Z Geburtshilfe Neonatol 2015; 219(3): 111
DOI: 10.1055/s-0034-1397794
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Geburtshilfe
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Ernährung – Muttermilch aus dem Internet – häufig durch Kuhmilch kontaminiert

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Publication Date:
26 June 2015 (online)

Hintergrund: Neben dem Teilen von Muttermilch mit Verwandten oder Freunden wird auch der kostenlose Vertrieb bzw. Verkauf über das Internet zunehmend populär. Die Verwendung von Muttermilch ungeprüfter Spender ist jedoch allein aus hygienisch-infektiologischer Sicht durchaus nicht unbedenklich, wie bereits gezeigt wurde. Keim et al. prüften nun, ob im Netz als Muttermilch beworbene Milch tatsächlich ausschließlich humanen Ursprungs ist oder möglicherweise auch Kuhmilch enthält.

Methoden: Die Arbeitsgruppe bestellte anonym insgesamt 102 als Muttermilch beworbene Proben aus dem Internet. Emailadresse, Zahlungsinformationen und Lieferadresse gaben keinen Hinweis auf Untersucher oder Institut. Zur Analyse der Proben auf mögliche Kuhmilchkontaminationen diente eine Echtzeit-Polymerase-Kettenreaktion, mit der das Vorliegen humaner und boviner Mitochondrien-DNA nachgewiesen werden konnte, im Einzelnen das Gen der Untereinheit 5 der Nikotinamid-Adenin-Dinukleotid-(NADH-)Dehydrogenase. Zur semiquantitativen Bestimmung des Ausmaßes der Kontamination stellte die Arbeitsgruppe Referenzmischungen aus Muttermilch und Kuhmilch bzw. Milchersatznahrung her, jeweils im Verhältnis 1:1 und 9:1. Auch aus diesen Mischungen wurde die DNA extrahiert und auf humane und bovine Anteile untersucht.

Ergebnisse: In allen Muttermilchproben konnte humane Mitochondrien-DNA nachgewiesen werden. Wie zwei Testdurchgänge zeigten, waren außerdem 11 Proben positiv auf bovine Mitochondrien-DNA. Von diesen Proben enthielten 10 eine Menge boviner DNA, die einem Kuhmilch- oder Milchersatznahrungsanteil von mindestens 10 % entsprach.

Fazit

Von über 100 online bezogenen Muttermilchproben enthielten 10 % mindestens ein Zehntel Kuhmilch, was nach Ansicht der Autoren davon ausgehen lässt, dass ein Kuhmilchprodukt zugesetzt wurde. Für Kinder mit einer Kuhmilchunverträglichkeit oder –allergie könne der Verzehr solcher Produkte durchaus problematisch sein, gesunde Kinder verlören den Nutzen einer ausschließlichen Ernährung mit Muttermilch und aus juristischer Sicht sei der Zusatz von Kuhmilch betrügerisch. Da Online-Bezieher die Zusammensetzung der Muttermilch vor Verwendung in der Regel nicht prüfen könnten, sollten sie sich dieses Risikos bewusst sein.

Kommentar

Neugeborene möglichst zu Stillen ist die allgemeine Empfehlung an junge Mütter. Von den Frauen, die sich dazu nicht in der Lage sehen, suchen rund drei Viertel Rat im Internet und finden dort auch Seiten, die den Handel mit Muttermilch erleichtern, stellen S. Steele et al fest. Weil Warnungen hinsichtlich der Risiken fehlen, kann der Erwerb von Muttermilch im Internet als eine gesunde und günstige Option erscheinen. Hier fallen im Gegensatz zu regulierten Milchbanken keine Kosten für routinemäßige Pasteurisierungen oder serologische Test auf Krankheiten (wie Hepatitis B und C, HIV) und Kontaminationen an. Die kostensparenden Maßnahmen führen zu einem hohen Risiko für Kontaminationen und Manipulationen. Pädiater, Allgemeinmediziner und Pflegende sollten junge Mütter nach Stillschwierigkeiten befragen und gegebenenfalls über sicherere Optionen als den Online-Markt beraten. Die Autoren des Editorials fordern dringend die Einführung einer gesetzlichen Regulierung dieses Marktes, um Gewinnung, Aufbereitung, Versand, Sicherheit und Qualität der hier vertriebenen Muttermilch zu verbessern. Steele S, Martyn J, Foell J. Risks of the unregulated market in human breast milk. BMJ 2015; 350: h1485

Ines Schulz-Hanke, Untermeitingen