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DOI: 10.1055/s-0033-1337650
Chronische metabolische Azidose – Ausdauer in der Bikarbonat-Therapie zahlt sich aus
Publication History
Publication Date:
27 February 2013 (online)
Eine chronische metabolische Azidose (cmA) bei Niereninsuffizienz führt zu einer weiteren Schädigung der Nieren, es entsteht ein sich selbst verstärkender Circulus vitiosus. Kann dieser durch Therapie der Azidose mit Bikarbonat durchbrochen werden? Wie ist die Studienevidenz zu diesem Thema?
Es gibt einerseits Studien, die eindeutig eine Verbesserung der Nierenfunktion – festgemacht an der glomerulären Filtrationsrate (GFR) – unter Therapie der metabolischen Azidose durch Supplementation von Bikarbonat zeigten [ 1 ], [ 2 ]. Andererseits existieren Daten, die zwar einen positiven Trend, jedoch keinen signifikanten Effekt auf die Nierenfunktion ergaben [ 3 ]–[ 5 ]. Liegt hier ein Widerspruch in den Ergebnissen vor oder gab es möglicherweise weitere Faktoren, die dafür verantwortlich sind?
Behandlungsdauer hat positiven Effekt
Im Mai 2012 erschien eine interessante Metaanalyse zur Therapie der chronischen metabolischen Azidose mit Bikarbonat, die diesen scheinbaren Gegensatz auflöst [ 6 ]: Die Autoren haben festgestellt, dass die Dauer der Behandlung für einen positiven Effekt auf die GFR sorgt. Jene Studien, in denen eine positive Wirkung auf die GFR nicht signifikant war, dauerten nur einige Tage [ 4 ], [ 5 ], höchstens jedoch 3 Monate [ 3 ]. Die beiden Studien, in denen ein signifikanter positiver Effekt der Bikarbonatbehandlung auf die GFR beobachtet wurde, hatten hingegen eine Studiendauer von 24 beziehungsweise 60 Monaten. Um den Funktionsverlust der Nieren nachhaltig zu verhindern oder zumindest zu verzögern, ist eine Bikarbonatbehandlung also frühzeitig zu beginnen und langfristig durchzuhalten. Die Empfehlungen lauten, eine orale Bikarbonattherapie bei Patienten mit einem Bikarbonatspiegel von unter 20 mmol/l zu beginnen und diesen bei 20–22 mmol/l zu halten [ 7 ].
Magensaftresistente Bikarbonatpräparate dürfen bei Niereninsuffizienz und bei Neoblase zu Lasten der GKV verordnet werden, unterliegen aber keinem Festbetrag. Da es keine überzeugende Nutzenargumentation gibt, die solche enormen Preisunterschiede von über 80 % (!) pro Gramm Wirkstoff rechtfertigt, empfiehlt sich im Sinne des Wirtschaftlichkeitsgebotes bei den magensaftresistenten Azidosetherapeutika unbedingt ein Preisvergleich.
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Vorsicht bei Proteinrestriktion und basischer Nahrungsergänzung
Neben der Therapie mit oralem Bikarbonat wird oft eine Kombination mit einer weniger Säuren generierenden Ernährung empfohlen. So zeigte sich, dass eine vor allem proteinarme Ernährung die Säurelast reduziert und ebenfalls zum Erhalt der Nierenfunktion beiträgt [ 8 ]. Allerdings ist eine weniger Säuren generierende beziehungsweise Basen produzierende Ernährung oft reich an kaliumhaltigen Nahrungsmitteln [ 9 ]. Da Patienten mit cmA meist die Tendenz zu erhöhten Kaliumspiegeln zeigen, steigt die Gefahr einer Hyperkaliämie [ 10 ]. Außerdem könnten basische Nahrungsergänzungsmittel eingenommen werden. Die enthalten aber oftmals ebenfalls größere Mengen Kalium und auch Kalzium. Neben einer Hyperkaliämie können basische Nahrungsergänzungen also eine Hyperkalzämie begünstigen. Ebenso ist eine langfristige Proteinreduktion bei niereninsuffizienten Patienten kritisch zu hinterfragen.
Bei einer so genannten ‚basischen‘ Ernährung oder der Einnahme basischer Nahrungsergänzungsmittel ist daher für Nierenkranke mit cmA besondere Vorsicht geboten [ 7 ]. Dies gilt auch für kalzium- und/oder kaliumhaltige Zitraträparate sowie derartige Nahrungsergänzungsmittel.
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Fazit
Eine langfristig angelegte Behandlung der metabolischen Azidose bei chronischer Niereninsuffizienz trägt effektiv zur Erhaltung der Nierenfunktion bei. Zur Therapie der chronischen metabolischen Azidose sollte eine orale Bikarbonatgabe gezielt gemäß den European Best Practice Guidelines verordnet werden. Die enormen Preisunterschiede der nicht durch Festbeträge regulierten magensaftresisteneten Azidosetherapeutika erfordern unbedingt einen Preisvergleich bei diesen Präparaten. Basische Nahrungsergänzungsmittel bergen zudem bei chronischer metabolischer Azidose erhebliche Risiken, zumal diese oft unkontrolliert eingenommen werden.
Dr. Herbert Stradtmann, Bad Wildungen
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Literatur
- 1 De Brito-Ashurst I et al. J Am Soc Nephrol 2009; 20: 2075-2084
- 2 Mahajan A et al. Kidney Int 2010; 78: 303-309
- 3 Disthabanchon S et al. Am J Nephrol 2010; 32: 549-556
- 4 Husted FC et al. Clin Nephrol 1977; 7: 21-25
- 5 Passfall J et al. Clin Nephrol 1997; 47: 92-98
- 6 Susantitaphong P et al. Am J Nephrol 2012; 35: 540-547
- 7 Fouque D et al. Nephrol Dial Transplant 2007; 22 (Suppl. 02) ii45-ii87
- 8 Goraya N et al. Kidney International 2012; 81: 86-93
- 9 Morris RC et al. J Am Coll Nutr 2006; 25: 262S-270S
- 10 Rose B, Post T. Clinical physiology of acid-base and electrolyte disorders. Mac-Graw-Hill medical publishing division 2001;
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Literatur
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- 5 Passfall J et al. Clin Nephrol 1997; 47: 92-98
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- 10 Rose B, Post T. Clinical physiology of acid-base and electrolyte disorders. Mac-Graw-Hill medical publishing division 2001;
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