Einleitung
Unter Calcinosis metastatica wird die Einlagerung von Kalksalzen in der Haut bzw. anderen Organen wie Lunge, Nieren oder Magen verstanden. Die Erkrankung wird allgemein durch Störungen im Kalzium- und/oder Phosphatstoffwechsel hervorgerufen, wobei Hyperkalzämie oder Hyperphosphatämie oft nicht nachweisbar sind. Niedriger Gewebe-pH, Traumen und andere lokale Faktoren spielen möglicherweise eine zusätzliche Rolle [1].
Das Konzept der Kalziphylaxie wurde 1962 von Selye an einem Rattenmodell beschrieben [2] und ist ein zunehmend häufiger zu beobachtendes Syndrom einer progressiven, vaskulären Mediaverkalkung, das insbesondere mit terminaler Niereninsuffizienz und dem damit verknüpften Hyperparathyreoidismus assoziiert ist. Daher rührt auch der synonym verwendete Begriff der urämischen Arteriolopathie. Charakteristisch ist die Trias der arteriolären Mediaverkalkung, thrombotisch kutaner Ischämie und nekrotischen Ulzerationen [3].
Als Ursachen für die Calcinosis metastatica kommen in Betracht:
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Chronische Nierenkrankheiten und Dialyse
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Primärer oder sekundärer Hyperparathyreoidismus
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Hyperthyreose
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Destruierende Knochenerkrankungen
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Sarkoidose
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Arzneimittel (D3-Hypervitaminose, Lithium, Cumarine)
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Milch-Alkali-Syndrom
Chronische Niereninsuffizienz und Dialyse sind am häufigsten mit der Calcinosis metastatica assoziiert. Als zusätzliche Risikofaktoren werden Hyperparathyreoidismus, Hyperphosphatämie, Hyperkalzämie, Diabetes mellitus, Lebererkrankungen, weibliches Geschlecht, orale Antikoagulation, Protein-C- oder - S-Mangel und systemische Glukokortikoide beschrieben. Bei vielen Patienten zeigen sich keine oder nur geringe Veränderungen von Parathormon und Kalzium-Phosphat-Produkt, sodass die Diagnose nicht auf Laborbefunden, sondern Klinik, Anamnese, Histopathologie und Ausschluss anderer Erkrankungen beruht [1]. Der folgende Fall soll dies verdeutlichen.
Kasuistik
Anamnese
16-jährige arabische Patientin, im Alter von 2 Jahren externe Diagnose einer juvenilen Dermatomyositis.
Bisherige Therapien:
Zuletzt bestehende zunehmende Schmerzen und Bewegungseinschränkung.
Klinischer Befund
Bei der körperlichen Untersuchung imponierten im Bereich des Rumpfs und der Extremitäten erythematöse Plaques und Knoten mit schmerzhaften Ulzerationen ([Abb. 1]).
Abb. 1 Klinisch zeigten sich (hier rechter Ellenbogen/Unterarm) erythematöse Plaques und Knoten mit Ulzerationen.
Es zeigten sich weder Gottron-Papeln, palmoplantare Hyperkeratosen noch Nagelfalzhyperkeratosen mit Megakapillaren.
Histologischer Befund (HE-Präparat)
In einem Exzidat zeigten sich im Korium großflächige Ablagerungen von Kalk mit beginnender Ossifikation ([Abb. 2]).
Abb. 2 Histologischer Befund (HE-Präparat).
Diagnostik
Röntgen beider Hände, Unterarme, Hüften, Oberschenkel und Füße vom 26. 8. 2013:
Die Weichteilkalzifikationen reichen bis zu den distalen Unterarmen ([Abb. 3]) und erstrecken sich über beide Oberschenkel und das Becken.
Abb. 3 Röntgendichte Kalzifikationen am rechten Arm.
MRT rechter Arm nativ vom 19. 8. 2013:
Ausgeprägte Calcinosis cutis mit sowohl Befall der Cutis, des subkutanen Fettgewebes als auch der Muskulatur.
CT Thorax nativ vom 26. 8. 2013:
Kein Nachweis einer Kalzinose von Herz und Lunge.
Laboruntersuchung
ANA/ENA: negativ
CK und Aldolase: normwertig
Parathormon: 132 pg/ml ↑
Kalzium und Phosphat: normwertig
25-OH-Vitamin D3: 14,8 µg/l↓
1,25-Dihydroxy-Vitamin D3: normwertig
Therapie und Verlauf
Zunächst wurde auf der Grundlage der Vordiagnose einer juvenilen Dermatomyositis eine systemische immunmodulierende Therapie mit Hydroxychloroquin 200 mg 1-0-0 und Rituximab eingeleitet. Zudem initiierten wir eine rheologische Therapie mit Prostavasin i. v. und führten die bereits bestehende Therapie mit Alendronat 10 mg 1-0-0 und Prednisolon 5 mg 1-0-0 fort.
Nach Stellung der neuen Diagnose Calcinosis metastatica bei sekundärem Hyperparathyreoidismus bei Vitamin-D-Mangel stellten wir die Therapie nach Rücksprache mit den Kollegen der Endokrinologie um. Diese zielte v. a. auf Supplementierung von Vitamin D3. Wir starteten eine Therapie mit Vigantoletten 1000 1-1-1 und Kalzium 500 1-0-0. Alendronat als antiresorptive Therapie wurde belassen. Quensyl und Prednisolon abgesetzt bzw. ausgeschlichen.
Eine operative Behandlung erfolgte bei einem besonders störenden Calcinosis-Herd am rechten Unterarm. Nach Wundkonditionierung mittels Vakuum-Therapie erreichten wir trotz restlicher Kalzifikationen am Wundgrund ([Abb. 4]) eine suffiziente Granulation und führten eine Spalthaut-Transplantation durch ([Abb. 5]).
Abb. 4 Rechter Unterarm: Granulationsgewebe nach Vakuum-Therapie.
Abb. 5 Rechter Unterarm nach Spalthaut-Transplantation.
Diskussion
Patienten mit terminaler Niereninsuffizienz sind am häufigsten von einer Kalziphylaxie betroffen. 1 – 4 % der Hämodialysepatienten leiden hierunter [3]. Sie ist eine gefürchtete Komplikation und erhöht das Sterberisiko bei Patienten mit terminaler Niereninsuffizienz um den Faktor 8 [4].
Es gibt jedoch auch nichturämische Ursachen für Calcinosis cutis. Die häufigsten nichturämischen Erkrankungen sind der primäre Hyperparathyreoidismus, Malignome, alkoholbedingte Lebererkrankungen und autoimmune Bindegewebserkrankungen. In einer Studie hatten 61 % der Patienten eine Prämedikation mit Kortikosteroiden [3]. Zudem ist die Calcinosis cutis bei autoimmunen Bindegewebserkrankungen wie der Sklerodermie, Dermatomyositis, systemischem Lupus erythematodes oder Overlap-Syndrom bekannt [3].
Die Therapie sollte sich nach der Grunderkrankung sowie den Symptomen richten.
Zu Beginn des stationären Aufenthalts der Patientin hatten wir eine Therapie mit Rituximab bei der auswärtig gestellten Diagnose einer juvenilen Dermatomyositis durchgeführt. In der Literatur wurde eine deutliche Verbesserung der Calcinosis cutis bei CREST-Syndrom in einem Fallreport hierunter beschrieben [5]. Im weiteren Verlauf ließ sich die juvenile Dermatomyositis jedoch weder klinisch noch labordiagnostisch bestätigen.
Jedoch ließ sich anamnestisch eine langzeitige Therapie mit Kortikosteroiden feststellen, zudem konnten wir einen sekundären Hyperparathyreoidismus diagnostizieren. Folglich war der therapeutische Ansatz eine Normalisierung des Kalzium-Phosphat-Stoffwechsels einerseits sowie ein Ausschleichen des Kortikosteroids. Schmerzhafte Knoten wurden zudem chirurgisch beseitigt und mittels Spalthaut-Transplantation plastisch verschlossen.
Ob der weitere Fortschritt der Verkalkungen hiermit aufgehalten werden kann, bleibt abzuwarten.