PPH 2013; 19(05): 276-277
DOI: 10.1055/s-0033-1356779
DFPP-Mitteilungen
Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

Deutsche Fachgesellschaft Psychiatrische Pflege

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Ruth C. Ahrens
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Publikationsdatum:
24. September 2013 (online)

Pflegefachleute denken voraus – und engagieren sich

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Ruth C. Ahrens, Präsidentin der Deutschen Fachgesellschaft für Psychiatrische Pflege

Die Psychiatrische Pflege steht unter einem enormen Erwartungsdruck im Hinblick auf die anstehenden Veränderungen. Hinter den „Kulissen“ der Gesundheitsversorgung finden Veränderungen statt, auf welche die Pflegenden geschlossen reagieren müssen, um der Pflege jetzt und künftig einen Platz in der Gesundheitslandschaft zu sichern. Die Veränderungen im Abrechnungssystem sind nur ein Beispiel dafür. Obwohl der Wandel der Versorgungsstrukturen stellenweise noch nicht wahrnehmbar ist – und wir ein mögliches neues System der Versorgung noch nicht kennen – kennen wir doch die Themen, die künftig ein größeres Gewicht einnehmen werden.

Neue Denkansätze ändern unsere Arbeit grundlegend (Salutogenese, Recovery, Empowerment, der Wille zum Sinn etc.). Im Augenblick findet der bedeutendste Wandel wohl in diesem Bereich statt – wir verlassen uns weniger auf pathogenetische Konzepte, weil uns diese keine Lösungen bieten. Es wird künftig eher um Wohlbefinden statt um Krankheit gehen. Die Sichtweise der Zukunft ist mehr auf individuelles Wohlbefinden ausgerichtet, unabhängig vom Vorhandensein von Symptomen. Daher ist es pflegerisch von Bedeutung, heraus zu finden, was eigentlich zum Wohlbefinden von Betroffenen beiträgt.

Statt system-zentriert, werden wir künftig mehr person-zentriert denken. Wichtig werden auch vermehrt Behandlungsformen sein, die nicht die Abläufe in Kliniken in den Mittelpunkt stellen, sondern sich an den tatsächlichen Bedarfen der Betroffenen orientieren. Es ist zum Beispiel von großer Bedeutung, dass Betroffene befähigt werden, ihre eigenen Behandlungspläne mit zu entwickeln. Es wird künftig eine stärkere Rolle spielen, Menschen in ihrer eigenen Umgebung, gemäß ihrer persönlichen Bedürfnisse, Stärken und Hoffnungen, zu unterstützen. Das Behandlungsziel umfasst die soziale Inklusion in der Gemeinde, welche sowohl die Behandlung als auch das Wohnen, Arbeiten und die Freizeitmöglichkeiten einschließt. Psychiatrische Dienste werden künftig vermehrt in die Mainstream-Gesundheitsversorgung (Praxisgemeinschaften, Ärztehäuser etc.) integriert werden müssen und Pflegende werden einen Teil dieser Versorgung leisten.

Vermehrte Beachtung wird Themen, wie Patientensicherheit, Selbstbestimmung und Kosteneffektivität, geschenkt werden. Pflegende werden auch eine Rolle bei der De-Institutionalisierung spielen. Qualitätssicherung und die verbesserte Beteiligung der Betroffenen bei Planung, Entscheidungsfindung und Evaluation der Unterbringung (Stichwort: Hotelleistung) sind hier pflegerische Zukunftsaufgaben. Dazu gehört auch, die Haltung der Bevölkerung dahingehend zu unterstützen, dass das Not-In-My-Backyard (NIMB)-Syndrom angegangen wird. Dies und die Anti-Stigma-Kontrolle spielen eine bedeutende Rolle, zum Beispiel bei der De-Institutionalisierung von Menschen mit seelischen Störungen.

Ferner gilt es, die Komplexität seelischer Gesundheit zu erfassen und spezifische Angebote zu formulieren. Seelische Gesundheit ist an viele relevante Sektoren der Gesellschaft gebunden. Zum Beispiel beeinflussen Raum- und Stadtplanung die seelische Gesundheit. Der Bildungssektor ist von immenser Bedeutung, um seelische Gesundheit zu verbessern. Stress am Arbeitsplatz beeinflusst die psychische Gesundheit und so weiter. Hier ist für die Pflege ein großer Raum, Einfluss auf die seelische Gesundheit der Bevölkerung zu nehmen, indem Gesundheitsförderung und Prävention als pflegerische Handlungsfelder erkannt und genutzt werden.

Ungleichheiten und Stigmatisierungen zu thematisieren und zu beseitigen, ist ein wichtiges Betätigungsfeld. Ungleichheiten werden sehr schnell deutlich, wenn man sich zum Beispiel die Verteilungsgerechtigkeit anschaut. Zum Beispiel ist die ambulante psychiatrische Pflege bundeslandabhängig so unterschiedlich geregelt, dass man in einigen Bundesländern eigentlich gar nicht von Pflege sprechen dürfte, da die getakteten Zeiteinheiten teilweise nur zum Ausgeben von Medikamenten reichen, oft ist die Stundenzahl begrenzt.

Das Angebot ambulanter psychiatrischer Pflege steht nicht allen psychisch Kranken zur Verfügung. Das liegt daran, weil die Zugangsregelungen von so vielen Interessengruppen (Kostenträger, Ländergesetzgebung, Gemeinsamer Bundesausschuss etc.) gestaltet worden sind, dass sie sehr heterogen ausfallen. Einen flächendeckenden Zugang haben nur die Bewohner von Bremen und Niedersachsen, in allen anderen Bundesländern haben die Betroffenen kaum Zugang zu ambulanter Pflege, weil es dort kaum oder gar keine psychiatrischen Pflegedienste gibt.

Absolut kritisch zu sehen ist auch, dass die durch den Gemeinsamen Bundesausschuss bearbeiteten Richtlinien, für die ambulante Pflege infrage kommenden Gruppen, diskriminierend vorgehen, so sind Menschen mit Suchterkrankungen oder Persönlichkeitsstörungen von vornherein zu diesem Angebot nicht zugelassen. Ein ambulantes Angebot dürfte nicht einer diskriminierenden Richtlinie überlassen werden. Erfolgreiche Anti-Stigma-Programme basieren auf sozialen Kontakten, Information der Öffentlichkeit und Protest gegen Diskriminierungen. Hier sind psychiatrische Pflegefachleute gefragt, die künftigen Entwicklungen zu erkennen und sich zu engagieren, um den Wandel effektiv zu begleiten.

Eine Möglichkeit, dies zu tun, ist, sich in einer der Arbeitsgruppen der DFPP zu beteiligen.

DFPP: Aktuelle Mitteilungen
  • Mitgliedschaft im Dachverband deutschsprachiger Psychosenpsychotherapie e. V. (DDPP): Die DDPP (www.ddpp.eu) ist ein Zusammenschluss von Psychiatern, Psychotherapeuten und anderen psychotherapeutisch qualifizierten Berufsgruppen. Sie will der psychotherapeutischen Behandlung von psychotisch erkrankten Menschen einen wesentlichen Stellenwert verschaffen. Die DFPP trägt die Ziele der DDPP mit und ist seit Sommer 2013 Mitglied in der DDPP.

  • Mitwirkung an der Aktualisierung der S3-Leitlinie Schizophrenie der DGPPN: Die DGPPN aktualisiert die „Behandlungsleitlinie Schizophrenie“ von 2006 (www.dgppn.de/publikationen/leitlinien/leitlinien0.html). Die DFPP wird – vertreten unter anderem durch Professor Michael Schulz – für die Psychiatrische Pflege an der neuen Version dieser S3-Praxisleitlinie mitarbeiten.

  • DFPP-Preis: Die DFPP möchte einmal jährlich Menschen für ihren außergewöhnlichen Einsatz für die Psychiatrische Pflege und in der Psychiatrischen Pflege mit einem Preis ehren. Über die Regularien wird in Kürze entschieden und informiert.

  • Das „Netzwerk Entgelt“ von DFPP und BFLK bittet um Einreichung von Veränderungsvorschlägen für den OPS-Katalog 2015. Vorschläge müssen bis 13. Oktober 2013 per E-Mail an michael.loehr@wkp-lwl.org gesendet werden, damit sie in der Konsensuskonferenz am 13. November 2013 konsentiert werden können. Nähere Infos unter www.dfpp.de/index.php/aktuelles.

DFPP-Organe

DFPP-Präsidium

Das Präsidium dient dazu, die fachlich-inhaltliche Arbeit der DFPP zu koordinieren und den Vorstand bei seiner Arbeit aktiv zu unterstützen und zu beraten. Umfang, Aufgaben und Struktur des erweiterten Präsidiums werden per Beschluss der Mitgliederversammlung festgelegt. Die Präsidiumsmitglieder kommunizieren über E-Mail und tagen mindestens einmal jährlich.

Zum Präsidium gehören neben dem Vorstand:

  • die Sprecher der DFPP-Arbeitsgruppen,

  • Vertreter der assoziierten Verbände,

  • Einzelpersonen mit besonderen Aufgaben.

Aktuell wirken mit: Stephan Bögershausen, Friedrich Eydam, Volker Haßlinger, Katrin Herder, Johannes Kirchhof, Regine Kuck, Michael Löhr, Dorothea Sauter, Cornelia Schindler, Hilde Schädle-Deininger, Dr. Susanne Schoppmann, Professor Michael Schulz und Katrin Thissen.

Arbeitsgruppen der DFPP

Derzeit gibt es sieben verschiedene Arbeitsgruppen der DFPP:

  • AG State of the Art

  • AG Psychiatrische Pflege im ambulant-komplementären Bereich

  • AG Entgelt

  • AG Suizidalität

  • AG Rekrutierung von Pflegenachwuchs

  • AG Psychiatrische Pflegeexperten

  • AG Dreiländerkongress „Pflege in der Psychiatrie“

Alle AGs freuen sich über Menschen, die sich aktiv einbringen wollen. Um mitzuarbeiten, muss man kein Mitglied der DFPP sein, aber sich online über die Homepage (www.dfpp.de) registrieren.

(In loser Reihenfolge wird an dieser Stelle aus den Arbeitsgruppen berichtet.)

Berichte aus den Arbeitsgruppen

Die AG Suizidalität

Schon in der Gründungssitzung der DFPP haben sich die Anwesenden auf eine Arbeitsgruppe zum Thema Suizidalität verständigt. Der DFPP ist wichtig, dass die Pflege bei diesem Thema ihre Verantwortung und ihren Handlungsraum wahrnimmt und wahrnehmen darf. Unter der Moderation des Sprechers Michael Löhr entschied sich die AG zunächst, folgende Schwerpunkte aufzugreifen:

  • Durchführung einer Befragung von Pflegenden zum Thema Suizidalitätseinschätzung;

  • Zusammenarbeit mit relevanten Verbänden (zum Beispiel Referat Suizidalität der DGPPN);

  • Entwicklung von Rahmenempfehlungen/Leitlinien zum pflegerischen Umgang mit Suizidalität.

Zu Beginn des Jahres wurde über einen Aufruf in einigen Fachzeitschriften und über die Homepage um neue Mitwirkende in der AG Suizidalität geworben. Parallel konnte über Bernd Kozel aus Bern eine Zusammenarbeit mit der Akademischen Fachgesellschaft Psychiatrische Pflege des Schweizerischen Vereins für Pflegewissenschaft verabredet werden.

Beim ganztägigen Arbeitstreffen am 18. Juni 2013 in Mannheim sind 18 Pflegende erschienen, die sich aktiv einbringen wollen. In der konstruktiven Sitzung wurde die Planung der Befragung konkretisiert und das Prozedere für die Entwicklung von Leitlinien geklärt. Der Begriff „Leitlinie“ ist bewusst gesetzt, man will (im Gegensatz zu einfachen Praxisempfehlungen) die in Fachgesellschaften üblichen Vorgehensweisen und Standards einhalten:

  • Mit einer sorgsamen Literaturrecherche wird geprüft, welche Leitlinien und welche Evidenz es für den Umgang mit Suizidalität gibt.

  • Wir suchen die Zusammenarbeit mit Unis, Fachhochschulen oder Forschungszentren.

  • Experten und Fachverbände werden zu gegebener Zeit einbezogen.

  • Die Leitlinie wird vor einer Verabschiedung in einem öffentlichen Verfahren konsentiert.

Eine Steuerungsgruppe (benannt wurden Brigitte Anderl-Doliwa, Bernd Kozel, Dorothea Sauter, Matthias Welberts und Michael Löhr) soll dieses umfängliche Projekt koordinieren. Weitere Mitgestalter sind in der AG jederzeit willkommen.

Dorothea Sauter