RSS-Feed abonnieren
DOI: 10.1055/s-0034-1365486
Dresdner Dermatologische Demonstration 2014 – zugleich Tagung der Sächsischen Dermatologischen Gesellschaft am 15. März 2014[*]
Congress Report Dresden Dermatology Demonstration 2014 – Meeting of the Saxonian Society of Dermatology March 15, 2014Korrespondenzadresse
Publikationsverlauf
Publikationsdatum:
06. Mai 2014 (online)
- Sézary-Syndrom
- Tuberöse Sklerose
- Alport-Syndrom
- Papillon-Lefèvre-Syndrom mit perioraler Fistulation
- Ulcus cruris arteriosum, PTA (perkutane transluminale Angioplastie) und Operation
- Druckulzerationen des rechten Sprunggelenks bei dislozierter Plattenosteosynthese
- MALT-Lymphom der Haut
- Merkelzellkarzinom und GIST
Sézary-Syndrom
D. Langner, U. Wollina
Anamnese: Ein 78-jähriger Patient stellte sich nach mehrfachen stationären Aufenthalten unter der Diagnose eines generalisierten atopischen Ekzems mit rascher Rückfallneigung erneut vor. Anamnestisch wurden mehrfach Hautbiopsien entnommen, um ein kutanes T-Zell-Lymphom auszuschließen.
Hautbefund: Es fanden sich generalisierte, lichenoide und ekzematisierte Hautveränderungen im Sinne einer Präerythrodermie mit Pruritus. Es bestanden deutliche Infiltrate der Gesichtshaut mit Facies leontina-artigem Aspekt ([Abb. 1]). Inguinal lag eine massive Lymphadenopathie vor. Palmoplantar fanden sich flächige Hyperkeratosen.
Abb. 1 Sézary-Syndrom. a Facies leontina-artige Infiltrate; b palmare Hyperkeratosen.
Histologie: Es fand sich eine epidermotrope, diffuse, dichte, bandförmige Infiltration kleiner Lymphozyten mit der Ausbildung Pautrierscher Mikroabszesse unter Beteiligung von wenigen eosinophilen Granulozyten ([Abb. 2]). In der Immunhistologie exprimierten die Lymphozyten CD3, CD4 und CD5.
Laborbefunde: Deutlicher Anteil peripherer Sézary-Zellen im Blut ([Tab. 1]).
Leukozyten in Gpt/l |
Sézaryzellen in % |
|
Initial |
20 |
6 |
PUVA |
27 |
19 |
Bexaroten |
32 |
44 |
ECP |
17 |
13 |
Therapie und Verlauf: Initial erfolgte die Behandlung mit topischen Steroiden und Bade-PUVA. Wegen Progress wurde die orale Bexaroten-Therapie unter prophylaktischer Gabe von Fenofobrat (Lipidil®) und Levothyroxin (L-Thyroxin®) eingeleitet, quasi als Re-PUVA. Bei weiterem Progress erfolgte die extrakorporale Photopherese an zwei aufeinander folgenden Tagen 2 × wöchentlich. Nach 3 Wochen zeigte sich zwar ein deutlicher Rückgang der Sézary-Zellen ([Tab. 1]), doch es kam zu einer Streptokokkensepsis. Der Patient wurde intensiv-pflichtig und erholte sich nur sehr langsam. Mit Patienten und Angehörigen wurde die Hospiz-Behandlung eingeleitet, da andere Alternativen der aktiven Therapie ausschieden.
Kommentar: In Zusammenschau der erhobenen Befunde konnte die Diagnose eines Sézary-Syndroms mit rasch progredientem und letztlich letalem Verlauf gestellt werden. Die Diagnose basiert auf dem Nachweis einer
-
Erythrodermie mit Pruritus und Lymphadenopathie,
-
dem Nachweis von Sézary-Zellen (zerebriformer Kern) im Blut mit einer
-
Sézary-Zellzahl von > 1000/µl, einer CD4-/CD8-Ratio größer 10 und einem Klonalitätsnachweis in der im Blut zirkulierenden Population der T-Lymphozyten.
Gerade in den frühen Stadien ist eine zweifelsfreie Differenzierung von den Ekzemerkrankungen nicht immer möglich. Rebiopsien sind aus diesem Grunde unverzichtbar.
Trotz einer eskalierten, befundadaptierten Behandlung [1] war die Abwehrlage des Patienten derart geschwächt, dass sich Prognose-verschlechternd eine Sepsis einstellte.
#
Literatur
1 Wollina U. Cutaneous T-cell lymphoma – an update on treatment. Int J Dermatol 2012; 51: 1019 – 1036
#
#
Tuberöse Sklerose
C. Krönert, G. Scheibner
Anamnese: Es stellte sich eine 51-jährige Patientin mit seit dem frühen Erwachsenenalter bestehenden, ästhetisch störenden, schmetterlingsförmig über der Nase angeordneten Knötchen vor. Diese sollten ambulant mittels Laserablation behandelt werden. Zuvor wurde am Nasenabhang rechts eine Hautprobe entnommen. Überraschenderweise stellte sich histologisch ein Basalzellkarzinom dar. Zur Nachexzision wurde die Patientin in unserer Klinik vorgestellt.
Allgemeinbefund: Im Unterbauch ließ sich eine mindestens 5 cm große, derbe Resistenz palpieren (bekannte Uterusmyome).
Hautbefund: An der Nase mit Übergang auf die Wangen zeigten sich in symmetrischer Anordnung verteilte, bis 3 mm große, glatte, gelblich-weißliche, derbe Knötchen ([Abb. 3]). Auf der Rückseite des linken Oberschenkels fiel ein seit der Kindheit bestehender, 7 × 3 cm großer, eschenblattartiger, hypopigmentierter Fleck auf. An der Mundschleimhaut, Gingiva und den Nägeln bestanden keine pathologischen Veränderungen.
Histologie: Ein Nachexzisat und 5 Stanzbiopsien mit Nachweis kutaner Lichtschädigung, chronischer Perifollikulitis, subepidermaler narbiger Fibrose, kein Nachweis eines Basalzellkarzinoms.
Laborbefunde: Die laborchemische Routinediagnostik war unauffällig.
Therapie und Verlauf: Im Bereich der Biopsienarbe waren makroskopisch keine Basalzellkarzinomstrukturen sichtbar. Wir führten eine Nachexzision und ein Tumormapping durch. Residuen des voroperierten Karzinoms konnten nicht verifiziert werden.
Kommentar: Bei Aufnahme offenbarte sich auf den ersten Blick der seltene, aber charakteristische Hautbefund eines sogenannten Adenoma sebaceum. Die sich daraufhin ergebenden Fragen nach neurologischen Symptomen einschließlich einer bestehenden Epilepsie und einer positiven Familienanamnese wurden von der Patientin verneint. Eine kognitive Einschränkung konnte ausgeschlossen werden. Anamnestisch wegweisend waren ein rezidivierender Pneumothorax sowie unklare Tumoren im Retroperitoneum und an der rechten Niere. Die histologische Analyse ergab Angioleiomyolipome des Retroperitoneums und der rechten Niere sowie eine pulmonale Lymphangioleiomyomatose (LAM). Diese ermöglichen in Zusammenschau mit dem vorliegenden Hautbefund die Einordnung in das Krankheitsbild der tuberösen Sklerose ([Tab. 2]).
Die tuberöse Sklerose (TSC; Bourneville-Pringle-Syndrom), ist mit einer Inzidenz von 1 : 10 000 eine recht häufige Phakomatose. Durch Mutationen in den Genloci der Chromosomen 9q34 (TSC1) und 16p13.3 (TSC2) kann es zu Störungen der für die Tumorsuppression wichtigen Komplexbildung der Proteine Hamartin (TSC1) und Tuberin (TSC2) und somit zur Ausbildung von Hamartomen mit Entartungsneigung in verschiedenen Organen kommen. Ursache ist die resultierende Hyperaktivität des zentralen Signalweges „mammalian target of rapamycin“ mTOR [1]. Dieser Mechanismus wurde auch bei der Entstehung von Basalzellkarzinomen diskutiert [1]. Prognostisch entscheidend ist jedoch das Vorkommen zerebral gelegener kortikaler Tubera, subependymaler Knoten und Riesenzellastrozytome, die für epileptische Anfälle und die unterschiedlichen Grade der mentalen Retardierung verantwortlich sein können. Mesenchymale Neoplasien, die sog. PECome (perivaskuläre Epitheloidzelltumoren), zu denen renale Angiomyolipome und die pulmonale LAM gehören, können lange Zeit symptomlos bleiben, bevor sie durch verdrängendes oder infiltratives Wachstum zur Organinsuffizienz führen können [2]. Umso wichtiger ist eine frühzeitige Erkennung dieser Systemerkrankung, die den Patienten neue Therapieoptionen, wie mTOR-Kinase-Hemmer Rapamycin und Everolimus eröffnen kann [3]. An dieser Stelle ist der Dermatologe von zentraler Bedeutung. Erkennt er die entsprechenden Hautsymptome, kann die Diagnostik in die richtige Richtung gelenkt werden.
#
Literatur
1 Wong M. Mammalian target of rapamycin (mTOR) pathways in neurological diseases. Biomed J 2013; 36: 40 – 50
2 Jülich K, Sahin M. Mechanism-based treatment in tuberous sclerosis complex. Pediatr Neurol 2013; 50: 290 – 296
3 Krueger DA, Care MM, Holland K, Agricola K, Tudor C, Mangeshkar P et al. Everolimus for subependymal giant-cell astrocytomas in Tuberous Sclerosis. N Engl J Med 2010; 363: 1801 – 1811
4 Chang JY, Wang KF, Fang CL, Chen WY. Fibrous papule of the face, similar to tuberous sclerosis complex-associated angiofibroma, shows activation of the mammalian target of rapamycin pathway: evidence for a novel therapeutic strategy? PLoS One 2014; 9: e89467
#
#
Alport-Syndrom
C. Krönert, S. Großmann, J. Schönlebe
Anamnese: Seit ca. einem Jahr bemerkte der 51-jährige Patient einen wachsenden Knoten am Hals links. Initial wurde dieser als Warze lokal behandelt. Doch als es zu einer Befundverschlechterung mit Ulzeration kam, suchte der Patient einen Dermatologen auf. Dieser entnahm unter der Verdachtsdiagnose Plattenepithelkarzinom eine Hautprobe, die letztere bestätigte. Der Patient wurde uns zur Nachexzision und zum Tumorstaging zugewiesen.
Allgemeinbefund: Sehschwäche, Schwerhörigkeit. Narben nach Nierentransplantationen.
Hautbefund: Am Hals links fand sich ein 25 × 12 mm großer, derber, hautfarbener Tumor mit zentraler Kruste.
Histologie: Befund eines zumindest partiell keratoakanthomartig endophytisch gewachsenen, mäßig differenzierten verhornten Plattenepithelkarzinoms (M 8071/3, pT1, G2) mit herdförmigen Akantholysen, Tumorinfiltration bis an die Korium-/Subkutisgrenze sowie herdbetont mitteldichter, rundzellig entzündlicher Begleitreaktion. Exzision im Gesunden.
In-situ-Hybridisierung für die HPV-Typen 6, 11, 16, 18, 31, 33, 35, 39, 45, 51, 52, 56, 58, 59, 66, 68 und 82 (Sonde ZytoFast HPV Screening-Probe, ZytoVision, Bremerhaven): In den Tumorzellen zeigt sich ein schwaches Signal für einzelne der o. g. HPV-Typen. Da die Stromazellen ebenfalls ein positives Signal aufweisen, war die Reaktion jedoch nicht auswertbar.
Laborbefunde: Erhöht waren Kreatinin 173 µmol/l, Harnstoff 13 mmol/l; erniedrigt GFR 39 und Hb 7,3 mmol/l.
Bildgebende Diagnostik: Halssonografie: Unauffälliger HNO-Sonografiebefund. Insbesondere kein Anhalt auf eine zervikale Raumforderung oder Metastasen.
Therapie und Verlauf: Aufgrund des histologischen Vorbefundes erfolgte eine mikrografisch kontrollierte Tumorexzision mit 5 mm Sicherheitsabstand in Lokalanästhesie. Das Tumorstaging ergab keinen Anhalt für eine Metastasierung des Tumors.
Diagnose: Plattenepithelkarzinom der Haut (pT1N0M0, G2) bei Alport-Syndrom.
Kommentar: In der Praxis begegnen dem Dermatologen Plattenepithelkarzinome (PEK) in erster Linie bei betagten Patienten in lichtgeschädigter Haut. Für ihre Entstehung werden neben einer langjährigen UV-Exposition chronische Entzündungen, Narben, radioaktive Strahlung, Arsen sowie Immunsuppressiva als Risikofaktoren genannt. Bei karzinomverdächtigen Hautveränderungen bei jüngeren Patienten sollte nach Autoimmunerkrankungen, Organtransplantationen und immunsuppressiver Therapie (IST) gefragt werden. Unser Patient gehört zur Risikogruppe. Im Alter von 25 Jahren wurde eine progrediente Niereninsuffizienz diagnostiziert, die eine Dialyse erforderlich machte. Zu diesem Zeitpunkt bestanden bereits eine ausgeprägte Schwerhörigkeit und eine Sehschwäche. Es folgten 1987 und 1991 Nierentransplantationen, danach Abstoßungsreaktionen, die wieder zur Dialyse zwangen. Seit 1994 ist eine Hepatitis B mit sekundärer Leberzirrhose bekannt. Im Jahr 2002 erhielt der Patient sowohl ein Leber- als auch ein Nierentransplantat. Die letzte Transplantation fand 2011 statt. Der einzige gesunde Bruder war Nierenspender. Die beiden anderen Brüder leiden wie unser Patient an dem X-chromosomal vererbten Alport-Syndrom mit Schwerhörigkeit und wurden bereits nierentransplantiert. Die Mutter entwickelte im mittleren Lebensalter eine dialysepflichtige Niereninsuffizienz und verstarb mit 63 Jahren.
Das Alport-Syndrom ist ein hereditäres Krankheitsbild, das sich im frühen Erwachsenenalter als Kombination von Schwerhörigkeit und progredienter Niereninsuffizienz darstellt. Zudem können Augenveränderungen mit Sehstörungen hinzutreten. Die Vererbung erfolgt zu 85 % X-chromosomal-dominant (COL4A5) und zu 10 – 15 % (COL4A3/A4) autosomal-rezessiv [1]. Ursächlich sind Defekte der α-Kette des Typ-IV-Kollagens der Basalmembranen im Innenohr und den Nieren. Die ersten Symptome sind Mikrohämaturie und Proteinurie. Therapiert man rechtzeitig mit ACE-Hemmern, lässt sich das Nierenversagen im Median um 13 Jahre verzögern. Eine kausale Therapie steht aktuell nicht zur Verfügung. Unbehandelt führt das Alport-Syndrom mit ca. 22 Jahren zur dialysepflichtigen Niereninsuffizienz. Nach Möglichkeit erhalten die Patienten in der Folgezeit eine oder mehrere Nierentransplantationen. Dieses Schicksal teilte auch unser Patient, der nach vier Transplantationen seit nunmehr 20 Jahren eine Kombination verschiedener Immunsuppressiva erhält. Studien zeigten, dass nach 20 Jahren IST bei ca. 40 – 60 % der transplantierten Patienten PEK als häufigste Hauttumoren auftreten [2]. Gerade diese Patienten sind gefährdet, aggressive PEK mit infiltrativem Wachstum und Metastasierung zu entwickeln. Ob einige Typen humaner Papillomaviren involviert sind, ist derzeit noch Gegenstand kontroverser Diskussionen [3].
Eine prospektive Studie bei Organtransplantierten zeigte, dass verruköse Papillome und verruköse Keratosen unabhängige Risikofaktoren für PEK darstellen (Odd’s Ratio – OR = 18,36) [4]. Als molekularer Risikofaktor für PEK sind bei Nierentransplantierten Mutationen des Melanocortin-Rezeptors 1 (MC1R) wie MC1R Variante p.Arg151Cys (OR = 1,99) und die Existenz mindestens zwei beliebiger MC1R-Varianten wie red hair (RHC) associated variants (p.Asp84Glu [rs1805006], p.Arg151Cys [rs1805007], p.Arg160Trp [rs1805008], p.Asp294His [rs1805009]) und non-red hair color (NRHC) variants (p.Val60Leu [rs1805005], p.Val92Met [rs2228479], p.Arg163Gln [rs885479]) (OR = 2,36) unabhängig von der Haarfarbe identifiziert worden [5].
UV-Schutz, Selbstuntersuchung der Patienten und das regelmäßige Hautkrebs-Screening sind logische Konsequenzen [2].
#
Literatur
1 Kruegel J, Rubel D, Gross O. Alport syndrome – insights from basic and clinical research. Nat Rev Nephrol 2013; 9: 170 – 178
2 Lonsdorf AS, Becker MR, Stockfleth E, Schäkel K, Ulrich C. Primär- und Sekundärprophylaxe von Hauttumoren nach Organtransplantationen. Hautarzt 2010; 61: 195 – 206
3 Krüger-Corcoran D, Stockfleth E, Jürgensen JS, Maltusch A, Nindl I, Sterry W, Lange-Asschenfeld B, Ulrich C. Humane Papillomvirus-assoziierte Warzen bei organtransplantierten Patienten. Hautarzt 2010; 61: 220 – 229
4 Joly P, Bastuji-Garin S, Frances C, Lebbe C, Aubin F, Penso-Assathiany D, D’incan M, Avril MF, Lair G, Barete S, Euvrard S. Squamous cell carcinomas are associated with verrucokeratotic cutaneous lesions but not with common warts in organ-transplant patients. A case-control study. Transplantation 2010; 89: 1224 – 1230
5 Andresen PA, Nymoen DA, Kjærheim K, Leivestad T, Helsing P. Susceptibility to cutaneous squamous cell carcinoma in renal transplant recipients associates with genes regulating melanogenesis independent of their role in pigmentation. Biomark Cancer 2013; 5: 41 – 47
#
#
Papillon-Lefèvre-Syndrom mit perioraler Fistulation
M. Klinger, S. Schamfuß
Anamnese: Bei der 55-jährigen Patientin bestehen seit dem Säuglingsalter disseminierte Hyperkeratosen an den Handinnenflächen und Fußsohlen. Zudem entwickelten sich psoriasiforme Herde an den Streckseiten der Arme und Beine. Parallel berichtete die Patientin von einem frühzeitigen Zahnausfall im Milchgebiss, von rezidivierenden eitrigen Entzündungen des Zahnhalteapparats und von einem vollständigen Verlust aller Zähne bis zum 23. Lebensjahr. Parallel besteht eine erhöhte Infektneigung. In der Familienanamnese ist eine Psoriasis beim Bruder und beim Neffen bekannt.
Hautbefund: Es fällt eine Atrophie der Kieferkämme des Ober- und Unterkiefers mit starker Absenkung der Okklusionsebene auf. Dadurch kommt es klinisch zu einer deutlichen Progenie mit sehr ausgeprägter Kinnfalte und stark verkürztem Untergesicht. Zudem ist ein reizloser Fistelgang am Unterkiefer paramedian rechts zu sehen ([Abb. 4]).
Es finden sich an den Händen vor allem palmar beidseits flächige Hyperkeratosen, Schuppung und Rhagaden. Die Infiltrate sind auf die Fingerrücken übergreifend. Es besteht zudem eine Kontraktur des 4. und 5. Fingers rechts sowie beginnend auch des 2. und 5. Fingers links. An den Füßen plantar sind punktuelle, gelbliche Hyperkeratosen zu sehen ([Abb. 5]).
Abb. 5 Hyperkeratosen bei Papillon-Lefèvre-Syndrom. a Palmar und b plantar.
Laborbefunde: Genetische Untersuchung: Es zeigte sich eine Heterozygotie im CTSC-Gen für die Mutationen c.415G > T und c.901G > A. Durch die Mutation c.415G > T kommt es zu einem vorzeitigen Stop-Codon und durch die zweite Mutation c.901G > A ergibt sich ein Aminosäureaustausch von Glycin nach Serin.
Therapie und Verlauf: Nach Diagnosestellung wurde eine interne Therapie mit Acitretin (Neotigason®) begonnen. Die aktuelle Dosis liegt bei 25 mg täglich.
Lokal wird intermittierend keratolytisch mit Salicylvaseline bis 5 % und pflegenden, harnstoffhaltigen Externa zum Teil unter Okklusion behandelt. Unter dieser Therapie kommt es nur zu einer partiellen Besserung der Hautbefunde.
Parallel wird die Patientin in der Zahnärztlichen Prothetik und der Mund-Kiefer-Gesichtschirurgie behandelt. Die Patientin trägt eine Ober- und Unterkiefer-Vollprothese. Um den Halt des Zahnersatzes auf dem atrophierten Kiefer zu verbessern und um einem weiteren Knochenabbau des Ober- und Unterkieferkammes entgegenzuwirken, ist die Insertion von Zahnimplantaten geplant.
Kommentar: Das Papillon-Lefèvre-Syndrom, erstmals 1924 beschrieben, ist eine seltene Genodermatose, gekennzeichnet durch Palmoplantarhyperkeratosen und schwere parodontale Schäden (Gingivitis, Parodontitis, Verlust des Zahnhalteapparats). Es liegt ein autosomal-rezessiver Erbgang und eine Mutation im Cathepsin C-kodierenden Gen (CTSC) auf Chromosom 11 zugrunde. Cathepsin C ist eine Protease, welche für die Aktivierung verschiedener Serinproteasen verantwortlich ist und vor allem in der palmoplantaren Epidermis und der Gingiva exprimiert wird [1]. Klinisch fallen die Patienten bereits in der Kindheit durch symmetrische, diffuse Hyperkeratosen an Händen und Füßen auf. Es wurden auch psoriasiforme Hautveränderungen an den Gelenkstreckseiten und auf der Kopfhaut sowie Nagelveränderungen beschrieben. Parallel kommt es zu Schwellung und Rötung des Zahnfleischs mit frühem Zahnverlust, wobei meist bis zum 20. Lebensjahr auch die bleibenden Zähne ausgefallen sind [1]. Weitere mögliche systemische Begleiterscheinungen sind die Neigung zu Infekten, Leberabszesse und intrakranielle Kalzifizierungen [2]. Lokaltherapeutisch kommen keratolytische und harnstoffhaltige Externa oder lokale Retinoide zum Einsatz. Eine interne Therapie mit Retinoiden kann sowohl zur Besserung der Hyperkeratosen als auch der Peridontitis führen [2]. Eine enge zahnärztliche Mitbetreuung ist notwendig, evtl. muss über das Einsetzen von Implantaten nachgedacht werden. Es wurde auch ein positiver Einfluss auf die Erhaltung der bleibenden Zähne durch prophylaktische Extraktion des Milchgebisses und nachfolgende systemische Antibiose mit Tetrazyklinen zur Behandlung der Peridontitis beschrieben [3].
#
Literatur
1 Dalgic B, Bukulmez A, Sarı S. Eponym: Papillon-Lefevre syndrome. Eur J Pediatr 2011; 170: 689 – 691
2 Janjua SA, Khachemoune A. Papillon-Lefevre syndrome: case report and review of the literature. Dermatol Online J 2004; 10: 13
3 Heinlin J, Heinlin N, Steinbauer J, Landthaler M, Karrer S. Haut und Zähne. Hautarzt 2009; 60: 583 – 598
#
#
Ulcus cruris arteriosum, PTA (perkutane transluminale Angioplastie) und Operation
B. Heinig, K. Hasenöhrl, T. Kittner
Anamnese: Nach brennenden Schmerzen in der rechten Wadenregion mit typischen Claudicatio-Beschwerden entwickelte sich bei der 77-jährigen Patientin ein Ulcus cruris, welches trotz Lokalbehandlung und milder Kompressionstherapie keine Heilungstendenz zeigte. Diabetes mellitus Typ 2 (medikamentös), arterielle Hypertonie und eine Fettstoffwechselstörung waren als relevante Risikofaktoren bekannt.
Allgemeinbefund: Eine kardiopulmonale Kompensation und intakte Sensomotorik bestanden bei Aufnahme. RR 155/70 mmHg, HF 92/min. Die A. dorsalis pedis war rechts kaum palpabel.
Hautbefund: Ein 7 × 6 cm großes, flaches, relativ sauberes Ulcus cruris fand sich dorsal am rechten distalen Unterschenkel. Die Ulkusumgebung zeigte sich mäßig ödematos mit oberflächlicher Gefäßzeichnung ([Abb. 6]).
Histologie (HE, Giemsa, PAS, Eisenreaktion, Elastika van Gieson): Eine Diagnostische Exzision aus dem Ulkusrand wies reaktive vaskulitische Veränderungen nach ([Abb. 7]).
Laborbefunde: Pathologisch waren Ery 4,14 Tpt/l ↓, Elpho Albumin Fraktion 57,7 % ↓, Elpho Alpha 1 Globulin Fraktion 3,5 %↑, Elpho Alpha 2 Globulin Fraktion 14,0 % ↑, Elpho Beta Globulin Fraktion 14,5 % ↑, Gamma GT 0,99 µkat/l.
Mikrobiologie (Abstrich rechter Unterschenkel): Staphylococcus haemolyticus – viel. Koagulasenegative Staphylokokken – viel. Corynebacterium – sehr viel.
Epikutantestung (Standardreihe, Externa-Inhaltsstoffe, Duftstoff-Mix I und II): Negativ.
Bildgebende Diagnostik: Duplexbefund: AFC, APF kräftig biphasisch, Femoralisgabel frei, AFS biphasisch. Im Bereich der A. poplitea hochgradige Stenose (Vmax 4 m/s, 80 %ige Stenose). US-Gefäße kräftig monophasisch.
Vor PTA: CBQ: rechts 0,73; links 1,06. Akrales Lichtplethysmogramm (ALP) Zehe vor PTA: DI bds. Poststenosekurve. Selektive Angiografie mit therapeutischer PTA des rechten Beines: Ballondilatation (scoring Ballon 6 × 40 mm) der A. poplitea rechts im Segment P1 mit Sofortergebnis und kräftigem Einstrom in die Unterschenkelgefäße.
Nach PTA: CBQ: rechts 0,94; links 1,01. Akrales Lichtplethysmogramm (ALP) Zehe nach PTA: DI rechts Normalkurve, DI links Poststenosekurve ([Abb. 8]).
Therapie und Verlauf: Differenzialdiagnostisch schlossen Normalbefunde für Autoantikörper und Komplementsystem mit C3/C4 sowie histologisch lediglich reaktiv entzündliche Gefäßveränderungen eine Vaskulitis aus. Dagegen spiegelte das rasche Übergehen von Stadium II a/b nach Fontaine (Claudicatio) zu Stadium IV (Gewebenekrose) den Progress der PAVK, unterstützt durch die bestehenden Risikofaktoren, wider. Der duplexsonografische Stenosenachweis der A. poplitea rechts wies die arterielle Ulkusgenese nach. Kausaltherapeutisch erfolgte im Rahmen einer selektiven Angiografie die Ballondilatation der A. poplitea über Seldinger-Technik mit anschließend kräftigem Bluteinstrom. Medikamentös wurden Acetylsalicylsäure 100 mg/d sowie Simvastatin 20 mg/d empfohlen. Durch den postinterventionell forcierten arteriellen Flow im Versorgungsgebiet säuberte sich das Ulkus zusehends. Lokal kamen Purilongel und Grassolind-Gaze sowie Fucicortcreme für die Umgebungshaut zur Anwendung. Unter laufender ASS-Therapie und perioperativer Gabe von Cefuroxim 1,5 g 3/d i. v. (oral weitergeführt bis zum 9. postoperativen Tag mit 500 mg 2/d) erfolgte die dermatochirurgische Ulkusversorgung mit Shave-Exzision und Meshgraft-Transplantation in Lokalanästhesie. Nach kurzer Immobilisierung der Patientin zeigte sich das Transplantat vital und stabil ([Abb. 9]).
Aufgrund der unmittelbar präoperativ erfolgten PTA wurde zur Entlassung auf eine Kompressionstherapie verzichtet und lediglich ein Antithrombosestrumpf angelegt. Eine duplexsonografische Kontrolle sechs Wochen nach PTA zeigte den persistierenden arteriellen Flow im transluminal dilatierten Gefäßabschnitt (CBQ rechts 1,0; links 0,91). Subjektiv war die Gehstrecke deutlich gebessert.
Kommentar: Die aktuelle S3-Leitlinie zur Lokaltherapie chronischer Wunden bei den Risiken PAVK, Diabetes mellitus und CVI empfiehlt, neben befundadaptierter topischer Therapie bei chronischen Ulzerationen, auch die Kausaltherapie für bestehende Grundkrankheiten [1]. Bezüglich des Ulcus cruris arteriosum ist somit der dermatologische Therapieerfolg direkt mit der Identifizierung relevanter atherosklerotischer Gefäßokklusionen verbunden. Anamnese und klinische Untersuchung, komplettiert durch nicht-invasive (cruro-brachialer Index, akrale Lichtreflexplethysmografie, Dopplersonografie, farbcodierte Duplexsonografie) und bildgebende (Angiografieverfahren) Diagnostik, kommen zum Einsatz. Medikamentös sollten bei einer PAVK nicht nur Thrombozytenaggregationshemmer (ASS, Clopidogrel) verordnet werden, sondern auch Risikofaktoren wie arterielle Hypertonie (antihypertensiv: β-Blocker, ACE-Hemmer), Fettstoffwechselstörung (cholesterinsenkend: Statin, Simvastatin, Atorvastin, Fibrate) und Diabetes therapiert werden. Während langstreckige arterielle Gefäßverschlüsse zumeist einer operativen Gefäßrekonstruktion bedürfen, gilt die perkutane transluminale Angioplastie mit Ballondilatation als risikoarmes und effizientes Interventionsverfahren zur Eröffnung lokalisierter arterieller Gefäßstenosen der unteren Extremität. Ebenso sind Stentimplantationen peripher möglich. Gute Langzeitergebnisse sind beschrieben [2]. Unter Beachtung der Wundheilungsmechanismen ist ein optimaler arterieller Outflow für Granulations- und Epithelisierungsvorgänge essentiell. Der Therapieerfolg operativer Prozeduren beim Ulcus cruris wird entscheidend durch präoperative Revaskularisierung im Versorgungsgebiet unterstützt [3].
#
Literatur
1 Rüttermann M. Lokaltherapie chronischer Wunden bei Patienten mit den Risiken periphere arterielle Verschlusskrankheit, Diabetes mellitus, chronisch venöse Insuffizienz. S3-Leitlinie 091-001 – AWMF-Register Nr. 091/001. Stand 12 .06. 2012
2 Goltz JP, Ritter CO, Kellersmann R, Klein D, Hahn D, Kickuth R. Endovascular treatment of popliteal artery segments P1 and P2 in patients with critical limb ischemia: Initial experience using a helical nitinol stent with increased radial force. J Endovasc Ther 2012; 19: 450 – 456
3 Abisi S, Tan J, Burnand KG. Excision and meshed skin grafting for leg ulcers resistant to compression therapy. Br J Surgery 2007; 94: 194 – 197
#
#
Druckulzerationen des rechten Sprunggelenks bei dislozierter Plattenosteosynthese
A. Baunacke, E. Freude, B. Heinig, T. Kittner
Anamnese: Im Jahre 1995 erlitt der jetzt 73-jährige Patient eine offene Fraktur des rechten Sprunggelenkes, die mittels Plattenosteosythese versorgt wurde. In den darauffolgenden Jahren folgten erneut multiple Frakturen im voroperierten Bereich, sodass 2001 die operative Versteifung des rechten oberen Sprunggelenkes durchgeführt wurde. Vorstellungsgrund in der Klinik war ein Ulcus cruris des rechten Malleolus lateralis nach einem Fahrradsturz im August 2013 mit prallen Blasen entlang des rechten lateralen Unterschenkels. Nebenbefundlich bestehen ein insulinpflichtiger Diabetes mellitus Typ 2 mit diabetischer Polyneuropathie und diabetischer Nephropathie, eine arterielle Hypertonie und eine Hyperurikämie. Im Jahre 1998 erlitt der Patient eine transistorische ischämische Attacke im Rahmen einer chronischen zerebrovaskulären Insuffizienz. Außerdem steht er seit der Implantation eines biologischen Aortenklappenersatzes 2001 bzw. seit der Herzschrittmacherversorgung bei Bradyarrhythmia absoluta 2008 unter dauerhafter oraler Antikoagulation durch Phenprocoumon (Falithrom).
Allgemeinbefund: Versteifung des rechten Sprunggelenkes mit Spitzfußstellung und Beinverkürzung. A. poplitea beidseits schwach, A. tibilis posterior rechts nicht, A. tibialis posterior links schwach und A. dorsalis pedis beidseits schwach palpabel. Keine Ödeme. Patellar- und Achillessehnenreflex beidseits nicht auslösbar. Pallhypästhesie des Großzehengrundgelenkes rechts 2/8 und links 3/8.
Hautbefund: Am rechten Malleolus lateralis zeigte sich ein zirka 20 × 5 mm großes, gelblich-schmierig belegtes, relativ tiefes Ulkus, sondierbar bis zum Knochen ([Abb. 10]). Proximal in Richtung der Tibia imponierte eine zirka 20 × 12 mm große, flache Erosion mit beginnender Epithelisierung. Distal Richtung Fußrücken fiel eine frische, zirka 30 × 20 mm große, flache Ulzeration mit Zustand nach Entfernung einer darüberliegenden Blasendecke am Vortag auf. Die Ulkusumgebung war dezent entzündlich gerötet, der distale Unterschenkel zeigte sich leicht geschwollen. Es fielen postentzündliche Hyperpigmentierungen und eine Varicosis cruris mit Besenreiservarizen und einer Corona phlebectatica paraplantaris beidseits auf. Die rechte Fußsohle zeigte sich gerötet und trocken-schuppend.
Laborbefunde: Mikrobiologie: Keimabstrich vom rechten Unterschenkel (Kultur): 1. β-hämolysierende Streptokokken der Gruppe B (Streptococcus agalactiae) viel, 2. koagulasenegative Staphylokokken mäßig viel.
Mykologie: Schuppen von der rechten Fußsohle (Mikroskopie): Dermatophyten mäßig viel.
Epikutantestung (Standardreihe, Externa-Inhaltsstoffe, Duftstoff-Mix I und II): Negativ.
Bildgebende Diagnostik: Arterieller Status: Systemischer Blutdruck 135/65 mmHg. Verschlussdrücke der Knöchelarterien: A. tibialis posterior rechts > 300 mmHg: CBQ Mediasklerose. A. tibialis posterior links > 300 mmHg: CBQ Mediasklerose. Akrales Lichtplethysmogramm: Normalpulskurven beidseits. Keine signifikante arterielle Durchblutungsstörung.
Röntgen des rechten Unterschenkels mit Sprunggelenk in 2 Ebenen: Zustand nach Arthrodese des oberen Sprunggelenkes mittels Platten- und Schraubenosteosynthesematerial mit knöcherner Überbauung. Insgesamt Zeichen einer Kalksalzminderung (Inaktivitätsosteoporose) mit flauen Aufhellungszonen im Bereich der eingebrachten Osteosyntheseschrauben von zirka 1 mm. Verdacht auf eine geringe Lockerung. Deutlich inhomogene, partiell hypersklerosierte Struktur der deformierten distalen Fibula. Als Ursache kann neben einer postraumatischen Genese auch eine chronisch sklerosierende Osteomyelitis vorliegen. Nebenbefundlich deutliche Angiosklerose ([Abb. 11]).
Therapie und Verlauf: In Zusammenschau aller vorliegenden Befunde gingen wir von einem postraumatischen Ulcus cruris des rechten Unterschenkels aus. Unter befundadaptierter Lokaltherapie konnte eine rasche Epithelisierung der Erosionen erreicht werden. Lediglich das tiefe Ulkus am rechten Malleolus lateralis war zum Zeitpunkt der Entlassung noch nicht abgeheilt. Die rezidivierende Ausbildung von Blasen war am ehesten durch die mechanische Druckbelastung in den orthopädischen Maßschuhen bedingt. Der rechte Fuß kippte infolge einer Instabilität während der Schrittfolge in eine Supinationsposition. Nach der Röntgenuntersuchung des rechten Unterschenkels und Sprunggelenkes wurde der Verdacht auf eine Lockerung des Osteosynthesematerials geäußert. Zusätzlich bestand der Verdacht auf eine chronisch sklerosierende Osteomyelitis. Die daraufhin hinzugezogenen Orthopäden sahen aktuell keine Notwendigkeit einer operativen Intervention, empfahlen aber eine weitere Druckentlastung und eine orale Antibiose mit Clindamycin (Sobelin® 600 mg 2 × täglich) über 6 Wochen. Physiotherapeutisch wurde eine provisorische Versorgung mit einem Verbandsschuh nach Maß mit spezieller Innenausschalung aus gepolstertem Kunststoff zur Führung und damit Vermeidung der Dislokation des rechten Fußes rezeptiert. Beim ambulant betreuenden Orthopäden ist der Erfolg zu überprüfen. Hier sollte ebenfalls die Verordnung eines dauerhaften Führungsapparates mit orthopädischem Maßschuh erfolgen.
Kommentar: Im vorliegenden Fall wird deutlich, dass eine adäquate interdisziplinäre Zusammenarbeit für den dauerhaften Heilungserfolg beim Patienten von essentieller Bedeutung ist. Beim Vorliegen chronischer Ulzera gilt es, die Wundverhältnisse exakt zu analysieren und zu klassifizieren [1]. Durch die Anamnese und körperliche Untersuchung des Patienten konnte bereits auf eine posttraumatische Genese des Ulkus geschlossen werden. Ein insulinabhängiger Diabetes mellitus Typ 2 mit peripherer Polyneuropathie stellt eine Ursache für die verzögerte Wundheilung dar [2]. Die bestmögliche Blutzuckereinstellung sollte daher auch in der Ulkustherapie ein wesentliches Ziel sein. Die häufigste Ursache für chronische Ulzera ist allerdings die beim Patienten nebenbefundlich vorliegende chronische venöse Insuffizienz. Eine periphere arterielle Verschlusskrankheit konnte ausgeschlossen werden. Außerdem sind die obligatorische bakterielle Besiedlung der Ulzera [3] sowie die unter Umständen bestehenden Kontaktsensibilisierungen zu berücksichtigen [4]. Bei druckbedingten Ulzera ist die effektive Druckentlastung die wichtigste Voraussetzung zur Wundheilung [5]. Hierbei ist die enge Zusammenarbeit zwischen Dermatologen, Physiotherapeuten, Orthopäden und Orthopädietechnikern zum Erreichen des optimalen Heilungserfolges anzustreben. Beim Patienten wurde nach ausführlicher Begutachtung und Beratung die Versorgung durch einen dauerhaften Führungsapparat mit orthopädischem Maßschuh (Orthese) beschlossen, um die posttraumatisch bedingte Fehlstellung im rechten Sprunggelenk zu korrigieren, das Gehen zu stabilisieren und zukünftig mechanischen Irritationen vorzubeugen.
#
Literatur
1 Schmidt J, Hapfelmeier A, Schmidt WD, Wollina U. Improving wound score classification with limited remission spectra. Int Wound J 2012; 9: 189 – 198
2 Blakytny R, Jude E. The molecular biology of chronic wounds and delayed healing in diabetes. Diabet Med 2006; 23: 594 – 608
3 Kirketerp-Møller K, Jensen PØ, Fazli M, Madsen KG, Pedersen J, Moser C, Tolker-Nielsen T, Høiby N, Givskov M, Bjansholt T. Distribution, organization, and ecology of bacteria in chronic wounds. J Clin Microbiol 2008; 46: 2717 – 2722
4 Renner R, Wollina U. Contact sensitization in patients with leg ulcers and/or leg eczema: comparison between centers. Int J Low Extremity Wounds 2002; 1: 251 – 255
5 McGinnis E, Stubbs N. Pressure-relieving devices for treeting heel pressure ulcers. Cochrane Database Syst Rev 2014; 2: CD005485
#
#
MALT-Lymphom der Haut
M. Klinger, E. Nawalaniec, J. Schönlebe
Anamnese: Bei der 61-jährigen Patientin fielen seit 2004 vereinzelte infiltrierte, mehr brennende als juckende Plaques am Stamm und am linken Arm auf. Manche waren spontan abgeheilt, aber insgesamt war es zu einer Progredienz gekommen.
Nebenbefundlich bestehen eine arterielle Hypertonie, eine Hyperurikämie und ein Diabetes mellitus Typ 2, welcher mit oralen Antidiabetika behandelt wird.
Hautbefund: Es fanden sich am Rücken links mehrere erythematöse, streifige, infiltrierte und teils knotige Herde ([Abb. 12]). An der linken hinteren Axillarlinie und am linken Oberarm fielen zusätzliche Plaques auf. Die Anordnung der Effloreszenzen erinnerte an einen herpetiformen Befund.
Histologie der Haut: Die Epidermis zeigt sich unauffällig. Die Dermis wird durchsetzt von flächenhaften und knotigen, perivaskulär und periadnexiell akzentuierten Infiltraten kleiner und mittelgroßer, teilweise zentrozytenartiger und monozytoider lymphoider Zellen ([Abb. 13]). Die mittelgroßen lymphoiden Zellen erweisen sich als B-zellreaktiv mit positiver Reaktion für CD20 und CD79a unter besonderer Betonung der perifollikulären Areale in der CD79a-Reaktion. In der Tiefe finden sich in wechselnder Zahl auch eingestreut CD79a-positive Plasmazellen, die eine Leichtkettenrestriktion für Kappa erkennen lassen. Die beschriebenen Lymphoidzellinfiltrate sind negativ für CD5 und CD10. Die kleinen reifen Lymphozyten erweisen sich als T-zellreaktiv (positive Reaktion für CD3 und CD5). Lymphoepitheliale Läsionen und Granulome finden sich nicht.
Abb. 13 Histologie und Immunhistologie des MALT-Lymphoms. a HE-Schnitt (× 10); b CD20 (× 10); c CD79 (× 10); d Kappa-Ketten (× 20).
Knochenmarkspunktion: Zytomorphologisch reaktive Veränderungen ohne Anhalt für NHL-Mitbefall des Markes am vorliegenden Material.
Histologie des Knochenmarks: Normozelluläres Knochenmark mit gering reaktiv veränderter Blutbildung. Keine Infiltrate eines B-Zell-Non-Hodgkin-Lymphoms.
Laborbefunde: Pathologisch erhöht war die LDH mit 3,72 µkat/l. Ansonsten waren das Differenzialblutbild, die Leber- und Nierenwerte, die Gerinnungswerte, die Borrelienserologie sowie die Immunfixation unauffällig.
Bildgebende Diagnostik: Sonografie des Abdomens und der axillären/inguinalen Lymphknoten: Axilla links ein runder, zerklüfteter, zentral inhomogener, vergrößerter suspekter Lymphknoten; sonst unauffällig.
Röntgen des Thorax: Kein Erguss, keine Stauung, keine infiltratverdächtigen Verschattungen.
Therapie und Verlauf: Der histologische Befund ergab ein extranodales Marginalzonen-Lymphom des Mukosa-assoziierten lymphatischen Gewebes. In der Umfelddiagnostik zeigten sich keine suspekten Lymphknoten und kein Knochenmarkbefall. Aufgrund der Inoperabilität der multiplen Herde wurde die Patientin im interdisziplinären Tumorboard vorgestellt. Es wurde die Chemo-Immun-Therapie mit Rituximab geplant.
Kommentar: Das primär kutane Marginalzonen-Lymphom vom MALT-Typ gehört zu den kutanen B-Zell-Lymphomen und in die Gruppe der extranodalen Marginalzonen-Lymphome [1]. Kutane B-Zell-Lymphome gelten als selten und niedrig maligne mit einer 5-Jahres-Überlebensrate von über 90 % [2]. Klinisches Unterscheidungsmerkmal zu anderen kutanen B-Zell-Lymphomen ist die Verteilung vor allem am Stamm und den Extremitäten.
In der Diagnostik stellt der Ausschluss einer systemischen Komponente mittels Labordiagnostik, klinischer und bildgebender Untersuchung sowie evtl. Knochenmarksbiopsie eine wichtige Voraussetzung für die Prognosestellung und Therapieplanung dar. Extrakutane Lymphome gehen mit einer schlechteren Prognose einher und werden primär mit einer Chemotherapie behandelt. Auch eine Abgrenzung zu reaktiven, pseudolymphomatösen Veränderungen kann aufgrund von falsch negativen Borrelienserologien eine Herausforderung darstellen [3].
Ätiologisch werden verschiedene Immunstimuli diskutiert. Chronische Infektionen, zum Beispiel mit Helicobacter pylori oder Borrelia burgdorferi, stehen dabei im Fokus. Es wird zum Teil empfohlen, auch bei negativer Borrelienserologie eine entsprechende systemische Antibiose durchzuführen [3].
Die weiteren Therapieansätze sind abhängig von der Ausprägung der Hautläsionen. Bei solitären Herden sollte in erster Linie eine Exzision angestrebt werden. Eine Radiatio geht mit guten Ergebnissen einher [1]. Auch intraläsionale Injektion von Immunmodulatoren (IFN-alpha, Rituximab) wird empfohlen. Bei multiläsionaler Verteilung wird eine i. v.-Chemotherapie mit Rituximab als Monotherapie bzw. in Kombination mit CHOP oder Bendamustin angestrebt.
#
Literatur
1 Hallermann C, Niermann C, Fluck M, Fischedick A-R, Schulze H-J. Maligne Lymphome der Haut. Hautarzt 2011; 62: 947 – 958
2 Wollina U, Hahnfeld S, Kosmehl H. Primary cutaneous marginal center lymphoma – complete remission induced by interferon alpha2a. J Cancer Res Clin Oncol 1999; 125: 305 – 308
3 Fühler M, Ottmann K, Tronnier M. Kutanes Marginalzonenlymphom (SALT) bei chronischer Borrelia-burgdorferi-Infektion. Hautarzt 2010; 61: 145 – 147
#
#
Merkelzellkarzinom und GIST
M. Schirutschke, G. Richter-Huhn, F. Zimmermann, U. Wollina
Anamnese: Die 65-jährige Patientin berichtete über einen seit Oktober 2013 bestehenden, rasch größenprogredienten Tumor am linken Unterschenkel. Die Patientin verneinte eine B-Symptomatik. Im MRT ergab sich der Verdacht auf ein teilthrombosiertes Hämangiom, woraufhin der Tumor im November 2013 in der Gefäßchirurgie unseres Hauses exzidiert wurde. Nach Eingang der Histologie erfolgte die Vorstellung bei uns zur Nachexzision und zum Staging. Nebendiagnosen: insulinpflichtiger Diabetes mellitus Typ 2, arterielle Hypertonie.
Hautbefund: Am linken Unterschenkel fand sich ein ca. 3 × 4 cm großer, nicht verschieblicher, rötlicher Tumor ([Abb. 14]).
Histologie: In der mittleren Epidermis beginnend, findet sich eine solide, nestförmig und herdförmig trabekulär wachsene Neubildung, durchzogen von wechselnd breiten hyalinisierten Bindegewebssepten. Die Neubildung besteht aus mittelgroßen, neuroendokrin anmutenden Zellen mit mittelgroßen Zellkernen, kleinen Nukleolen, zahlreichen Apoptosekörperchen, Mitosefiguren und einer schütteren entzündlichen Begleitreaktion. Die Tumorzellen exprimieren CK 20, Synaptophysin und Chromogranin A ([Abb. 15]).
Abb. 15 Histologie (a) und Immunhistologie (b) des Merkelzellkarzinoms. a HE × 10; b Synaptophysin × 10.
Bildgebende Diagnostik: MRT Abomen/Becken: Verdacht auf Tumor am Magenfundus, der sich überwiegend perigastrisch ausbreitet und bis zum Pankreasschwanz reicht. Inguinal links, subkutan auf Höhe der AFC sowie iliakal links zeigen sich mehrere z. T. suspekte Lymphknoten, wobei eine Unterscheidung zwischen entzündlich bedingtem LK (Wundinfektion) und neoplastischem LK nicht sicher möglich ist.
CT-Thorax: Unauffällig ohne Anhalt für pulmonale Metastasen.
Gastroskopie: Antrumgastritis. In Kenntnis des MRT-Befundes evtl. geringe Eindellung am Korpus durch Impression von außen.
Endosonografie Magen: Echoarme, unregelmäßig begrenzte Raumforderung mit echofreien Anteilen im Bereich der Kardia/Magenfundus zum Pankreas hin, Punktion erfolgt.
Histologie: Spindelzellige, mesenchymale Neubildung mit kleinen Zellkernen, teilweise perivaskuläre Fibrosen, allenfalls geringgradige Kernpolymorphie, im Stroma untermischt einzelne Lymphozyten ([Abb. 16]). Die Tumorzellen sind CD117+ sowie DOG1+. Auf den zwei zur Verfügung stehenden hochvergrößerten Gesichtsfeldern finden sich keine Mitosen (= formal niedrige Mitoserate.
Abb. 16 Histologie des GIST. a HE × 10; b DOG1 ×10.
Diagnose: Gastrointestinaler Stromatumor (GIST).
Diagnose: Merkelzellkarzinom, pT2 pN0 (sln) cM0 R0 mit GIST.
Therapie und Verlauf: Nachdem uns die Patientin vorgestellt wurde, führten wir in Allgemeinanästhesie eine radikale Nachexzision mit 3 cm Sicherheitsabstand am linken Unterschenkel sowie eine Sentinelnodebiopsie inguinal links durch. Der große Defekt am Unterschenkel wurde mittels Spalthauttransplantat gedeckt. Der Sentinel war negativ. Im Staging fiel eine unklare Raumforderung zwischen Magen und Pankreas auf. Bioptisch ergab sich ein gastrointestinaler Stromatumor. Der Empfehlung unseres Tumor-Boardes folgend, erhält die Patientin zunächst eine adjuvante Radiatio des Tumorbettes am linken Unterschenkel sowie der regionären Lymphabflussregion über 6 Wochen. Währenddessen erfolgt die ambulante Mitbetreuung durch eine onkologische Praxis, über welche die Patientin zur Tumorreduktion des GIST Imatinib erhält. Nach Abschluss der Radiatio ist eine Wiedervorstellung in unserer Allgemeinchirurgie vorgesehen mit einer MRT-Verlaufskontrolle zur Planung des operativen Eingriffes bezüglich des GIST. Für das Vorliegen einer multiplen endokrinen Neoplasie (MEN1 bzw. MEN2) ergab sich kein Anhalt.
Kommentar: Das Merkelzellkarzinom (MCC) ist ein seltener maligner Hauttumor mit epithelialer und neuroendokriner Differenzierung. Es tritt zumeist bei über 60-jährigen Patienten besonders im Gesicht (50 %) aber auch an anderen chronisch lichtgeschädigten Körperstellen (Extremitäten 30 %) auf. Die Inzidenz des MCC ist zunehmend und liegt derzeit bei ca. 0,4/100 000/Jahr [1]. Neben der UV-Exposition stellt auch eine Immunsuppression einen erheblichen Risikofaktor dar. In jüngster Zeit konnte eine virale Onkogenese (Merkelzellpolyomavirus) demonstriert werden. Die Therapie des Merkelzellkarzinoms besteht in einer kompletten Exzision mit einem Sicherheitsabstand von 2 – 3 cm sowie einer adjuvanten Strahlentherapie des Operationsfeldes und der regionären Lymphknoten. Eine Sentinellymphonodektomie wird zum Staging empfohlen [2, 3].
Gastrointestinale Stromatumoren (GIST) sind die häufigsten mesenchymalen Tumoren des Gastrointestinaltraktes mit einer Inzidenz von ca. 15/1 Mio/Jahr. Das mediane Alter bei Erkrankungsbeginn liegt zwischen 55 und 65 Jahren. Entscheidend für die Pathogenese scheint eine Mutation im KIT- oder PDGFR-Rezeptor alpha zu sein, die zu einer kontinuierlichen ligandenunabhängigen Aktivität der Rezeptor-Tyrosinkinase führt. Die häufigsten Symptome sind Völlegefühl, Schmerzen oder gastrointestinale Blutungen, wobei ein signifikanter Anteil kleiner und asymptomatischer Tumoren zufällig bei diagnostischen Maßnahmen entdeckt wird. Therapie der Wahl ist die R0-Resektion des Tumors, ggf. mit neoadjuvanter Imatinib-Therapie. In Abhängigkeit des individuellen Rezidivrisikos wird eine adjuvante Imatinib-Therapie empfohlen. Als Zweitlinientherapie steht Sunitinib zur Verfügung. Rezidive treten in etwa 40 % der Fälle in den ersten zwei Jahren auf. Diagnostik, Therapie und Verlaufskontrolle der GIST erfordern eine enge interdisziplinäre Zusammenarbeit unterschiedlicher medizinischer Fachrichtungen [4].
Die Patientin leidet somit an zwei seltenen Tumorentitäten, deren gemeinsames Auftreten in der Literatur in dieser Kombination noch nicht beschrieben wurde. Es ist bekannt, dass bei ca. 13 – 20 % aller Patienten mit GIST ein weiterer Tumor synchron oder metachron auftritt – am häufigsten Karzinome des Magen-Darm-Traktes. Von besonderem Interesse sind die Fälle, in denen zusätzlich zu dem GIST ein oder mehrere Tumore in demselben Organ auftreten [5]. Für beide Tumoren gilt eine engmaschige langfristige Tumornachsorgekontrolle.
#
Literatur
1 Hohaus K, Köstler E, Schönlebe J, Klemm E, Wollina U. Merkel cell carcinoma – a retrospective analysis of 17 cases. J Eur Acad Dermatol Venereol 2003; 17: 20 – 24
2 Becker JC, Assaf C, Vordermark D, Reske SN, Hense J, Dettenborn, Seitz O, Grabbe S. S2k Kurzleitlinie – Merkelzellkarzinom. J Dtsch Dermatol Ges 2013; 11 (Suppl 3): 31 – 38
3 Cardoso JC, Teixeira V, Tchernev G, Wollina U. Merkel cell carcinoma: a review and update on aetiopathogenesis, diagnosis and treatment approaches. Wiener Med Wochenschr 2013; 163: 359 – 367
4 Rajekar H, Bhoje A, Vaiphei K. Rectal adenocarcinoma coexisting with gastro-intestinal stromal tumor: a case report and literature review. J Cancer Res Ther 2013; 9: 138 – 140
5 Ponti G, Luppi G, Martorana D, Rossi G, Losi L, Bertolini F, Sartori G, Pellacani G, Seidenari S, Boni E, Neri TM, Silini E, Tamburini E, Maiorana A, Conte PF. Gastrointestinal stromal tumor and other primary metachronous or synchronous neoplasms as a suspicion criterion for syndromic setting. Oncol Rep 2010; 23: 437 – 444
#
#
#
Interessenkonflikt
Die Autoren geben an, dass kein Interessenkonflikt besteht.
*
Vorsitz: Prof. Dr. U. Wollina
Berichterstatter: Frau Dr. G. Hansel, Dr. A. Koch, Prof. Dr. U. Wollina
Histopathologie: Frau Dr. J. Schönlebe, Prof. Dr. G. Haroske
Klinische Fotodokumentation: Frau R. Herz
Plenarvorträge:
Frau PD Dr. M. Hofmann, Berlin: Neues aus der Rosazea-Therapie: what is redness?
Prof. Dr. T. Lohmann, Dresden: Adipositas
Prof. Dr. T. Ryan, Oxford: Lymphedema management in India