Gesundheitswesen 2014; 76(12): 874-884
DOI: 10.1055/s-0034-1387509
Fort- und Weiterbildung
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Eine Einführung in Kausalitätsprinzipien in der biomedizinischen Forschung

An Introduction to Causality Principles in Biomedical Research
A. Stang
Universitätsklinikum Essen – Institut für Medizinische Informatik, Biometrie und Epidemiologie
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Publication Date:
19 December 2014 (online)

Kernaussagen
  1. Aus der wiederholten Beobachtung von Sequenzen kann logisch keine Kausalität gefolgert werden.

  2. Bei einem behandelten Patienten ist zur selben Zeit an selber Stelle nur eine Behandlung faktisch beobachtbar. Alle alternativen Behandlungen sind konträr zu den Fakten und führen zu einem erkenntnistheoretischen Dilemma.

  3. Die meisten gängigen Kausalitätsansätze enthalten Elemente des kontrafaktischen Denkens.

  4. Unter ceteris paribus („alles übrige gleich“) ist anzunehmen, dass die Substitutspopulation die kontrafaktische Erfahrung von Interesse widerspiegelt.

  5. Das „sufficient component cause model“ fördert das mechanistische Verständnis von Kausalität und klärt Begriffe der notwendigen und hinreichenden Bedingung bei multikausalen Ätiologien.

  6. Probabilistische Kausalität wird als statistische Relevanz definiert, bei der ein kausaler Faktor die Wahrscheinlichkeit für das Auftreten eines Ereignisses verändert.

  7. Neben individuellen sozialen Faktoren stellen aggregierte soziale Faktoren bei vielen Erkrankungen Komponenten kausaler Mechanismen dar. Diese Faktoren können auch die Rolle von Vorläufern individueller kausaler Komponenten und von Confoundern einnehmen.

  8. Die Interpretation eines kausalen Effekts ist unter anderem von der Wahl der Vergleichsintervention (Komparator) abhängig.

  9. Regelbasierte Verfahren zur Kausalität (Henle-Koch-Postulate, Bradford-Hill-Gesichtspunkte) erlauben nur einen informellen kausalen Schluss und sollten nicht dogmatisch angewendet werden.