Z Geburtshilfe Neonatol 2015; 219(2): 64
DOI: 10.1055/s-0034-1397682
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Hypertonie – Liberale versus strenge Blutdruckeinstellung bei Schwangerschaftshypertonie

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Publication Date:
22 April 2015 (online)

Hintergrund: Etwa 10 % der Schwangeren haben eine präexistente Hypertonie oder entwickeln im Verlauf der Schwangerschaft eine hypertensive Erkrankung. Sowohl der erhöhte Blutdruck an sich als auch eine zu starke medikamentöse Blutdrucksenkung können mit einem erhöhten Risiko für maternale und fetale Komplikationen assoziiert sein. Die kanadische Arbeitsgruppe untersucht mit Hilfe der CHIPS-Studie (Control of Hypertension in Pregnancy Study) die Auswirkungen einer weniger strengen im Vergleich zu einer strengen Blutdruckeinstellung auf das perinatale und maternale Outcome.

Methoden: In die internationale randomisiert und kontrollierte Multizenter-Studie wurden zwischen 2009 und 2012 987 Frauen mit vitaler Einlingsschwangerschaft (Gestationsalter 14 + 0 bis 33 + 6 SSW) und vorbestehender oder im Schwangerschaftsverlauf neu aufgetretener nichtproteinurischer milder Hypertonie (diastolischer Blutdruck 90–105 mmHg ohne medikamentöse Therapie bzw. 85–105 mmHg unter Antihypertensiva) eingeschlossen. Ein systolischer Blutdruck ≥ 160 mmHg stellte ein Ausschlusskriterium dar. 497 Schwangere erhielten eine weniger strenge Blutdruckeinstellung (diastolischer Zielwert 100 mmHg), und bei 490 Schwangeren erfolgte eine strenge Kontrolle der diastolischen Blutdruckwerte (Ziel 85 mmHg). Zur antihypertensiven Medikation wurde Labetalol empfohlen. Das primäre Outcome umfasste den kombinierten Endpunkt aus Schwangerschaftsverlust (Fehlgeburt, ektope Schwangerschaft, Schwangerschaftsabbruch, Totgeburt, neonataler Tod) und der Notwendigkeit einer intensiven neonatalen Betreuung ≥ 48 h innerhalb der ersten 28 Lebenstage. Das sekundäre Outcome umfasste schwere maternale Komplikationen während der ersten 6 Wochen post partum bzw. bis zur Klinikentlassung.

Ergebnisse: Bei 74,6 % der Schwangeren lag eine präexistente Hypertonie vor. Der systolische und diastolische Blutdruck waren in der Gruppe mit weniger strenger im Vergleich zur Gruppe mit strenger Einstellung im Durchschnitt um 5,8 mmHg bzw. 4,6 mmHg höher (jeweils p < 0,001). Schwangere mit liberaler Blutdruckkontrolle wurden vor sowie nach der Entbindung seltener mit Antihypertensiva behandelt (73,4 % vs. 92,6 %; p < 0,001 bzw. 65,5 % vs. 78,3 %; p < 0,001). Die Häufigkeit des Eintretens des primären Outcome bei den in diese Analyse eingeschlossenen Schwangerschaften (weniger strenge Blutdruckeinstellung n = 493; strenge Blutdruckeinstellung n = 488) unterschied sich nicht zwischen den beiden Behandlungsgruppen (31,4 % vs. 30,7 %; aOR 1,02; 95 %-Konfidenzintervall [KI] 0,77-1,35). Auch schwere maternale Komplikationen traten in beiden Gruppen gleich häufig auf (3,7 % vs. 2,0 %; aOR 1,74; 95 %-KI 0,79-3,84), meist bei Schwangeren mit Präeklampsie. Maternale Todesfälle wurden nicht verzeichnet. Schwangere mit liberaler Blutdruckeinstellung entwickelten im Vergleich zu Schwangeren mit strenger Einstellung häufiger eine schwere Hypertonie ≥ 160/110 mmHg (40,6 % vs. 27,5 %; aOR 1,80; 95 %-KI 1,34-2,38; p < 0,001).

Fazit

Eine strenge bzw. weniger strenge Blutdruckeinstellung in der Schwangerschaft führte zu keinen signifikanten Unterschieden hinsichtlich des Risikos für ein ungünstiges perinatales Outcome sowie für schwere maternale Komplikationen insgesamt. Allerdings entwickelten Schwangere mit liberaler Blutdruckkontrolle signifikant häufiger eine schwere Hypertonie.

Dr. Judith Lorenz, Künzell