Der Klinikarzt 2015; 44(3): 127
DOI: 10.1055/s-0035-1549406
Editorial
© Georg Thieme Verlag Stuttgart · New York

Möchten Sie Geschäftsführer einer Klinik sein?

Achim Weizel
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Publikationsverlauf

Publikationsdatum:
01. April 2015 (online)

Vor 20–30 Jahren wäre diese Frage von den möglichen Bewerbern wahrscheinlich ohne Einschränkung positiv beantwortet worden. Damals war die Welt der Kliniken noch in Ordnung und damit das Aufgabenspektrum der Verwaltungsdirektoren und Geschäftsführer überschaubar. Zu jener Zeit erfolgte die Abrechnung der Kliniken noch anhand der belegten Betten, sodass die Aufgabe des Verwaltungschefs im Grunde in diesem Bereich seiner Tätigkeit darin bestand, nach Ablauf des Geschäftsjahres von den Kostenträgern den errechneten Betrag (Preis pro belegtes Bett mal Tage) einzufordern.

Allerdings bestand schon damals in Krankenhäusern in privater Trägerschaft deutlich mehr Kostenbewusstsein als in den kommunalen Häusern, von den Universitätskliniken ganz zu schweigen.

Die Verwaltungsdirektoren kamen in jenen Jahren sehr häufig aus Nicht-medizinischen Bereichen (Einzelhandel, kommunale Verwaltung), arbeiteten sich gründlich in die Materie ein, leisteten gute Arbeit und gingen davon aus, dass ihre Position bis zum Ende ihres Berufslebens gesichert war.

All dies hat sich grundlegend geändert. Die meisten Krankenhäuser wurden in die Rechtsform einer GmbH überführt. Geschäftsführer haben heute in der Regel eine Ausbildung in Gesundheitsmanagement und/oder sind Betriebs- oder Volkswirte mit Studienschwerpunkt „Gesundheitsökonomie“. Häufig arbeiten Sie in der Führung mit einem Partner/Partnerin mit ärztlichem Hintergrund zusammen. Die Erwartungen, in der Position des Verwaltungschefs eines Krankenhauses das Pensionsalter zu erreichen, wie das früher üblich war, sind allerdings häufig illusorisch. In vielen Häusern beträgt die „Halbwertszeit“, insbesondere in Kliniken mit schwierigen wirtschaftlichen Verhältnissen, nur wenige Jahre. Dies erinnert fatal an die Situation von Bundesligafußballtrainern, deren Existenz ebenfalls eng mit dem Erfolg der Mannschaft verknüpft ist.

Die Gründe dafür, dass immer mehr Krankenhäuser defizitär werden, liegen meiner Meinung nach in dem derzeitigen mangelhaften Krankenhausfinanzierungssystem. Solange die Ertragssteigerungen im Krankenhauswesen deutlich hinter den Kostensteigerungen – insbesondere im Personalbereich – zurückbleiben, können Defizite nur durch Mehrleistungen und/oder Sparmaßnahmen vermieden werden. Hier sind die Grenzen jedoch eng gesteckt. Mehr Leistungen zu erbringen ist ohne medizinische Indikation nicht möglich und daher eng begrenzt. Sparmaßnahmen sind irgendwann ausgeschöpft und unter Qualitätsgesichtspunkten und Risikoaspekten sehr eingeschränkt.

Mit der Einführung der DRGs sind wirtschaftliche Gesichtspunkte in den Vordergrund des Handelns getreten. Dies hat dazu geführt, dass die Verwaltungschefs in vielen Fällen zunehmend versuchen, eine steuernde Funktion zu übernehmen. Von den Chefärzten werden Leistungen erwartet, die den ökonomischen Gesichtspunkten Rechnung tragen. Investitionen werden häufig unter wirtschaftlichen Gesichtspunkten getätigt, was nicht selten zur Benachteiligung von Abteilungen führt, die weniger ertragreich sind (Beispiel: Gastroenterologie versus Kardiologie). Die Geschäftsführer stehen ihrerseits unter massivem Druck. Führt das Eingehen auf die Wünsche der Ärzte und des Pflegepersonals zu einem negativen Betriebsergebnis, so wird dies dem Verwaltungschef angelastet und führt nicht selten zur Auflösung seines Dienstvertrages. Wenn man jetzt noch bedenkt, dass selbst ein positives Ergebnis nicht immer eine Garantie für weitere Unterstützung durch den Träger bedeutet, so wird deutlich, wie schwierig sich die Situation vieler Krankenhausmanager darstellt. Nach Ausnutzen aller Sparmaßnahmen (Auslagerung von Leistungen, Einkaufsgemeinschaften etc.) bleibt praktisch nur der Personalsektor als finanzielle Reserve übrig. Hier lassen sich Einsparungen durchführen, die unterm Strich ein positives Gesamtergebnis ergeben könnten. Diese Ersparnis auf dem „Rücken der Mitarbeiter“ hat in manchen Häusern zu der scheinbar paradoxen Situation geführt, dass der Verwaltungschef trotz positiver Ergebnisse seine Position verloren hat.

Solange die systemimmanenten Mängel der Finanzierung des Krankenhauswesens nicht beseitigt werden, ist die Position eines Geschäftsführers im Krankenhaus als außerordentlich schlecht und risikoreich zu bezeichnen. Verbessert werden kann diese Situation nur dann, wenn man es schafft, mit dem Träger, den ärztlichen und nicht-ärztlichen Mitarbeitern ein gegenseitiges Vertrauensverhältnis aufzubauen. In diesem Zusammenhang müssen die Ärzte einsehen, dass die medizinische Qualifikation nicht automatisch auch eine Beurteilung der wirtschaftlichen Lage mit einschließt, die Geschäftsführer ihrerseits sollten den medizinischen Sachverstand der Ärzte akzeptieren. Wenn diese Voraussetzungen zutreffen, sollte es auch möglich sein, gemeinsam schwierige Zeiten zu überstehen.