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DOI: 10.1055/s-0033-1362098
Rezension – Patient Blood Management – Individuelles Behandlungskonzept zur Reduktion und Vermeidung von Anämie und Blutverlust sowie zum rationalen Einsatz von Blutprodukten
Publication History
Publication Date:
28 November 2013 (online)
Die knappe Ressource des Arzneimittelrohstoffs Blut, aufwendige Präparationstechnologien zur Herstellung von Blutkomponentenkonserven, medizinischer Fortschritt, zumal in den chirurgischen Disziplinen, und demografische Entwicklung („ausgedehnte Eingriffe bei immer älter werdenden Patienten“) verlangen ebenso wie ökonomische Zwänge nach stringenten Konzepten und überzeugenden Lösungen. Unter dem Titel „Patient Blood Management“, der griffiger ist als die sperrige Erklärung im Untertitel, legt das Herausgebertrio aus Linz, Zürich und Frankfurt nun ein deutschsprachiges Buch vor, das dem Kliniker kompaktes Hintergrundwissen und praktikable Lösungen zur differenzierten Hämotherapie unter dem Grundsatz „so viel wie nötig, so wenig wie möglich“ vermittelt. Patient Blood Management (PBM) ist ein patientenzentriertes, multidisziplinäres, klinisches Konzept. Auch wenn die Herausgeber- und Autorenliste anästhesiologisch dominiert ist, bleibt der originär interdisziplinäre Ansatz des PBM-Konzepts gewahrt.
Ausführlich werden die 3 Säulen des PBM, nämlich (1) Optimierung des Erythrozytenvolumens,(2) Minimierung von Blutung und Blutverlust und (3) Erhöhung und Ausschöpfung der Anämietoleranz erläutert. Zugleich werden Handlungs-direktiven zur praktischen patientenbezogenen Umsetzung vermittelt. Die Ausführungen beschränken sich nicht auf eine systematische Erörterung des Wissensstands, sondern, ebenso wichtig, zeigen Lücken auf und nehmen Stellung zum Stand unseres Unwissens. Verdienstvoll ist, dass die Autoren auch einen Blick in die Zukunft wagen unter der Frage: Wie kann das PBM – über die Hämotherapie mit Erythrozytenkonzentraten bei elektivchirurgischen Eingriffen hinaus – künftig in anderen Bereichen erfolgreich eingesetzt werden?
Im einzelnen werden prozedurale, diagnostische und therapeutische Aspekte in gelungen kompakter, zugleich gut lesbarer Form vor dem Hintergrund aktueller und perspektivischer Probleme der Hämotherapie dargestellt. Hierbei werden neben bekannten infektiösen Risiken auch negative immunmodulatorische Effekte und transfusionsassoziierte Proteinopathien (Varianten der Creutzfed-Jakob-Krankheit) erläutert. Zugleich wird auf die demografische Entwicklung in Westeuropa (Überalterung der Bevölkerung, überproportionaler Anstieg der Patienten > 60 Jahre, Abnahme des Anteils jüngerer Spendefreiwilliger bei rückläufiger Gesamtbevölkerung) eingegangen. Hier zeichnen sich Versorgungsdefizite für die Hämotherapie ab, die zum „Umdenken“ und zur „Neuorientierung“ mit konkreten innovativen Konzepten, eben dem Blood Management zwingen. Das Kapitel „Optimierung des Erythrozytenvolumens“ (1. Säule des PBM) bietet hierzu ein gelungenes Beispiel. Durch Behandlung präoperativ bestehender Anämien wird eine konzeptionelle Grundlage zur Vermeidung perioperativer Erythrozytentransfusionen geschaffen. Dazu wird die Differentialdiagnostik und Differentialtherapie „Anämie“ systematisch und praktisch umsetzbar entwickelt, so dass sich die Indikation zur unverzichtbaren Transfusion von Erythrozytenkonzentraten auf ein Minimum einschränken lässt. Die Erläuterungen zum Eisenstoffwechsel werden durch vorzügliche Abbildungen illustriert. Als Hämatologe hätte man sich freilich gewünscht, dass die neuen Retikulozyten-Indices stärker berücksichtigt werden. Diese Parameter können zur Differenzierung zwischen erythrozytären Bildungs- und Umsatzstörungen beitragen und Aussagen zum funktionellen Eisenmangel erlauben.
Als weiteres Beispiel eines konzeptionellen „Umdenkens“ in der Hämotherapie sei die „Schlüsselrolle von Benchmarking-Prozessen“ beim Blood Management genannt. Die Autoren erläutern grundsätzliche Prinzipien und zeigen an einer Reihe von Kriterien, wie Benchmarking als systematische Methode eingesetzt werden kann, um „voneinander zu lernen“ – ein Potential, das in der Vergangenheit vernachlässigt wurde, das aber gerade zur Steuerung praktischer Abläufe beim PBM mit direkten Auswirkungen auf Effizienz und Wirtschaftlichkeit der Hämotherapie nicht unterschätzt werden sollte.
Dem Buch ist weite Verbreitung und eine multidisziplinäre Leserschaft zu wünschen, die, ob nun mit unmittelbar patientenbezogenem oder eher gesundheitsökonomischem Blick auf das PBM, in jedem Fall von der Lektüre profitieren wird. Nicht zuletzt ist ein Impuls für eine Weiterentwicklung und eine auch unter gesundheitspolitischen Aspekten geführte Diskussion des PBM wünschenswert. Das in Australien erfolgreich praktizierte PBM könnte, weit mehr als die DRG-Einführung, als Vorbild dienen.
Univ.-Prof. Dr. med. Rüdiger E. Scharf und
Dr. med. Till Hoffmann, Düsseldorf