Dtsch Med Wochenschr 2014; 139(22): 1153-1158
DOI: 10.1055/s-0034-1369995
Originalarbeit | Original article
Gesundheitsökonomie
© Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

Privat statt Kasse? Einstellungen von Hausärzten und Apothekern zur Verordnung von Hypnotika

Perceptions of GPs and community pharmacists on hypnotic prescribing on private prescriptions
F. Hoffmann
1   Abteilung Gesundheitsökonomie, Gesundheitspolitik und Versorgungsforschung, Zentrum für Sozialpolitik (ZeS), Universität Bremen
,
G. Schmiemann
2   Abteilung Versorgungsforschung, Institut für Public Health und Pflegeforschung (IPP), Universität Bremen
,
R. Windt
1   Abteilung Gesundheitsökonomie, Gesundheitspolitik und Versorgungsforschung, Zentrum für Sozialpolitik (ZeS), Universität Bremen
› Author Affiliations
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Publication History

07 June 2013

31 January 2014

Publication Date:
20 May 2014 (online)

Zusammenfassung

Hintergrund und Fragestellung: Hypnotika mit den Wirkstoffen Zolpidem und Zopiclon („Z-Drugs”) sowie Benzodiazepine können zur Kurzzeittherapie von Insomnien sowie in begründeten Einzelfällen länger zu Lasten der gesetzlichen Krankenversicherungen verordnet werden. Ein Großteil der Verschreibungen entfällt jedoch auf Privatrezepte. Diese Studie untersuchte, wie Hausärzte und Apotheker Privatverordnungen von Hypnotika bezüglich Häufigkeit, Gründen und Maßnahmen zur Reduktion einschätzen.

Methodik: Ein schriftlicher Fragebogen wurde 2012 an eine Zufallsauswahl von 1350 Hausärzten und 600 Apothekenleitern versendet. Die Fragen waren teils identisch. Der Apothekerfragebogen umfasste zusätzlich zwei Fragen zur Häufigkeit von Privatrezepten sowie generell zu deren Einschätzung. Nur p-Werte ≤ 0,01 wurden als statistisch signifikant angesehen.

Ergebnisse: Insgesamt antworteten 458 Hausärzte und 202 Apotheker (Rücklauf 33,9 % und 33,7 %). Nach Einschätzung der Apotheker werden Z-Drugs häufiger auf Privatrezepten verordnet als Benzodiazepine (57,5 vs. 47,4 %; p < 0,0001), und Z-Drugs werden im Osten häufiger als im Westen privat verschrieben (78,2 vs. 52,3 %; p < 0,0001). Bei Benzodiazepinen lassen sich solche Ost-West-Unterschiede nicht finden. Als relevante Gründe für das Ausstellen von Privatrezepten dominieren bei beiden Gruppen die Vorgaben der Arzneimittel-Richtlinie und Wunschverordnungen. Privatrezepte werden häufiger für Patienten mit Langzeitgebrauch eingesetzt.

Folgerung: Bei Langzeitgebrauch auf Privatrezepte auszuweichen erscheint widersprüchlich, da ein Großteil dieser Patienten mit (iatrogener) Abhängigkeit unseres Erachtens medizinisch begründete Einzelfälle sein dürften. Praxistaugliche Veränderungen der gesetzlichen Rahmenbedingungen sind notwendig, deren Nutzen und Schaden zeitnah evaluiert werden muss.

Abstract

Background and aim: Zolpidem and zopiclone (“Z-drugs”) and benzodiazepine hypnotics are reimbursed by the statutory health insurance for short-term use and in exceptional cases for longer periods. A large proportion is prescribed on private prescriptions. The aim of this study was to assess the perceptions of general practitioners (GPs) and community pharmacists (CPs) on private prescriptions of hypnotics regarding frequency, reasons and measures for reduction.

Methods: A questionnaire was mailed to a random sample of 1,350 GPs and 600 CPs in 2012. Questions were partly identical. Due to multiple testing, only p-values ≤ 0.01 were considered statistically significant.

Results: 458 GPs and 202 CPs returned questionnaires (response 33.9 % and 33.7 %). According to the CPs, the proportions of private prescriptions was higher for Z-drugs than for benzodiazepines (57.5 vs. 47.4 %; p < 0.0001). The proportion of private prescriptions of Z-drugs was higher in the eastern than in the western part of Germany (78.2 vs. 52.3 %; p < 0.0001). For benzodiazepines no such differences were found. As most relevant reasons for private prescriptions, the specifications of the Arzneimittel-Richtlinie and patients' demands were named. Patients with long-term use receive more often private prescriptions.

Conclusions: A switch to private prescriptions for patients with long-term use seems conflicting, because such patients with (iatrogenic) dependence are indicated exceptional cases. Practicable changes of the regulatory framework are needed, their benefits and harms should be evaluated.