlesen kann man das in einem medizinhistorischen Übersichtsartikel von Prof. Daniel Schäfer in der Deutschen Medizinischen Wochenschrift (2012; 137: 2677–2682).

Schon Galen (und er berief sich auf Hippokrates) vertrat die Sichtweise:

  • Die Natur ist vollkommen, normal und gesund, Krankheit dagegen widernatürlich. Entsprechend heilt die Natur Krankheiten und ist Vorbild für ärztliches Handeln.

Der Arzt als „Diener“, nicht „Lehrer“ der Natur: Selbstverständlich rief diese Perspektive früh Kritiker auf den Plan, denen sich im 16. Jh. auch Paracelsus anschloss. Ihre These lautete:

  • Die Natur schließt Krankheit mit ein, ist evtl. sogar selbst krank. Der Arzt muss daher die natürliche Heilkraft unterstützen bzw. die Natur ist auf seine Hilfe angewiesen.

Etwa seit dem 17. Jahrhundert wurde die Natur damit vom vollkommenen Subjekt zum krankheitsanfälligen Objekt, das es zu erforschen und verbessern galt.

Die Medizin profitiert von beiden Traditionen, und in dieser Ausgabe der Lege artis werden Ihnen auch beide begegnen. So hilft bei manchen Lebererkrankungen die vielleicht natürlichste Medizin überhaupt: gesunde Ernährung. In anderen Fällen kommt man um eine moderne antivirale Therapie nicht herum. Und dann stoßen Sie in den Artikeln unseres Titelthemas (ab S. 16) sogar auf eine vermeintlich antike Methode: den Aderlass. Bei einer seltenen Lebererkankung wendet man ihn – auch in der Schulmedizin – heute noch an.

Mit herzlichen Grüßen

Ihre Herausgeber und Ihre Redaktion

Herausgeber

P. Galle, Mainz

G. Geldner, Ludwigsburg

A. Königsrainer, Tübingen

F.-G. B. Pajonk, Schäftlarn

Experten-Panel

P. Berlit, Essen

S. Bleich, Hannover

J. Bossenmayer, Stuttgart

H.-P. Bruch, Lübeck

M. Christ, Nürnberg

B. Debong, Karlsruhe

T. Hemmerling, Montreal

D. F. Hollo, Celle

J. Riemann, Ludwigshafen

Schlichtungsstelle für Arzthaftpflichtfragen der norddeutschen Ärztekammern, Hannover

Redaktion

Dr. Daniela Erhard

Georg Thieme Verlag KGRüdigerstraße 14 • 74069 Stuttgart

E-Mail: legeartis@thieme.de