Z Orthop Unfall 2015; 153(02): 134
DOI: 10.1055/s-0035-1550351
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Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

Die distale Radiusfraktur des älteren Mannes – Eine vergebene Chance?

Rezensent(en):
Matthias Schoen
Harper CM, Fitzpatrick SK, Zurakowski D et al.
Distal radial fractures in older men. A missed opportunity?.

J Bone Joint Surg Am 2014;
96: 1820-1822
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Publikationsverlauf

Publikationsdatum:
21. April 2015 (online)

 

Bei distalen Radiusfrakturen handelt es sich um eine der häufigsten Frakturen des Menschen. Der Einfluss von Osteoporose auf Frakturhäufigkeit und Komplexität ist bekannt und insbesondere bei Frauen untersucht. Harper et al. verglichen die Daten von Frauen und Männern.
Harper CM, Fitzpatrick SK, Zurakowski D et al. Distal radial fractures in older men. A missed opportunity? J Bone Joint Surg Am 2014; 96: 1820–1827

Einleitung

Ziel der Studie war die Untersuchung von Frakturcharakteristika, Behandlungsstrategien und dem Vorliegen von Osteoporose im Vergleich von Frauen zu Männern. Die Autoren gingen vor der Studie davon aus, dass bei männlichen Patienten eine geringere Rate an Osteoporose vorliegt.


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Methodik

In dieser retrospektiven Studie wurden 95 Männer und 344 Frauen über einen Zeitraum von 5 Jahren untersucht. Es handelte sich dabei um Patienten mit einem Alter von über 50 Jahren (Männer: 64,6 ± 11, Frauen: 68,4 ± 12), die eine distale Radiusfraktur erlitten und behandelt wurden. Die Knochendichte-Messung mittels Doppelröntgen-Absorptiometrie (DXA) und die Osteoporose-Behandlung innerhalb von 6 Monaten nach Verletzung wurden bewertet. Multivariante Analysen zeigten unabhängige Einflussgrößen der Knochendichte (BMD) und der Osteoporosebehandlung.


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Ergebnisse

Mit einem Anteil von 20 % Typ C-Frakturen bei Männern konnte eine signifikant geringere Anzahl an komplexeren Frakturen nachgewiesen werden (Frauen 40 %, p = 0,014). Während 53 % (184) der Frauen nach Radiusfraktur eine DXA-Messung erhielten war der Anteil mit 18 % (17) bei den Männern signifikant geringer (p < 0,001). Bei den mittels DXA-Messung untersuchten Patienten konnte bei 9 Männern (53 % der untersuchten Patienten, 9 % insgesamt) und 65 Frauen (19 %) eine Osteoporose nachgewiesen werden. Nur in 21 % der Fälle wurde bei Männern (Frauen: 55 %) eine antiresorptive Therapie mit Calcium und Vitamin D und in 3 % (Frauen:

22 %) mit Bisphosphonaten begonnen. Männliches Geschlecht war eine unabhängige Einflussgröße, keine Testung der Knochendichte sowie eine anschließende Behandlung mit Calcium, Vitamin D oder Bisphosphonaten zu erhalten (p < 0,001).

Die Studie konnte nachweisen, dass, entgegen der bestehenden Richtlinien, signifikant weniger Männer eine Untersuchung und Therapie hinsichtlich des Vorliegens einer Osteoporose beim Vorliegen einer distalen Radiusfraktur erhielten.

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Werden Männer und Frauen unterschiedlich behandelt? (Bild: Markus Dehlzeit / Fotolia.com)

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Kommentar

Frakturen aufgrund geminderter Knochenqualität können als epidemisch angesehen werden. Deshalb besteht die Notwendigkeit nach stattgehabten Knochenbrüchen eine umfangreiche Diagnostik und Therapie sowie Sekundärprävention durchzuführen. Es ist bekannt, dass Diagnostik und Behandlung der Osteoporose bei Männern im Vergleich zu Frauen deutlich geringer ausfallen. In der vorgestellten Studie zeigen die Autoren, den distalen Radius betreffend, einige entscheidende Unterschiede in der Diagnostik und Therapie auf. Dieser Studie folgend ist es 15,7fach unwahrscheinlicher als Mann eine Therapie zu bekommen, die bei einer Frau durchgeführt werden würde. Dies zeigt die vorhandene Kluft zwischen Bewusstsein und Einsicht bzw. dem darauffolgenden Handeln, dass auch bei Männern osteoporotische Frakturen vorliegen und erklärt die signifikant geringer ausfallende Diagnostik und Behandlung einer „männlichen“ Osteoporose.

Wenn nur 18 % der männlichen Patienten eine DXA-Messung erhalten, sich bei 53 % eine Osteoporose diagnostizieren lässt, aber nur in ca. einem Viertel der Fälle eine medikamentöse Behandlung begonnen wird, sollte, um das hohe Risiko von Folgefrakturen zu verhindern, die vorgestellte Studie zu einem Überdenken der Diagnostik und Therapie der Osteoporose beim männlichen Geschlecht führen.


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Werden Männer und Frauen unterschiedlich behandelt? (Bild: Markus Dehlzeit / Fotolia.com)