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DOI: 10.1055/s-0034-1396854
Intraläsionale Behandlung einer postoperativ entstandenen submandibulären Ranula
Intralesional Therapy of a Postoperatively Originated RanulaPublication History
Publication Date:
05 March 2015 (online)
Wir berichten über einen 40-jährigen Mann in gutem Allgemeinzustand, der sich im Mai 2013 mit einer postoperativ entstandenen zystischen Raumforderung in unserer Klinik vorstellte. In einer auswärtigen HNO-Abteilung wurde im März 2012 ein T1 N0 M0-Mundbodenkarzinom links mit Neck dissection beidseits reseziert. Anschließend bildete sich links zervikal die sichtbare, prallelastisch palpable Raumforderung ([Abb. 1]).
Ein Versuch der Exzision war auswärtig bereits 2-malig frustran unternommen worden.
In der MRT stellte sich die Raumforderung als zystisch-lobuliert mit folgender Ausdehnung dar: kraniokaudal 9,2 cm, koronar 3,5 cm und sagittal 3,9 cm ([Abb. 2]). Radiologisch ergab sich hier der Verdacht auf eine Zyste, differenzialdiagnostisch ein Lymphangiom oder eine Ranula.
Im viskösen Punktat aus der Raumforderung konnten mikrobiologisch keine Bakterien oder Sprosspilze nachgewiesen werden. Insbesondere ergaben wiederholte Zytologien keinen Hinweis auf Dysplasie oder Malignität, sondern lediglich den Nachweis von Makrophagen und nicht atypischen Epithelien, sodass wir die Diagnose einer submandibulären Ranula stellten.
Der Patient äußerte nachdrücklich einen Therapiewunsch, da er die Raumforderung als starke kosmetische Beeinträchtigung empfand. Er bat jedoch um die Ausschöpfung möglicher konservativer oder minimal-invasiver Therapiemaßnahmen, sodass wir ihn über die Möglichkeit einer lokalen Therapie mit Picibanil (OK-432) aufklärten, in die der Patient einwilligte.
Picibanil (= OK-432, benannt nach seinem Entwickler H. Okamoto 1966) ist ein Lysat bestehend aus Penicillin G und mit Wasserstoffperoxid attenuiertem Streptococcus pyogenes, welches 1966 von dem Japaner Okamoto (Okamoto H. et al. Jpn J Exp Med 1966; 36: 175–186) entwickelt wurde.
Das Wirkprinzip besteht aus einer Immunreaktion mit aseptischer Entzündung, welche die Einwanderung von neutrophilen Makrophagen, T-Lymphozyten und natürlichen Killerzellen zur Folge hat. Dies führt zunächst zu einer Zerstörung des Endothels und konsekutiv zu einer Verklebung des Zystensacks. Dadurch entsteht eine lokale Entzündung, die eine Schrumpfung des Gewebes nach sich zieht. Ursprünglich wurde die Substanz zur Therapie bei malignen Pleuraergüssen entwickelt und wurde 1987 auch zur Therapie von Lymphangiomen erfolgreich eingesetzt (Ogita S. et al. Br J Surg 1987; 74: 690–691).
Im Laufe der letzten 2 Jahrzehnte wurde Picibanil darüber hinaus zur Therapie von Chylusfisteln, medianen Halszysten und Ranulae verwendet (Ohta, N. et al. 2010; Acta Otolaryngol. 130: 1287–1292).
Wir applizierten Picibanil bei Erstgabe nach vorheriger Aspiration von etwa 30 ml Flüssigkeit intraläsional in einer Dosierung von 0,2 KE auf 10 ml NaCl.
Alle Applikationen verliefen komplikationslos, evtl. Nebenwirkungen oder allergische Reaktionen traten weder klinisch noch laborchemisch auf.
Bei der ersten klinischen Kontrolle nach 2 Wochen zeigte sich die Ranula deutlich regredient. Lokal bemerkte der Patient eine Spannung und eine „gummiartige Veränderung“ der Raumforderung, die sich im Verlauf dann deutlich verkleinerte. Wir führten das Prozedere noch 2 weitere Male durch: Bei der ersten Kontrolle konnten wir noch 13 ml, bei der zweiten Kontrolle schließlich nur noch 5 ml Flüssigkeit aspirieren. Letztlich war klinisch keine Raumforderung mehr sichtbar, palpabel oder sonografisch darstellbar und keine Aspiration von Flüssigkeit möglich ([Abb. 3]).
Weitere 2 Wochen später, 6 Wochen nach Erstbehandlung, führten wir erneut eine MRT durch, welche einen kleinen Residualbefund im Bereich des Spatium sublinguale, jedoch nicht mehr im Spatium submandibulare nachwies. Somit war der kosmetisch störende Anteil der Ranula nicht mehr vorhanden ([Abb. 4]) und ist seitdem auch nicht wieder aufgetreten, der Patient ist beschwerdefrei.
Eine submandibuläre Raumforderung kann verschiedene Ursachen haben. In manchen Fällen wie auch in unserem kann es sich um eine submandibuläre Ranula handeln. Diese kann sowohl funktionelle als auch kosmetische Einschränkungen erzeugen. Bislang gilt die chirurgische Exzision als Therapie der Wahl, mit dem Risiko einer Verletzung von Nerven, Gefäßen und Weichteilen oder postoperativen Entzündungen sowie auffälligen Narben. Im Fall von umfangreichen Voroperationen und frustranen chirurgischen Sanierungsversuchen ist eine Therapiealternative hilfreich. Bei Ranulae und bei medianen Halzysten konnten bislang durch verschiedene Autoren erfolgreiche Ergebnisse mit dem Lysat Picibanil beschrieben werden (Roh, Jong-Lyel et al.; 2008; Pediatr Otorhinolaryngol 72: 1405–1410). Über qualitative Unterschiede hinsichtlich der Erfolgsrate von Picibanil in Bezug auf die Beschaffenheit der Zysten wurde berichtet: Je kleiner eine zystische Raumforderung beschaffen ist, umso vollständiger und einfacher gelingt die Schrumpfung (Kim, MG et al.; 2008 Laryngoscope 118: 2177–2188). Auch Lymphangiome zeigen, wie bereits erläutert, eine gute Rückbildung nach Applikation von Picibanil (Ogita S. et al. Br J Surg 1987; 74: 690–691).
Unser beschriebener Fall demonstriert eine suffiziente Regression einer postoperativ entstandenen submandibulären Ranula nach Injektion von Picibanil. MRT-morphologisch stellte sich nach der Behandlung weiterhin ein kleiner Restanteil der lobulierten zystischen Raumforderung dar, welcher jedoch weder funktionell noch kosmetisch zu Einschränkungen für den Patienten führte. Der mit der Injektionsnadel erreichbare Anteil der Ranula hat durch vollständige Schrumpfung und Vernarbung auf die Instillation von Picibanil reagiert, sodass hier keine weiteren Operationen notwendig wurden.