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DOI: 10.1055/s-0033-1338141
Dem Diabetes davonlaufen
Publication History
Publication Date:
27 February 2013 (online)
Die Zahlen 10 000 und 1000 – welche Bedeutung haben sie wohl für den Diabetiker? Haben Sie sich schon einmal gefragt, wie viel der durchschnittliche Deutsche am Tag läuft? – es sind weniger als 2700 Schritte! Läuft jemand jedoch von seinem 25. Lebensjahr an 10 000 Schritte am Tag, dann kann er davon ausgehen, dass er keinen Diabetes bekommen wird. die Zahl 1000 ist noch um Einiges interessanter. Läuft man als Diabetiker 1000 Schritte zusätzlich zum normalen Bewegungsalltag, dann senkt das den postprandialen Blutzucker um 1,5 mmol. Überlegen wir uns doch mal, welche Diabetesmedikamente ähnlich effektiv sind. Metformin senkt den postprandialen Blutzucker um 1,3 mmol. Kann man also davon ausgehen, dass 1000 zusätzliche Schritte eine Tablette Metformin aufwiegen könnten? Das ist eine interessante Überlegung und bringt uns direkt dahin, wo Bewegung und Sport in der Diabetestherapie ein enorm effektives Instrument darstellen können. Stellen Sie sich vor, Krankenkassen würden Programme starten, bei denen jeder Versicherte – also auch der Diabetiker – 1 Euro pro 10 000 Schritte am Tag erhält. Verbunden mit einem Programm, was auch Ärzte darin unterstützt Schrittzähler zu verschreiben, könnte das eine effektive Maßnahme darstellen, um auf Bevölkerungsebene mehr Bewegung in den Alltag zu integrieren. Sicherlich wird sich nicht jeder davon angesprochen fühlen, aber man könnte eine breite Klientel von Versicherten und Risikopersonen erreichen. Wir müssen intensiver darüber nachdenken, wie wir im Sinne eines modernen Disease Management oder innovativen Chronic Care Management die Bewegung unserer Patienten mehr als therapieunterstützende Maßnahme oder sogar als therapeutische Maßnahme integrieren können. Bewegung hat eine Vielzahl pleiotroper Effekte, die für unsere Patienten mit einer Vielzahl pleiotroper Komorbiditäten einen enormen Nutzen darstellen können.
Daher beschäftigt sich das vorliegende Heft mit diesem Thema. Dieter Lagerstrøm stellt Ihnen M.O.B.I.L.I.S. als Schulungsprogramm, welches Bewegungstherapie und Lebensstilintervention für Patienten mit Adipositas und Diabetes zusammenfasst, vor. M.O.B.I.L.I.S. wird bereits an über 100 Standorten in Deutschland angeboten und richtet sich an stark übergewichtige Erwachsene. Die körperliche Aktivität steht im Fokus des 1-jährigen Gruppenprogramms, aber auch andere Aspekte werden behandelt. Die ersten Ergebnisse einer Evaluation mit über 5000 Probanden liegen vor und werden vorgestellt.
Wie bekommen wir aber den durchschnittlichen Deutschen, der im Schnitt weniger als 2700 Schritte am Tag läuft, dazu sich zu bewegen? Das Anfangen ist entscheidend und dann dran bleiben! Egal mit welchen Methoden, die Langfristigkeit ist entscheidend. Den Weg von der Couch Potato zum Sportfan beschreibt Petra Wagner. Sie stellt Interventionsmechanismen einer körperlich sportlichen Aktivierung dar und diskutiert, wie man dran bleiben kann, um das oben genannte Ziel zu erreichen.
Sport als Therapie? Wie sind die Erfahrungen eines Typ-1-Diabetikers? Michael Rosenbaum erzählt, wie er von der Diagnose Typ-1-Diabetes zunächst schockiert war und dennoch 2 Jahre nach der Diagnose erfolgreich einen Marathon mitläuft. Sicherlich ist so ein intensiver Sport nicht die Bewegungsmaßnahme für jeden, aber für den Einzelnen können solche Ziele genau das Richtige sein, um sich selbst zu zeigen, dass man sich auch als Diabetiker keineswegs sportlich einschränken muss.
Abschließend bleibt aber immer wieder die Frage, was nun wirklich empfehlenswert hinsichtlich körperlicher Aktivität ist. Es existieren viele Mythen und viele unterschiedliche Vorstellungen bis dahin, dass manchen Patienten gesagt wird, sie sollen sich möglichst wenig sportlich betätigen. Bei anderen Patienten wiederum werden vollkommen falsche Vorstellungen und Ziele gesetzt. Marika Schlimpert stellt vor, wie Ausdauertraining sinnvoll in der Diabetestherapie eingesetzt werden kann, welches Potenzial kurzfristig, aber auch langfristig für den Patienten besteht und wie das Risiko für Folge- und Begleiterkrankungen des Patienten gesenkt werden kann. Man könnte meinen „Sport frei!“ sei wichtig für den Diabetiker, aber das ist vielleicht übertrieben. Ein realistisches Ziel wäre, dass jeder Diabetiker täglich 10 000 Schritte läuft und damit etwas gegen seinen Diabetes und für seine Lebensqualität tut. Der eine oder andere kann damit vielleicht sogar seinem Diabetes davonlaufen. Damit stellt sich die Frage, ob diese Art der Bewegung nicht etwas für jeden von uns ist?
Ich wünsche Ihnen viel Spaß beim Lesen. Nehmen Sie sich doch einfach einmal einen Schrittzähler und schauen, wie viel Schritte Sie am Tag erreichen.
Viele herzliche Grüße Ihre Antje Bergmann und Peter Schwarz