Psychiatr Prax 2015; 42(07): 403
DOI: 10.1055/s-0035-1552760
Mitteilungen BDK
© Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

Mitteilungen aus der Bundesdirektorenkonferenz (BDK)

Gerhard Längle
1   Tübingen/Bad Schussenried
,
Thomas Pollmächer
2   Ingolstadt
› Author Affiliations
Further Information

Publication History

Publication Date:
07 October 2015 (online)

 

Arbeitskreis Psychiatrie und Migration der BDK

Die BDK hat schon früh die Bedeutung von Migration für die psychiatrische Versorgung erkannt. Bereits 2001 wurde der AK Migration von dem damaligen Vorsitzenden der BDK Manfred Wolfersdorf ins Leben gerufen und besteht aktuell aus 17 Mitgliedern. Die Mehrzahl vertritt Kliniken für Psychiatrie und Psychotherapie, es wurden auch Vertreter von Kinder- und Jugendpsychiatrie, Psychosomatik, Psychiatrischen Abteilungen und der Universitätspsychiatrie aufgenommen, um ein möglichst breites Spektrum psychiatrischer Versorgung zu repräsentieren.


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Die Mitglieder sind in verschiedenen Arbeitskreisen und Gesellschaften, die sich mit Fragen der Migrationspsychiatrie befassen, aktiv: u. a. in der Deutsch-Türkischen Gesellschaft für Psychiatrie, Psychotherapie und psychosoziale Gesundheit e. V. (DTGPP), der Deutsch-Russischen Gesellschaft für Psychiatrie, Psychotherapie, Psychosomatik e. V. (DRGPPP), dem Referat Transkulturelle Psychiatrie der DGPPN, dem Arbeitskreis Migration und öffentliche Gesundheit der Beauftragten der Bundesregierung für Migration, Flüchtlinge und Integration sowie der Arbeitsgemeinschaft Ethnomedizin e. V. (AGEM). Die Gruppe trifft sich in unregelmäßigen Abständen mindestens zweimal jährlich in der Vitos Klinik für Psychiatrie und Psychotherapie in Marburg.

Ziel der AG ist es, Probleme in der klinischen Versorgung zu eruieren und Anregungen für Versorgungskonzepte zu geben. Da Daten zur Inanspruchnahme stationärer psychiatrischer und psychotherapeutischer Versorgung bei Patienten mit Migrationshintergrund bei Gründung des AK kaum vorlagen, ging es zunächst um die Erhebung neuer Daten. Nach unserer Pilotstudie 2004 in 12 psychiatrisch-psychotherapeutischen und psychosomatischen Kliniken und Abteilungen mit 2211 Betten [1] wurden Patienten mit Migrationshintergrund – im Gegensatz zu früheren Untersuchungen – ihrem Anteil an der Wohnbevölkerung entsprechend stationär-psychiatrisch behandelt. Allerdings war die Verteilung innerhalb der psychiatrischen Versorgungsstrukturen anders als bei Deutschen: der höchste Anteil fand sich in der Forensik, der niedrigste in der Psychotherapie.

Die Ergebnisse einer repräsentativen Umfrage 2006 mit 350 Psychiatrischen Kliniken in Deutschland [2] bestätigen die wesentlichen Aussagen unserer Pilotstudie. Eine Umfrage bei Institutsambulanzen [3] erbrachte einen hohen Anteil von Patienten mit Migrationshintergrund.

Obwohl Menschen nichtdeutscher Herkunft seit Jahrzehnten zum Alltag der psychiatrisch-psychotherapeutischen Versorgung gehören, haben sie weiterhin Schwierigkeiten beim adäquaten Zugang zum deutschen Gesundheitssystem. Wie die aktuelle Umfrage des AK bestätigt [4], sind die Ursachen in Kommunikationsbarrieren, Unterschieden im Krankheitsverständnis, dem Bildungsniveau, einer häufig schwierigen sozialen Situation und weiteren migrationsbezogenen Belastungen zu sehen. Angemessene psychiatrisch-psychotherapeutische Versorgung für Menschen mit Migrationshintergrund kann nur über verbesserte kulturelle Sensibilität aller Mitarbeiter erreicht werden. Voraussetzung hierfür ist die interkulturelle Öffnung der Krankenhäuser und Trainingsmaßnahmen [5].

Migrationsbezogene Daten sollten in den elektronischen Krankenhaus Informations-Systemen Eingang finden. Gerade in Anbetracht der steigenden Flüchtlingszahlen ist die Frage der Organisation und Finanzierung professioneller und gleichzeitig kostengünstiger Dolmetscherdienste in den psychiatrischen Kliniken ein wesentliches Thema. Seitens des AK wurde auch ein Antrag bei DIMDI zur Berücksichtigung von Zusatzdiagnostik bei Migrationsfragen gestellt. Ein Psychoedukationsmanual mit spezifischen Migrationsthemen wird z. Zt. erarbeitet. Auch besteht das Anliegen, kulturelle Aspekte ins ICD-11 aufzunehmen.

Unter Beteiligung von Mitgliedern des AK erschien die Broschüre „Das kultursensible Krankenhaus – Ansätze zur interkulturellen Öffnung“, herausgegeben von der Beauftragten der Bundesregierung für Migration, Flüchtlinge und Integration. Diese Broschüre kann kostenfrei bestellt werden und ist auch online verfügbar.

Korrespondenzadresse

Prof. Dr. med. Eckhardt Koch

Ltd. Arzt Interkulturelle Psychiatrie, Migrations- und Ethikbeauftragter

Vitos Klinikum Gießen-Marburg

Cappeler Straße 98

35039 Marburg

eckhardt.koch@vitos-giessen.marburg.de


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  • Publikationen des AK Migration (Auswahl)

  • 1 Koch E, Hartkamp N, Siefen RG et al. Patienten mit Migrationshintergrund in stationär-psychiatrischen Einrichtungen. Nervenarzt 2008; 79: 328-339
  • 2 Schouler-Ocak M, Bretz HJ, Penka S et al. Patients of Immigrant Origin in Inpatient Psychiatric Facilities. Eur Psychiatry 2008; 23: S21-27
  • 3 Schouler-Ocak M, Bretz HJ, Hauth I et al. Patienten mit Migrationshintergrund in Psychiatrischen Institutsambulanzen. Psychiat Prax 2010; 37: 384-390
  • 4 Koch E, Assion HJ, Bender M et al. Interkulturelle Öffnung der psychiatrischen Kliniken in Deutschland. Nervenheilkunde 2014; 6: 427-433
  • 5 Koch E, Staudt J, Gary A. Interkulturelle Öffnung. F&W 2015; in press
  • 6 Assion HJ, Calliess IT. Marginalisierung von kulturellen Faktoren im ICD 10. Revisionsbedarf im ICD 11. Nervenheilkunde 2014; 6: 455-458
  • 7 Koch E, Assion HJ. Transkulturelle Psychiatrie: Alltag in Kliniken und Praxen. Psychiatrie und Psychotherapie up2date 2011; 5: 301-311

  • Publikationen des AK Migration (Auswahl)

  • 1 Koch E, Hartkamp N, Siefen RG et al. Patienten mit Migrationshintergrund in stationär-psychiatrischen Einrichtungen. Nervenarzt 2008; 79: 328-339
  • 2 Schouler-Ocak M, Bretz HJ, Penka S et al. Patients of Immigrant Origin in Inpatient Psychiatric Facilities. Eur Psychiatry 2008; 23: S21-27
  • 3 Schouler-Ocak M, Bretz HJ, Hauth I et al. Patienten mit Migrationshintergrund in Psychiatrischen Institutsambulanzen. Psychiat Prax 2010; 37: 384-390
  • 4 Koch E, Assion HJ, Bender M et al. Interkulturelle Öffnung der psychiatrischen Kliniken in Deutschland. Nervenheilkunde 2014; 6: 427-433
  • 5 Koch E, Staudt J, Gary A. Interkulturelle Öffnung. F&W 2015; in press
  • 6 Assion HJ, Calliess IT. Marginalisierung von kulturellen Faktoren im ICD 10. Revisionsbedarf im ICD 11. Nervenheilkunde 2014; 6: 455-458
  • 7 Koch E, Assion HJ. Transkulturelle Psychiatrie: Alltag in Kliniken und Praxen. Psychiatrie und Psychotherapie up2date 2011; 5: 301-311