Zusammenfassung
Die Lebersche hereditäre Optikusneuropathie ist eine seltene erbliche Erkrankung der retinalen
Ganglienzellen und führt innerhalb von Wochen oder Monaten zu einer meist anhaltenden
hochgradigen beidseitigen Visusminderung. Männer erkranken sehr viel häufiger als Frauen, das
Erkrankungsalter liegt meist zwischen dem 15. und 35. Lebensjahr. Ursächlich sind
Punktmutationen der mitochondrialen DNA. Bei der Erkrankung liegt eine unvollständige Penetranz
vor, d. h. es erkranken keineswegs alle Personen, die eine Mutation tragen. Das klinische
Erscheinungsbild ist relativ uniform, Erkrankungsbeginn, Schweregrad und Prognose können aber
auch innerhalb einer Familie variabel sein. Als Erklärung für die unvollständige Penetranz, die
Bevorzugung des männlichen Geschlechts und die interindividuelle und intrafamiliäre Variabilität
werden Umweltfaktoren sowie hormonelle und anatomische Besonderheiten diskutiert.
Zigarettenrauchen und übermäßiger Alkoholkonsum konnten in einer großen epidemiologischen Studie
als Risikofaktoren für ein erhöhtes Erkrankungsrisiko identifiziert werden. Daneben gibt es
Hinweise, dass sekundäre genetische Faktoren wie das Vorliegen einer bestimmten mitochondrialen
Haplogruppe und Veränderungen in Suszeptibilitätsgenen der nukleären DNA das Erkrankungsrisiko
mitbeeinflussen. Klinisch findet sich bei der Erkrankung charakteristischerweise ein zentraler
Gesichtsfeldausfall, eine Farbsinnstörung und fundoskopisch in der akuten Phase in den meisten
Fällen eine peripapilläre Mikroangiopathie. Üblicherweise pendelt sich die Sehschärfe nach
einigen Monaten auf einem niedrigen Niveau meist um einen durchschnittlichen Endvisus unter 0,1
ein und bessert sich in den meisten Fällen nicht mehr signifikant. Selten kann es jedoch im
Verlauf zu einer meist nur partiellen Erholung des Visus kommen, wobei die Wahrscheinlichkeit
dieses günstigen Verlaufs von der vorliegenden Mutation abhängt. Zur Diagnosestellung
erforderlich ist neben ophthalmologischen Untersuchungen und der Erhebung einer ausführlichen
Familienanamnese eine genetische Untersuchung der mitochondrialen DNA. Eine gesicherte kausale
Therapie existiert bislang nicht, eine Therapieoption in der Frühphase der Erkrankung stellt die
Gabe des Coenzym Q10-Abkömmlings Idebenone dar.
Abstract
Leberʼs hereditary optic neuropathy is a rare genetic disorder affecting the retinal ganglion
cells leading to a persistent severe bilateral loss of visual acuity within weeks or months.
Males are much more likely to be affected than females, disease onset in most cases takes place
between age 15 and 35 years. The disease is caused by point mutations in the mitochondrial DNA.
The penetrance of the disease is incomplete, i.e., not all mutation carriers develop clinical
symptoms. The phenotype is relatively uniform, but age at onset, severity and prognosis may vary
even within the same family. Environmental and endocrine factors, optic disc anatomy as well as
mitochondrial and nuclear genetic factors are discussed to influence penetrance as well as
interindividual and intrafamilial variability. However, only cigarette smoking and excessive
alcohol consumption have been shown to trigger disease onset. The disease is characterised by a
central visual field defect, impaired colour vision and fundoscopically a peripapillary
microangiopathy in the acute phase. Most patients end up after some months with a severe visual
loss below 0.1 and in most cases there is no significant improvement of visual acuity in the
course. In rare cases patients experience a mostly partial visual recovery which depends on the
type of mutation. For confirmation of the diagnosis a detailed ophthalmological examination with
fundoscopy, family history and genetic analysis of the mitochondrial DNA is needed. To date,
there is no proven causal therapy, but at early disease stages treatment with idebenone can be
tried.
Schlüsselwörter
Genetik - Lebersche hereditäre Optikus-Neuropathie - LHON - mitochondriale Erkrankung
Key words
Genetics - Leberʼs hereditary optic neuropathy - LHON - mitochondrial disease