Klinische Neurophysiologie 2015; 46(02): 78
DOI: 10.1055/s-0035-1548895
Buchbesprechung
© Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

Prägende Persönlichkeiten in Psychiatrie und Psychotherapie

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Publication Date:
30 June 2015 (online)

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Machen wir uns doch nichts vor! Die wenigsten von uns werden vorurteilsfrei über Psychiater denken, auch nicht an die Großen von ihnen. Muss derjenige nicht selbst wenigstens ein wenig seltsam sein, wer sich der Arbeit mit psychisch Kranken verschreibt? Aus der Sicht von uns Psychiatern bleibt zwar ein anderer Blickwinkel, aber die vorliegende Sammlung psychiatrischer Kurzbiografien oder Steckbriefe bedeutsamer Psychiater ist eine so ausgezeichnete und gut lesbare Lektüre, dass sie nicht nur von denselben gelesen werden darf!

Von Sigmund Freud mag man noch irgendeine Vorstellung haben, bei Jung wird die Schar der Kenner außerhalb von Fachkreisen schon kleiner, Alzheimer hat jeder schonmal gehört, ahnt aber höchstens, dass sich jemand hinter dem Namen verbergen mag. Dass hier nicht nur der Arzt gepriesen wird als Erstbeschreiber einer der bedeutendsten Krankheiten unserer Zeit sondern auch die Patientin, die 1906 auf der Tagung südwestdeutscher „Irrenärzte“, wie die Psychiater damals weitläufig hießen, das zeichnet in ganz besonderer Weise die quasi reformatorische Herangehensweise von Florian Steger von der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg aus.

Strukturiert in Biografie, Werk und Wirkung sowie jeweils eine weiterführende Literaturauswahl lernt man nicht nur Bleuler, Kraepelin, Schneider, Uexküll, Wernicke und Binswanger kennen, sondern insgesamt 40 fast ausschließlich bereits verstorbene, historische, prägende Persönlichkeiten des Faches in Text und Bild.

Und wer sich mit diesem Lexikon psychiatrischer Menschen einen Überblick verschafft, macht das entweder wie beiläufig von Persönlichkeit zu Persönlichkeit vielleicht zum Schlafengehen mit jeweils selten mehr als 10 Seiten literarischen Betthupferls – oder er liest diese Psychiatriegeschichte unbeherrscht an einem Stück durch.

Die Psychiatrie entbehrt eines angemessenen Verständnisses nicht nur in der breiten Gesellschaft, wo häufig nicht einmal Psychiater von Psychologen unterschieden werden können und „die Psychiatrie“ mit nichts weiterem als der geschlossenen Verwahrung von Gewalttätern aus der Zeitung verwechselt wird – sondern auch selbst im Kollegium benachbarter medizinischer Fachrichtungen mag ein Verstehen unserer Arbeit und deren Grund, unserer Patienten, oft nicht recht gelingen oder einfach nicht so nahe liegen, wie es dieses Buch schaffen könnte, auf dem Schreibtisch, Nachttisch oder im Zugabteil.

Markus Zedler, Hannover