Aktuelle Rheumatologie 2013; 38(04): 217
DOI: 10.1055/s-0033-1353153
Editorial
© Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

Interaktionen von Nervensystem und Immunsystem in der Rheumatologie

Interactions between Nervous and Immune Systems in Rheumatology
Prof.Dr.Christoph Baerwald
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Publikationsdatum:
22. August 2013 (online)

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Prof. Dr. Christoph Baerwald

In dem jetzt vorliegenden Themenheft wird auf die schon oft beschriebenen Zusammenhänge von psychischen Komorbiditäten, dem autonomen Nervensystem und dem Immunsystem eingegangen. Nachdem ja über Jahrzehnte hinweg das Immunsystem als ein autonomes, von anderen Körperfunktionen weitgehend unabhängiges Organ angesehen wurde, hat sich in den letzten Jahren dies doch dahingehend geändert, dass es sehr gute Studien darüber gibt wie z. B. Psyche oder auch autonomes Nervensystem mit dem Immunsystem interagieren und sich gegenseitig beeinflussen. Schon lange wurde von Klinikern vermutet, dass eine Depression bei Patienten mit rheumatoider Arthritis gehäuft vorkommt, hierzu hat Frau Kopp eine Übersicht in dem Artikel dieses Heftes angefertigt, in dem sie auch auf neuere pathogenetische Ansätze und Therapiemöglichkeiten eingeht. Auch die Systeme, die im Rahmen einer Stressantwort des Organismus aktiviert werden, spielen in der Pathogenese von chronisch autoimmun-entzündlichen Erkrankungen eine Rolle. In dem Übersichtsartikel von Pongratz et al. wird auf die Rolle der Hypothalamus-Hypophysen-Nebennierenrindenachse bei chronisch-entzündlichen Erkrankungen eingegangen. Darin wird zusätzlich noch auf die Störungen im Bereich der antientzündlich wirksamen Androgene eingegangen, die vor allem in der Nebenniere gebildet werden. Es wird in diesem Artikel sehr gut dargestellt, wie evolutionsbiologische Mechanismen bestimmte Entzündungsreaktionen im Körper selektioniert haben, was bei Autoimmunerkrankungen kontraproduktiv verlaufen kann.

In 2 weiteren Artikeln wird auf die Rolle des autonomen Nervensystems eingegangen. Malysheva et al. beleuchten die Rolle des autonomen Nervensystems bei der rheumatoiden Arthritis, in dem Effekte von sympathischem und parasympathischem Nervensystem auf Immunfunktionen dargestellt werden. Es wird über Fehlfunk­tionen des sympathischen Nervensystems bei Patienten mit rheumatoider Arthritis berichtet, sodass hier die Interaktion zwischen den Systemen gestört ist. Auf die vorwiegend lokalen Interak­tionen von Nervensystem und Immunsystem geht Schaible in seinem Artikel ein. Dabei spielt die Entstehung des Schmerzes eine wichtige Rolle, was durch verschiedene Zytokine induziert werden kann. So wird in dieser Übersichtsarbeit auf die Rolle von Zytokinen bei der Sensibilisierung des nozizeptiven Systems bei Arthritis eingegangen und dargelegt, dass unterschiedliche Zytokine schmerzverstärkend wirken, dies jedoch zum Teil auf sehr unterschiedliche Art und Weise vermitteln. Ausgehend von diesen pathophysiologischen Untersuchungen kann sehr gut zurückgeschlossen werden, dass eine Zytokinblockade auch sehr schnell und effektiv schmerzlindernd wirken kann.

Schließlich wird in dem Artikel von Hadamitzky et al. die in diesem Heft vielleicht provokanteste These vorgestellt. In dem Artikel wird nämlich sehr überzeugend dargestellt, dass das Immunsystem auch klassisch konditionierbar ist, ganz im Pawlow‘schen Sinne. Dies ist natürlich zum einen der elegante Beweis dafür, dass das Immunsystem kein autonomes Organsystem darstellt. Die Autoren geben auch erste Hinweise darauf, dass diese Konditionierung des Immunsystems nicht nur im Tierexperiment gelingt, sondern auch beim Menschen und sie geben erste Erklärungen dafür, warum eine Konditionierung des Immunsystems nützlich erscheint. Ob daraus jedoch ein therapeutischer Nutzen gezogen werden kann, ist derzeit noch Gegenstand von weiteren Untersuchungen.

Dieses Heft versucht also verschiedene Aspekte in der Modulation des Immunsystems, vor allem über das autonome Nervensystem und die hormonelle Stressachse darzustellen und gibt somit einen sehr guten Überblick über Gebiete in der Nachbarschaft der Rheumatologie, die jedoch mit autoimmunen Entzündungen sehr eng verbunden sind. Von daher wünsche ich dem geneigten Leser viel Vergnügen beim Lesen der Artikel.