Subscribe to RSS
DOI: 10.1055/s-0034-1397898
Abnabelung – Neurologische Entwicklung nach früher versus später Abnabelung
Publication History
Publication Date:
26 August 2015 (online)

Hintergrund: Wenn die Nabelschnur erst 2–3 Minuten nach der Geburt durchtrennt wird, kann durch die Transfusion des im plazentaren Kreislauf gespeicherten Bluts ein Anstieg des kindlichen Blutvolumens um bis zu 40 % erreicht werden. Ein Eisenmangel, der im Verlauf der Kindheit zu entwicklungsneurologischen Defiziten führen kann, ist bei spät abgenabelten Kindern im Alter von 4 bis 6 Monaten deutlich seltener nachweisbar. Die schwedische Arbeitsgruppe hat untersucht, ob sich eine späte Abnabelung positiv auf die langfristige neurologische Entwicklung der Kinder auswirkt.
Methoden: Im Rahmen einer randomisierten kontrollierten Studie wurden 382, zwischen 2008 und 2010 reif geborene, gesunde Kinder entweder früh (≤ 10 sec nach der Geburt) oder verzögert (≥ 180 sec) abgenabelt. Im Alter zwischen 48 und 51 Lebensmonaten wurden im Rahmen einer entwicklungsneurologischen Follow-up-Untersuchung die kognitiven und feinmotorischen Fähigkeiten der Kinder mit Hilfe des „Wechsler Preschool and Primary Scale of Intelligence“ (WPPSI-III) bzw. der „Movement Assessment Battery for Children“ (Movement ABC) objektiviert. Die Eltern beurteilten die motorische und sozial-kommunikative Entwicklung mit Hilfe des „Ages and Stages Questionnaire“ (ASQ), und das Verhalten der Kinder wurde mit Hilfe des „Strengths and Difficulties Questionnaire“ (SDQ) bewertet.
Ergebnisse: Die Daten von 263 Kindern (68,8 %) wurden analysiert. Im Alter von 4 Jahren ließen sich bei den Kindern mit früher bzw. später Abnabelung keine signifikanten Unterschiede bezüglich des mittels WPPSI-III gemessenen Gesamt-IQ, der einzelnen IQ-Subscores sowie des Anteils von Kindern mit einem unterdurchschnittlichen IQ-Wert nachweisen. In der Gruppe mit später Abnabelung hatten gemäß Movement ABC signifikant weniger Kinder Probleme mit dem Nachzeichnen einer Spur (3,8 % vs. 12,9 %; p = 0,02) sowie mit dem Halten eines Stifts (13,2 % vs. 25,6 %; p = 0,01). Nach später Abnabelung zeigte sich zudem eine signifikant bessere adjustierte mittlere Differenz (AMD) der mittels ASQ erfassten sozialen (AMD 2,8; 95 %-CI 0,8–4,7; p = 0,006) und feinmotorischen (AMD 2,1; 95 %-CI 0,2–4,0; p = 0,03) Entwicklung, und signifikant weniger Kinder hatten unterdurchschnittliche feinmotorische Fähigkeiten (3,7 % vs. 11,0 %; p = 0,03). Bezüglich des SDQ-Gesamtscore unterschieden sich die beiden Gruppen nicht. Allerdings erreichten die spät abgenabelten Kinder höhere Scores in der Kategorie „prosoziales Verhalten“ (AMD 0,5; 95 %-CI > 0,0–0,9; p = 0,05). Während die Mädchen der beiden Gruppen keine Unterschiede bezüglich der verschiedenen Beurteilungsparameter aufwiesen, zeigten die spät abgenabelten Jungen höhere Feinmotorik-Scores im WPPSI-III (AMD 4,2; 95 %-CI 0,8–7,6; p = 0,02), im Movement ABC (AMD 0,8; 95 %-CI 0,1–1,5; p = 0,03) sowie im ASQ (AMD 4,7; 95 %-CI 1,0–8,4; p = 0,01) und erreichten höhere Punktwerte in der sozialen Domäne des ASQ (AMD 4,9; 95 %-CI 1,6–8,2; p = 0,004).
Durch ein Hinauszögern der Abnabelung um wenige Minuten, so die Schlussfolgerung der Autoren, lassen sich bei Kindern im Niedrigrisikokollektiv langfristig signifikante Verbesserungen der feinmotorischen und sozialen Fähigkeiten erreichen. Insbesondere Jungen scheinen hierbei von einer späteren Durchtrennung der Nabelschnur zu profitierten. Dies führen Andersson et al. auf das erhöhte Risiko der Jungen für die Entwicklung eines Eisenmangels zurück.
Dr. Judith Lorenz, Künzell