Beeinflussen neue Erkenntnisse alte Muster in der Therapie des Typ-2-Diabetes? Diese und andere Fragen diskutierten Experten unter Leitung von Prof. Wolfgang E. Schmidt, Universitätsklinik Bochum und Prof. Andreas Pfeiffer, Charité Berlin und Deutsches Institut für Ernährungsforschung in Potsdam.
Die Verwendung des Begriffs "Epidemie" beim Typ-2-Diabetes rechtfertigt PD Wolfgang Rathmann, Düsseldorf, mit neuen Zahlen. Er verweist auch auf hohe regionale Unterschiede in der Prävalenz, zwischen 7 % (DEGS 1) bis über 11 % (GEMCAS) werden je nach Quelle genannt, bei einer hohen Dunkelziffer an nicht diagnostizierten Fällen. Generell kann man nach Rathmann von einer Nordost-Südwest-Tendenz sprechen, d. h. in den neuen Bundesländern ist die höchste, im Südwesten Deutschlands die niedrigste Prävalenz zu verzeichnen. Mit dem Alter steigt nicht nur das durchschnittliche Gewicht der Bevölkerung, es steigt auch die Diabetesprävalenz, und dabei nivelliert sich der Geschlechtsunterschied. Während in jüngeren Jahren Männer häufiger betroffen sind, gleicht sich dies mit zunehmendem Alter aus, etwa jeder 5. Mensch über 70 ist ein Patient mit Typ-2-Diabetes! Bundesweit verzeichnet man nach Rathmann rund 250 000 Neuerkrankungen im Jahr.
Die medikamentöse Therapie des Typ-2-Diabetes soll helfen, den Blutzuckerspiegel bei guter Verträglichkeit und unter Vermeidung von Komplikationen wie Hyper- oder Hypoglykämien und Gewichtszunahme auf möglichst normnahe Werte einzustellen. Hier kann beispielsweise die inkretinbasierte Therapie mit DPP-4-Hemmern (z. B. mit Xelevia® und Velmetia®) einen wichtigen Beitrag leisten, da diese praktisch nur bei Bedarf ihre Wirkung entfalten, deshalb keine Hypoglykämien verursachen und auch nicht zur Gewichtszunahme führen.
Neben den klassischen Wirkungen der Inkretine (GLP-1 und GIP) nennt Pfeiffer auch extrapankreatische Effekte, z. B. am Herzen (Kardioprotektion), im Gehirn (mögliche neuroprotektive Wirkungen) und Beeinflussung des Appetits über die Regulation des Hormons Ghrelin, die zunehmend in den Fokus des Interesses rücken. GLP-1-Rezeptoren sind mittlerweile nach Prof. Werner Kern (Endokrinologikum Ulm) auch im Hirnstamm, im Hypothalamus, Hippocampus und der Amygdala nachgewiesen. Morbus Alzheimer, Parkinson, Schlaganfall und Gedächtnisdefizite könnten Ansatzpunkte für einen möglichen Einsatz einer inkretinbasierten Therapie sein. Das Potenzial dieser Therapie ist also noch lange nicht ausreichend untersucht.
Günther Buck, Weilheim
Quelle: Symposium "Typ-2-Diabetes: Individuelle Therapie in Zeiten einer "Epidemie" – Beeinflussen neue Erkenntnisse alte Muster?" am 8. Mai 2013 im Rahmen der 48. Jahrestagung der Deutschen Diabetes Gesellschaft in Leipzig. Veranstalter: Berlin Chemie