Aktuelle Dermatologie 2015; 41(03): 101-103
DOI: 10.1055/s-0034-1377562
Kasuistik
© Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

Lichtdermatose mit Aspekten von Hydroa vacciniforme, aktinischer Prurigo und Frühlingsperniosis bei 9-jährigem Mädchen

Light Eruption with Aspects of Hydroa Vacciniforme, Actinic Prurigo and Juvenile Spring Eruption in a 9-Year-old Girl
Lutz Kowalzick
1   Klinik für Hautkrankheiten und Allergologie, Helios Vogtland-Klinikum Plauen GmbH
,
Eva Lydia Marcus
1   Klinik für Hautkrankheiten und Allergologie, Helios Vogtland-Klinikum Plauen GmbH
2   Klinik für Dermatologie und Venerologie, Helios Klinikum Aue GmbH
,
Barbara Kehler
1   Klinik für Hautkrankheiten und Allergologie, Helios Vogtland-Klinikum Plauen GmbH
,
Thomas Kehler
3   Klinik für Kinder- und Jugendmedizin, Helios Vogtland-Klinikum Plauen GmbH
,
Beate Truhm
1   Klinik für Hautkrankheiten und Allergologie, Helios Vogtland-Klinikum Plauen GmbH
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Korrespondenzadresse

Prof. Dr. med. habil. Lutz Kowalzick
Klinik für Hautkrankheiten und Allergologie
Helios Vogtland-Klinikum Plauen GmbH
Postfach 100153
08505 Plauen

Publikationsverlauf

Publikationsdatum:
27. August 2014 (online)

 

Zusammenfassung

Wir berichten über eine 9-jähriges Mädchen mit Hauttyp I nach Fitzpatrick, das erstmals unmittelbar nach erster intensiver Insolation im Frühjahr infiltrierte erythematöse Plaques im Gesicht und an den Helices, z. T. mit gelblichen Krusten entwickelte sowie disseminiert papulovesikulöse Herde aufwies. Eine EBV-Infektion ließ sich serologisch nicht verifizieren. Eine Porphyrie konnte ausgeschlossen werden. Die Herde heilten unter milden Lokalsteroiden binnen fünf Tagen weitgehend ab. Wir diagnostizierten einen Fall von Hydroa vacciniforme, der klinisch oder demografisch auch Bezüge sowohl zur aktinischen Prurigo als auch zur Frühlingsperniosis aufwies. Die Differenzialdiagnose dieser Erkrankungen wird anhand der Literatur diskutiert.


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Abstract

We report on a 9-year-old girl with skin type I according to Fitzpatrick, who developed for the first time infiltrated erythema partly covered by yellowish crusts in her face and on her helices immediately following first intense insolation in spring and presented disseminated papulovesicular lesions. An infection with EBV could not be found in serology. A porphyria could be ruled out. The eruption almost completely cleared under mild topical corticosteroids within five days. We made the diagnosis of Hydroa vacciniforme showing also clinical or demographic features of actinic prurigo and juvenile spring eruption. The differential diagnosis of these diseases is discussed in the light of the literature.


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Einleitung

Die polymorphe Lichtdermatose (PLD) ist mit Abstand die häufigste lichtinduzierte Erkrankung und tritt typischerweise erstmals im 2. oder 3. Lebensjahrzehnt und überwiegend bei weiblichen Patienten auf [1]. Als Sonderform der Erkrankung, die typischerweise und vorwiegend im ersten Lebensjahrzehnt auftritt, gilt die Frühlingsperniosis (im angloamerikanischen Schrifttum als juvenile spring eruption JSE bezeichnet), die vor allem bei Knaben exklusiv an den Helices auftritt [2]. Die aktinische Prurigo, die gleichfalls als Variante der PLD gilt, tritt bevorzugt bei Mädchen bis zum 10. Lebensjahr auf und zeigt auch Hautveränderungen an nicht lichtexponierter Haut, wie z. B. am Gesäß [3]. Eine weitere Fotodermatose, bei der kein Bezug zur PLD vermutet wird, ist die Hydroa vacciniforme, die gleichfalls im früheren Kindesalter und bei beiden Geschlechtern auftritt [4]. Wir präsentieren den Fall eines 9-jährigen Mädchens, das klinisch Hautsymptome und Merkmale all dieser drei Lichtdermatosen aufwies.


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Kasuistik

Wir berichten über eine 9-jährige Patientin mit Hauttyp I nach Fitzpatrick mit familiärer Atopie-Anamnese, deren einer Großvater an einer Sonnenallergie gelitten hätte. Acht Wochen vor stationärer Aufnahme Anfang April hatten sich juckende, exkoriierte Papeln an Armen, Gesäß, Unterbauch und Beinen entwickelt. 2 Tage vor der Aufnahme waren wenige Stunden nach der ersten intensiven Insolation des Jahres akut zentrofazial juckende, relativ scharf begrenzte, erythematöse Schwellungen mit Bläschen aufgetreten, die sich bei Aufnahme zum Teil als gelbliche Krusten darstellten ([Abb. 1]). Zeitgleich kam es zu einem erythematösen Anschwellen beider Helices ebenfalls mit Bläschen, Papulovesikeln und Krusten. Fieber, periphere Lymphknotenschwellungen oder sonstige Infektionszeichen bestanden nicht. Im Labor fanden sich Differenzial-Blutbild, Eiweiß- und Immun-Elektrophorese, CRP, Nierenwerte, Gerinnung, Herpes-simplex-Virus-DNA, Epstein-Barr-Virus-Antikörper, Antinukleäre Antikörper, Doppelstrang-DNS-Antikörper, Scl70-Antikörper, ENAs, ANCAs, Rheumafaktor, Erythrozytenprotoporphyrine, Porphyrine in Serum und Urin sowie delta-Aminolävulinsäure im Urin sämtlich negativ oder im Normbereich. Im Hautabstrich des Gesichts fanden sich ganz vereinzelt Staphylokokken der grampositiven Hautflora. Unter Lokaltherapie mit Methylprednisolon, später Hydrocortison im Gesicht und an den Ohren, sowie Betamethasonvalerat am Stamm und an den Extremitäten und Fusidinsäure, sowie intern Dimetinden kam es binnen sechs Tagen zur raschen Besserung und weitgehenden Rückbildung der Hautveränderungen und des Juckreizes, sodass die Patientin mit der Empfehlung, Sunblocker zu verwenden und massive Insolationen zu vermeiden, entlassen werden konnte.

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Abb. 1 9-jährige Patientin mit Hydroa vacciniforme. Erythematöse Plaques zentrofazial mit Bläschen und gelblichen Krusten.

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Diskussion

Die Hydroa vacciniforme (HV) ist eine seltene Lichtdermatose mit einer Prävalenz von 0,34/100 000 [5] [6] und wurde erstmals 1862 von Bazin beschrieben [7]. Die Erkrankung manifestiert sich bei beiden Geschlechtern etwa gleich oft, typischerweise erstmals im Kindesalter (Durchschnitt: 7,9 Jahre) insbesondere an den Wangen, der Nase und an den Handrücken nach der jeweils ersten Sonnenexposition im Frühjahr oder erst im Sommer. Bei der Mehrzahl der Patienten heilt die Erkrankung noch in der Kindheit, nach durchschnittlich 9 Jahren Dauer, ab [6]. Klinisch typisch sind juckende Papulovesikel auf ödematösem Erythem [6] und später teils hämorrhagische, genabelte Blasen [4] oder Impetigo-artige Krustenbildung und meist (47 – 87 %) narbige Abheilung [6]. Differenzialdiagnostisch ist, neben der erythropoetischen Protoporphyrie, dem Lupus erythematodes und autoimmunblasenbildenden Dermatosen, die schwere Hydroa vacciniforme-artige Dermatose bzw. die Hydroa vacciniformia-artige lymphoproliferative Erkrankung abzugrenzen, bei der Fieber, Leberschädigung, akrale Schwellungen, Schleimhautbefall und Effloreszenzen auch an nicht-lichtexponierten Hautregionen auftreten [5]. In diesen Fällen besteht eine enge Assoziation mit einer latenten oder chronisch-aktiven Epstein-Barr-Virus (EBV)-Infektion [8] [9]. In unserem Fall, bei dem sich laborchemisch kein Anhalt für eine Porphyrie und eine Autoimmundermatose fand, ließen sich zwar Hautveränderungen an nicht chronisch lichtexponierten Arealen, aber keine systemischen Symptome und keine EBV-Infektion nachweisen, sodass wir letzteres Krankheitsbild ausschließen würden.

Die aktinische Prurigo, die auch als Sonderform der PLD angesehen wird, tritt vor allem beim weiblichen Geschlecht auf, beginnt meist bis zum 10. Lebensjahr, weist häufig eine positive Familienanamnese von PLD auf und ist klinisch gekennzeichnet durch juckende, exkoriierte und verkrustete Papeln und Knoten und tritt vor allem im Gesicht und an den Unterschenkeln, jedoch auch an nicht lichtexponierten Arealen wie dem Gesäß auf [3], was auch bei unserer Patientin der Fall war. Eine ähnliche HLA-assoziierte Erkrankung tritt vor allem bei amerikanischen Indianern auf [10].

Gleichfalls als Variante der PLD wird die Frühlingsperniosis angesehen, die vor allem bei Knaben im ersten Lebensjahrzehnt und fast exklusiv an den Helices mit sukkulenten, erythmatös-lividen Papeln und Bläschen auftritt. In unserem Fall passen Jahreszeit, Alter, Morphe und Lokalisation zu dieser Erkrankung. Untypisch wären Geschlecht und das Vorhandensein von Hautveränderungen in anderen Lokalisationen.

[Tab. 1] fasst die drei diskutierten Entitäten bezüglich Manifestationsalter, Geschlechtsdisposition, Klinik und Prädilektionsstellen zusammen. Die Angaben hierzu sind allerdings in der Literatur zum Teil deutlich unterschiedlich. Unser Fall weist Charakteristika aller drei Erkrankungen auf. Bemerkenswerterweise werden aber auch z. B. in den größten Fallsammlungen zur Hydroa vacciniforme [4] [6] viele Fälle aufgeführt, die nicht der klassischen Konstellation, mit hämorrhagischen Blasen und varioliformer Narbenbildung vor allem an Wangen und Nase, entsprechen. Insgesamt würden wir daher bei unserer Patienten die Diagnose einer Hydroa vacciniforme favorisieren wollen. Es stellt sich allerdings die Frage, ob die genannten Erkrankungen nicht tatsächlich verschiedene, evtl. geschlechts- oder altersabhängige, Erscheinungsformen einer „(Polymorphen) Lichtdermatose der Kindheit“ sein könnten.

Tab. 1

Demografische, lokalisatorische und klinisch typische Befunde bei Patienten mit polymorpher Lichtdermatose (PD/PLE) und Lichtdermatosen des Kindesalters: Frühlingsperniosis (FP/JSE), Hydroa vacciniforme (HV) und Aktinische Prurigo (AP). Die in unserem Falle zutreffenden Befunde sind fett gesetzt.

Diagnose

m/w bevorzugt

Beginn

Lokalisation

Morphe

PLD/PLE

w

2./3. Ljz

Decolleté, Arme

Papulovesikeln, Plaques, Ictus u. a.

FP/JSE

m

1. Ljz

Helices

Plaques, Papulovesikel

AP

w

1./2. Ljz

generalisiert, gluteal

Prurigo

HV

m/w

1. Ljz

Gesicht, Nase, Hände

genabelte Blasen, Krusten, Narben

akt. Fall

w

1. Ljz

Gesicht, Nase, Helices, generalisiert, gluteal

Plaques, Krusten, Papulovesikel


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Interessenkonflikt

Die Autoren geben an, dass kein Interessenkonflikt besteht.

  • Literatur

  • 1 Kowalzick L, Berinson B, Köster W et al. Die polymorphe Lichtdermatose: Bedeutung demographischer, anamnestischer und apparativer Befunde in der Differentialdiagnose. Aktuelle Dermatologie 1994; 20: 173-177
  • 2 Hawk J. Juvenile spring eruption is a variant of polymorphic light eruption. N Z Med J 1996; 190: 389
  • 3 Norris PG, Hawk JLM. The idiopathic photodermatoses: Polymorphic light eruption, actinic prurigo and hydroa vacciniforme. In: Hawk JLM. Photodermatology. London: Arnold; 1999: 178-190
  • 4 Sonnex TS, Hawk JLM. Hydroa vacciniforme: a review of cases. Brit J Dermatol 1988; 118: 101-108
  • 5 Brauns B, Seitz CS, Schön MP et al. Papulovesikel mit narbiger Abheilung bei einem 8-jährigen Mädchen nach Lichtexposition. J Dt Dermatol Ges 2012; 10: 923-924
  • 6 Gupta G, Man I, Kemmett D. Hydroa vacciniforme: A clinical and follow-up study of 17 cases. J Am Acad Dermatol 2000; 42: 208-213
  • 7 Bazin E. Lecons théoretiques et cliniques sur les affectations génériques de la peau. Delabrage 1862; 1: 132
  • 8 Yamamoto T, Hirai Y, Miyake T et al. Oculomucosal and gastrointestinal involvement in Epstein-Barr virus-associated hydroa vacciniforme. Eur J Dermatol 2012; 22: 380-383
  • 9 Hirai Y, Yamamoto T, Kimura H et al. Hydroa vacciniforme is associated with increased numbers of Epstein-Barr virus-infected γδTcells. J Invest Dermatol 2012; 132: 1401-1408
  • 10 Bernal JE, Duran de Rueda MM, Ordonez CP et al. Actinic prurio among the Chimila Indians in Columbia: HLA-studies. J Am Acad Dermatol 1990; 22: 1049-1051

Korrespondenzadresse

Prof. Dr. med. habil. Lutz Kowalzick
Klinik für Hautkrankheiten und Allergologie
Helios Vogtland-Klinikum Plauen GmbH
Postfach 100153
08505 Plauen

  • Literatur

  • 1 Kowalzick L, Berinson B, Köster W et al. Die polymorphe Lichtdermatose: Bedeutung demographischer, anamnestischer und apparativer Befunde in der Differentialdiagnose. Aktuelle Dermatologie 1994; 20: 173-177
  • 2 Hawk J. Juvenile spring eruption is a variant of polymorphic light eruption. N Z Med J 1996; 190: 389
  • 3 Norris PG, Hawk JLM. The idiopathic photodermatoses: Polymorphic light eruption, actinic prurigo and hydroa vacciniforme. In: Hawk JLM. Photodermatology. London: Arnold; 1999: 178-190
  • 4 Sonnex TS, Hawk JLM. Hydroa vacciniforme: a review of cases. Brit J Dermatol 1988; 118: 101-108
  • 5 Brauns B, Seitz CS, Schön MP et al. Papulovesikel mit narbiger Abheilung bei einem 8-jährigen Mädchen nach Lichtexposition. J Dt Dermatol Ges 2012; 10: 923-924
  • 6 Gupta G, Man I, Kemmett D. Hydroa vacciniforme: A clinical and follow-up study of 17 cases. J Am Acad Dermatol 2000; 42: 208-213
  • 7 Bazin E. Lecons théoretiques et cliniques sur les affectations génériques de la peau. Delabrage 1862; 1: 132
  • 8 Yamamoto T, Hirai Y, Miyake T et al. Oculomucosal and gastrointestinal involvement in Epstein-Barr virus-associated hydroa vacciniforme. Eur J Dermatol 2012; 22: 380-383
  • 9 Hirai Y, Yamamoto T, Kimura H et al. Hydroa vacciniforme is associated with increased numbers of Epstein-Barr virus-infected γδTcells. J Invest Dermatol 2012; 132: 1401-1408
  • 10 Bernal JE, Duran de Rueda MM, Ordonez CP et al. Actinic prurio among the Chimila Indians in Columbia: HLA-studies. J Am Acad Dermatol 1990; 22: 1049-1051

Zoom Image
Abb. 1 9-jährige Patientin mit Hydroa vacciniforme. Erythematöse Plaques zentrofazial mit Bläschen und gelblichen Krusten.