Z Geburtshilfe Neonatol 2015; 219(06): 250
DOI: 10.1055/s-0034-1398056
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Neonatologie
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Entwicklungsneurologie – Besseres Outcome nach Lungenreife-Induktion

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Publication Date:
07 January 2016 (online)

Hintergrund: Die Induktion der fetalen Lungenreife mit Hilfe der antenatalen Applikation von Steroiden bei drohender Frühgeburt vor 34 abgeschlossenen Schwangerschaftswochen (SSW) senkt nachweislich die kurzfristige neonatale Mortalität und Morbidität. Es mehren sich jedoch Hinweise darauf, dass – insbesondere bei wiederholter Anwendung – mit ungünstigen Auswirkungen auf das entwicklungsneurologische Outcome der Kinder gerechnet werden muss. Sotiriadis und Kollegen haben anhand einer Metaanalyse die langfristige neurologische Entwicklung von Frühgeborenen nach einmaliger Steroidapplikation während der Schwangerschaft untersucht.

Methoden: Die griechische Arbeitsgruppe hat hierfür mit Hilfe einer systematischen Literaturrecherche 14 randomisierte, nicht-randomisierte sowie prospektive, retrospektive und Fall-Kontroll-Studien zu dieser Fragestellung identifiziert und analysiert. Es wurden die Daten von Schwangeren ausgewertet, die aufgrund einer drohenden Frühgeburt vor 34 abgeschlossenen SSW zur Beschleunigung der fetalen Lungenreife einmalig einen Zyklus (24 mg) Dexamethason oder Betamethason erhalten hatten. Das entwicklungsneurologische Outcome (leichte / schwere Behinderungen, infantile Zerebralparese, kognitive und psychomotorische Entwicklungsverzögerung) der überlebenden Kinder im Alter von 12 Monaten wurde mit dem der Kinder von nicht bzw. mit Placebo behandelten Müttern verglichen.

Ergebnisse: Die gepoolte Datenanalyse ergab, dass die einmalige Steroidapplikation zu einer signifikanten Verringerung des Risikos für eine infantile Zerebralparese (7 Studien, 6498 Kinder; Prävalenz exponierte vs. nicht exponierte Kinder: 7,6 vs. 10,6 %; RR 0,678; 95 %-CI 0,564–0,815), für schwere Behinderungen (5 Studien, 6051 Kinder; 32,4 vs. 39,2 %; RR 0,787; 0,729–0,850) sowie für eine psychomotorische Entwicklungsverzögerung (2 Studien, 4018 Kinder; 25,7 vs. 26,6 %; RR 0,829; 0,737–0,933) führte. Zudem war nach Steroidgabe eine höhere Rate gesund überlebender Kinder zu beobachten (6 Studien, 2644 Kinder; 51,9  vs. 48,7 %; RR 1,86; 1,056–1,332). Bezüglich der kognitiven Entwicklung, leichtgradiger Behinderungen sowie der verschiedenen Domänen der Intelligenztests gab es hingegen keine Unterschiede zwischen den Kindern behandelter und nicht behandelter Mütter. Die Verwendung von Betamethason zur Lungenreifeinduktion war mit einer signifikanten Verringerung des Risikos für eine schwere Behinderung (3 Studien, 1079 Kinder; 30,3 vs. 31,5 %; RR 0,776; 0,642–0,937) sowie für eine kognitive Entwicklungsverzögerung (2 Studien, 775 Kinder; 28,8 vs. 37,9 %; RR 0,762; 0,603–0,963) assoziiert und erhöhte die Rate gesund überlebender Kinder (4 Studien, 1213 Kinder; 47,5 vs. 43,5 %; RR 1,329; 1,047–1,686).

Fazit

Kinder von Müttern, die aufgrund einer drohenden Frühgeburt vor 34 SSW einmalig mittels Steroiden behandelt werden, so die Schlussfolgerung der Autoren, weisen bezüglich der meisten entwicklungsneurologischen Parameter ein besseres Outcome auf als nicht exponierte Kinder. Die in den weniger entwickelten Ländern zu beobachtende Steroid-Untertherapie sei daher nicht nur mit einer erhöhten respiratorischen Morbidität verbunden, sondern habe auch negative Auswirkungen auf die neurologische Entwicklung der Kinder. Aufgrund der meist geringen Qualität der Studien, so Sotiriadis et al., seien die Ergebnisse jedoch mit Vorsicht zu interpretieren.

Dr. Judith Lorenz, Künzell