Senologie - Zeitschrift für Mammadiagnostik und -therapie 2014; 11(04): 193
DOI: 10.1055/s-0034-1385692
Kommentar
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Wie viel Axilla-OP brauchen wir noch?

Kommentar zum Beitrag Liedtke et al. „Axilladissektion beim Mammakarzinom: wann können wir sicher darauf verzichten – und wann (noch) nicht?“How much axillary operations do we still need?
L. Schwentner
,
J. Huober
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Publication Date:
16 December 2014 (online)

Die SNB (Sentinel-Node-Biopsie) hat das chirurgische axilläre Staging revolutioniert und ist fester Bestandteil in der klinischen Praxis bei Patientinnen mit klinisch negativer Axilla. Bei gleichzeitiger Beibehaltung der onkologischen Sicherheit konnten Studien eine deutlich reduzierte Morbidität durch die alleinige SNB zeigen. Selbst bei befallenem SNL konnte die ACOSOG-Z0011-Studie zeigen, dass unter bestimmten Voraussetzungen (BET, T1/2 und 1 – 2 positive Sentinels, Systemtherapie) auf eine axilläre Lymphonodektomie verzichtet werden kann, ohne negativen Einfluss auf die lokoregionäre und systemische Kontrolle. Diese Entwicklung reiht sich ein in die Entwicklung der letzten Jahrzehnte mit einer zunehmenden Reduktion der chirurgischen Radikalität sowohl bei der Mammachirurgie als auch jetzt bei der Axillachirurgie, und trägt letztendlich der Annahme Rechnung, dass das Mammakarzinom eine systemische und nicht allein lokale Erkrankung ist. Ob die operative Therapie der Axilla eine Staginguntersuchung oder eine tatsächlich für die lokoregionäre Rezidivkontrolle notwendige Operation ist, wurde häufig kontrovers diskutiert. Die aktuellen Daten lassen den Schluss zu, dass zumindest die axilläre Lymphonodektomie für viele Situationen weder noch ist. Die Indikation zu einer systemischen Therapie wird heutzutage nicht mehr hauptsächlich durch Tumorgröße und Nodalstatus bestimmt, sondern durch die Biologie des Tumors. Auch zeigte gerade die ACOSO-Z0011-Studie, dass bei konsequentem Einsatz systemischer adjuvanter Therapien selbst das Belassen befallener Lymphknoten nicht zu einer erhöhten lokoregionären Rezidivrate führte. Es stellt sich daher für die Zukunft die provozierende Frage, ob bei einer klinisch negativen Axilla überhaupt noch eine Axillachirurgie erforderlich ist. Diese wichtige Frage wird von der in Kürze startenden INSEMA-Studie unter Leitung von Prof. Reimer und Prof. Gerber aus Rostock in Zusammenarbeit mit der GBG und AGO untersucht. Der Ersatz der Axillachirurgie durch eine Strahlentherapie der Axilla kann in diesem Zusammenhang nur als ein Anachromismus gesehen werden, der der Biologie einer Brustkrebserkrankung nicht Rechnung trägt.

Trotz der zunehmenden Datenlage bleiben noch viele offene Fragen. Eine noch nicht abschließend geklärte Frage ist die der Integration der SNB in das Konzept einer neoadjuvanten Behandlung. Wichtigster Parameter zur Beurteilung der Effektivität einer neoadjuvanten Therapie ist die Beurteilung der Rate an pathologischen Komplettremissionen (pCR, in Brust und Axilla). Wenn die SNB vor der neoadjuvanten Therapie erfolgt (wie heute zumeist durchgeführt), kann die pCR nicht eindeutig bestimmt werden. Da heutzutage zunehmend in postneoadjuvanten Studien nach fehlendem Ansprechen auf eine neoadjuvante Behandlung neue Substanzen zum Einsatz kommen, wäre es wünschenswert, die SNB erst nach der neoadjuvanten Therapie durchzuführen. Allerdings sind, wie in dem Review von Liedtke et al. gezeigt, die Daten dazu noch nicht ausreichend für den breiten Einsatz außerhalb von Studien. Offen muss auch noch die Ausweitung dieses Konzepts der ACOSOG-Z0011-Studie (keine Axillachirurgie nach 1 – 2 positiven Sentinels) auf Patientinnen mit Mastektomie bleiben.

Aktuell ist bei klinisch negativer Axilla die SNB das Standardverfahren. Bei 1 – 2 positiven Sentinel-LK kann, gemäß den Einschlusskriterien der ACOSO-Z0011-Studie im Kontext einer brusterhaltenden Chirurgie auf eine axilläre Lymphonodektomie verzichtet werden. Inwieweit weitere Reduktionen der operativen Radikalität in der Axilla bei gleichbleibender onkologischer Sicherheit möglich sind, werden zukünftige Studien wie die INSEMA-Studie zeigen.