Laryngorhinootologie 2014; 93(12): 859-860
DOI: 10.1055/s-0034-1384530
Der interessante Fall
© Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

Dysphonie als Folge einer zervikalen Bestrahlung

Dysphonia as a Symptom of a Radiation of the Neck
R. Reiter
1   Universitätsklinik und Poliklinik für Hals-Nasen-Ohren- Heilkunde, Ulm/München
,
A. Pickhard
1   Universitätsklinik und Poliklinik für Hals-Nasen-Ohren- Heilkunde, Ulm/München
,
T. K. Hoffmann
1   Universitätsklinik und Poliklinik für Hals-Nasen-Ohren- Heilkunde, Ulm/München
,
S. Brosch
1   Universitätsklinik und Poliklinik für Hals-Nasen-Ohren- Heilkunde, Ulm/München
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Publication Date:
06 August 2014 (online)

Anamnese/Krankheitsbild

Eine 70-jährige Rentnerin stellte sich wegen seit 9 Monaten bestehender, wechselnder Dysphonie in der Sektion für Phoniatrie und Pädaudiologie der Univ. HNO-Klinik Ulm vor. Bei Erstuntersuchung klang die Stimme belegt mit z. T. gedrückten Stimmeinsätzen und erhöhter Sprechanstrengung. In der laryngostroboskopischen Untersuchung fand sich ein dunkelrotes-livides Gefäßkonvolut supraglottisch rechts, welches auf das hintere Drittel der rechten Stimmlippe drückte ([Abb. 1a, b]). Beide Stimmlippen imponierten ödematös mit einer Gefäßzeichnung rechts im hinteren Drittel. Sie waren seitengleich mobil und zeigten mikrostroboskopisch Zeichen einer mäßigen Hyperfunktion.

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Abb. 1 Präoperativer laryngoskopischer Befund einer 70-jährigen Frau. Es findet sich ein dunkelrotes, livides Gefäßkonvolut supraglottisch rechts (dorsale Anteile der medialen aryepiglottischen Falte, der ventralen Aryregion sowie im Bereich der Taschenfalte, a Phona­tionsstellung) mit einer diffusen Einblutung in die dorsalen Anteile der rechten Taschenfalte (b Respirationsstellung). Das Gefäßkonvolut hat Kontakt zum hinteren Drittel der rechten Stimmlippe und stellt somit ein Phonationshindernis dar, was als anatomisches Korrelat für die seit 9 Monaten bestehende Heiserkeit zu werten ist.

In der Vorgeschichte bestand bei der Pa­tientin ein Z.n. Tumortonsillektomie und modifizierter radikaler Neck-Dissektion links bei einem pT1pN1(1/25), cM0 mäßig differenzierten (G2) Plattenepithelkarzinom der linken Tonsille vor 8 Jahren. Es wurde seinerzeit eine adjuvante postoperativer Bestrahlung der Oropharynx- und Hypopharynxregion (Gesamtdosis 63 Gy) sowie der Halsgefäßnervenscheide (Gesamtdosis 70,4 Gy) durchgeführt. Bei der übrigen HNO-ärztlichen Spiegeluntersuchung zeigten sich reizlose Verhältnisse ohne Anhalt für ein Rezidiv oder ­einen Zweittumor.

Nebenbefundlich bestanden noch eine Struma nodosa und ein arterieller Hypertonus bzw. eine koronare Herzerkrankung, weswegen die Patientin Beloc Zok, Losartan und ASS 100 einnimmt. Ein ­Noxenkonsum wird verneint.

Therapeutisch erfolgte eine Mikrolaryngoskopie und eine kalte vollständige Exzisionsbiopsie der umschriebenen Raumforderung mit dem mikrochirurgischem Instrument in Vollnarkose, letztendlich auch zur Diagnosesicherung. Histologisch zeigte sich unter einer squamöser Hyperplasie und Parakeratose das Bild eines hypervaskularisierten Granulationsgewebes (Hämangiom) mit subepithelialen Einblutungen sowie einem entzündlichen Infiltrat im hyalisierten Bindegewebe. Der histologische Befund war mit regenerativen Veränderungen nach erfolgter Bestrahlungstherapie vereinbar ohne dysplastische oder maligne Veränderungen. Bei der Kontrolle 3 Wochen postoperativ fand sich ein blander Lokalbefund ([Abb. 2]). Es bestanden keine stimmlichen Einschränkungen mehr.

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Abb. 2 Das postoperative Bild zeigt 3 Wochen nach kalter Abtragung mit dem Scherchen regelrechte Wundverhältnisse.