Dialyse aktuell 2014; 18(01): 50
DOI: 10.1055/s-0034-1366967
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Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

Hyperurikämie und Niere – Harnsäure wirkt eindeutig nephrotoxisch

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Publication Date:
11 February 2014 (online)

 
 

Noch vor 10 Jahren galt die Hyperurikämie lediglich als Risikofaktor für die Gicht. Das hat sich grundlegend geändert: Zu hohe Harnsäurespiegel sind nach derzeitiger Kenntnis auch assoziiert mit einer erheblich erhöhten Gefahr für das Herz und insbesondere für die Nieren.

Hohe Serum-Harnsäure-Spiegel haben weitreichendere Auswirkungen auf die Nierenfunktion und die Progression von Nierenerkrankungen, als lange Zeit angenommen wurde. So besteht nach Prof. Eberhardt Ritz, Heidelberg, kein Zweifel daran, dass Harnsäure nephrotoxisch wirkt und bei praktisch jedweder Nierenerkrankung einem beschleunigten Nierenfunktionsverlust Vorschub leistet. Anders als lange geglaubt, wird die Nierenschädigung tierexperimentellen Befunden zufolge jedoch nicht primär bedingt durch die sogenannte Gichtnephropathie, also die Ablagerungen von Harnsäurekristallen, sondern durch die Aktivierung der Entzündungsreaktion und darauffolgend einer interstitiellen Fibrose, der Läsion von Arteriolen und den Untergang von Nephronen.

Hohe Harnsäure – Trigger für Nierenfunktionsverluste

Ähnlich wie ein Bluthochdruck die Arteriosklerose triggert, so ist laut Ritz die Hyperurikämie ein Mediator für Nierenfunktionsverluste. „Der Verlust der glomerulären Filtrationsrate über 10 Jahre korreliert direkt mit dem Anstieg der Serum-Harnsäure-Konzentration“, berichtete der Nephrologe in Köln [ 1 ].

Der Rückgang der glomerulären Filtrationsrate (GFR) ist nach Ritz bei Männern, nicht jedoch bei Frauen zudem abhängig von der Harnsäurekonzentration bei Studienbeginn. Mit anderen Worten bedeutet dies, dass das Risiko eines GFR-Abfalls bei Männern umso größer ist, je höher die ermittelte Ausgangs-Serum-Harnsäure-Konzentration ist [ 2 ]. „Ein erhöhter Harnsäurewert ist schon im Frühstadium der Nephropathie problematisch. Das verschärft sich noch bei einer fortgeschrittenen Erkrankung“, so der Kommentar des Mediziners.

Die Serum-Harnsäure-Konzentration ist nach seinen Angaben bei Patienten mit Typ-1-Diabetes und auch beim Typ-2-Diabetes ein Prädiktor für die Entwicklung einer diabetischen Nephropathie. Bei Jugendlichen ist eine Hyperurikämie sogar hinweisend auf eine hohe Gefahr der Entwicklung eines künftigen Prädiabetes und auch eines manifesten Typ-2-Diabetes [ 3 ].


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Paradoxer Zusammenhang bei bestehender Dialysepflicht

Liegt der Serum-Harnsäure-Wert oberhalb von 7 mg/dl, so besteht nach Ritz außerdem ein erhöhtes Risiko für ein akutes Nierenversagen. Bei Patienten mit Hämodialyse aber kehren sich die Verhältnisse paradoxerweise um: Höhere Harnsäurewerte sind mit einer geringeren Gesamtmortalität und auch einer geringeren kardiovaskulären Mortalität korreliert. „Die Ursache dieses Phänomens kennen wir bislang nicht“, erklärte der Mediziner.


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Noch fehlen klare Zielvorgaben

Nur unzureichende Daten aber gibt es bislang laut Ritz hinsichtlich der Zielvorgaben bei der Behandlung der Hyperurikämie. Bei der Festlegung solcher Zielwerte ist nach Prof. Jan T. Kielstein, Hannover, das gesamte von der Harnsäure ausgehende Risiko zu berücksichtigen. So gibt es gute Belege dafür, dass eine Hyperurikämie mit einem gesteigerten Risiko für eine spätere Hypertonie assoziiert ist [ 4 ]. Den Zusammenhang unterstreichen nach seinen Worten Befunde bei hypertensiven Jugendlichen, bei denen allein aufgrund der Harnsäuresenkung eine Blutdruckreduktion zu erzielen ist [ 5 ]. Eine prospektive Beobachtungsstudie belegt nach Kielstein darüber hinaus, dass die Serum-Harnsäure-Werte ein Prädiktor der Mortalität bei Hochrisikopatienten mit koronarer Herzerkrankung sind [ 6 ].


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Harnsäuresenkung reduziert die Gefahr der Dialysepflichtigkeit

Dass auch ein direkter Zusammenhang zur Progression von Nierenerkrankungen besteht, belegen nach Kielstein Befunde, wonach eine Senkung der Harnsäure auf unter 6 mg/dl den GFR-Abfall um mehr als 30 % mindert und das Risiko dafür senkt, dass die Patienten dialysepflichtig werden. Gut dokumentiert ist nach seinen Worten auch, dass durch eine Behandlung mit Allopurinol die Progression der chronischen Niereninsuffizienz zu bremsen ist [ 7 ]. Nicht unproblematisch aber ist die Toxizität der Medikation, wie Kielstein betonte.

Als Alternative nannte er den Wirkstoff Febuxostat (Adenuric®), der die Reaktionskaskade Hypoxanthin-Xanthin-Harnsäure durch die gezielte Hemmung des Enzyms Xanthinoxidase unterbricht. Unter dem selektiven Nicht-Purin-Hemmer erreichen nach Kielstein mehr Patienten einen Harnsäurewert von unter 6 mg/dl. Der Wirkstoff ist bereits in der niedrigsten Dosis von 80 mg gut wirksam und es ist bei leichter bis mäßiger Niereninsuffizienz anders als bei Allopurinol keine Dosisanpassung erforderlich. Das ist, so Kielstein, im Praxisalltag ein relevanter Aspekt: „Denn die Zahl der Patienten mit eingeschränkter Nierenfunktion steigt stetig“. Immerhin weisen nach seinen Worten 2 Drittel der mehr als 80-Jährigen eine GFR von unter 60 mg/min auf.

Je höher der Harnsäurewert bei ihnen liegt, umso schlechter ist das in puncto Nierenfunktion, umso schneller verläuft die Progression zur Niereninsuffizienz und umso höher ist das Risiko, dass es zur Dialysepflicht kommt. Kielstein: „Durch eine effektive Senkung der Harnsäure können wir die GFR stabilisieren, die Reaktivität der Gefäße verbessern und sogar erhöhte Blutdruckwerte senken und so einen positiven Einfluss auf die kardiale und auch die renale Situation des Patienten nehmen“.

Christine Vetter, Köln

Quelle: Fortbildungsveranstaltung „Symptomatische Hyperurikämie und Nierenerkrankungen – eine riskante Synergie“, 02.11.2013, Köln, veranstaltet von der Berlin-Chemie AG, Berlin.


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  • Literatur

  • 1 Yamada T et al. Am J Med Sci 2011; 342: 461-466
  • 2 Mok Y et al. Nephrol Dial Transplant 2012; 27: 1831-1835
  • 3 Krishnan E et al. Am J Epidemiol 2012; 176: 108-116
  • 4 Feig DI et al. J Clin Hypertens (Greenwich) 2012; 14: 346-352
  • 5 Feig DI et al. JAMA 2008; 300: 924-932
  • 6 Lin GM et al. J Cardiol 2013; 61: 122-127
  • 7 Goicoechea M et al. Clin J Am Soc Nephrol 2010; 5: 1388-1393

  • Literatur

  • 1 Yamada T et al. Am J Med Sci 2011; 342: 461-466
  • 2 Mok Y et al. Nephrol Dial Transplant 2012; 27: 1831-1835
  • 3 Krishnan E et al. Am J Epidemiol 2012; 176: 108-116
  • 4 Feig DI et al. J Clin Hypertens (Greenwich) 2012; 14: 346-352
  • 5 Feig DI et al. JAMA 2008; 300: 924-932
  • 6 Lin GM et al. J Cardiol 2013; 61: 122-127
  • 7 Goicoechea M et al. Clin J Am Soc Nephrol 2010; 5: 1388-1393