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DOI: 10.1055/s-0035-1559673
Auf dem Balint-Weg. Unser vierter Frühling
Publikationsverlauf
Publikationsdatum:
21. Oktober 2015 (online)

Wie schnell die Zeit vergeht! Wir begegnen schon den vierten Frühling in Potsdam zusammen mit Balint.
Alles fing in 2012 an, als 2 unserer Kollegen (Tatjana Tischkowa und Nikolaj Klepikow) nach der Einladung von Hr. Dr. Loesch entschieden haben, nach Potsdam auf das Seminar der Balint-Gruppen zu kommen. Die Teilnahme an der Gruppe wurde für sie zu einer emotionalen Ausnahmeerfahrung. Die bunten Eindrücke haben sie nach Moskau mitgebracht. Das Treffen von 2 Kulturen wurde zur größten Erfahrung für sie: es kamen 2 verschiedene Wahrnehmungen und 2 unterschiedliche Arten sich auszudrücken zusammen – mehr rational bei den deutschen Kollegen und mehr emotional bei den russischen. Für alle, sowohl für die Russen, als auch für die Deutschen, war es eine interessante Erfahrung, keiner blieb gleichgültig. Der Professionalismus der Leiter des Seminars hat einen großen Eindruck hinterlassen. All dies war sehr motivierend und man wollte dieses neue Wissen unbedingt erlangen…
Der zweite wichtige Schritt auf unserem „Balint-Weg“ wurde der 1. Moskauer russisch-deutsche Kongress der Balint-Gruppen in 2013. Aus Deutschland kamen Hr. Dr. Wolfgang Loesch, Frau Dr. Heide Otten und Frau Dr. Ramona Stettnisch zu uns. Wir haben uns bemüht, so viel wie es geht russische Psychologen über diesen Kongress zu informieren. Auf unseren Aufruf haben die Fachkräfte aus verschiedensten Ecken Russlands geantwortet – aus Moskau, Sankt Petersburg, Rostow am Don, Nishnij Nowgorod, Kogalym, Novosibirsk, sogar aus Wladiwostok kamen Interessierte zu diesem Termin. Über 40 Fachleute versammelten sich in Moskau. 18 von ihnen wollten sich nach dem Kongress als Leiter der Balint-Gruppen bei der deutschen Balint-Gesellschaft ausbilden lassen. Nach den Anforderungen von den DBG für die Leiter der Balint-Gruppen mussten wir ungefähr 14 Dreitagesseminare besuchen. Also haben wir uns mit Enthusiasmus darangemacht!
Der Sommer 2013 wurde zum heißesten für uns, weil sich 9 größte Enthusiasten entschlossen haben, alle für diesen Sommer geplanten DBG Seminare zu besuchen (Potsdam, Braunlage, Aachen, Wienhausen, Regensburg). Es passierte manchmal, dass unsere Ankunft zu einem oder anderem Seminar als eine Überraschung für die Organisatoren kam. Also bedanken wir uns noch mal bei Ihnen, dass Sie uns doch empfangen haben und uns geholfen haben, all die Schwierigkeiten zu überwinden, unter anderem auch das Problem von der deutsch-russischen und russisch-deutschen Übersetzung.
Wir haben enorme Erfahrung bekommen und verstanden, was die Balint-Arbeit bedeutet, wie facettenreich sie ist und wie wichtig sie ist für die Entwicklung vom Professionalismus. Jedes Seminar hatte einen ähnlichen Ablauf: zuerst entstand eine gewisse Spannung, Anregung und die Anpassung wegen der Übersetzung ins Russische. Später tat «die internationale Sprache der Emotionen» ihre Arbeit, dank dieser kam das gegenseitige Verständnis, die Annahme und die große Freude. Jeder von uns empfand Wärme, Erleichterung und Befreiung. Jedes Mal trennten wir uns von den deutschen Kollegen wie von guten Freunden. Wir nahmen mit uns tiefe, emotionale, und bereichernde Erfahrung – ein weiterer Schritt zum Begreifen der menschlichen Seele.
Wir setzen uns bei allen Balint-Seminaren mit den psychotherapeutischen Fällen auseinander, wir betrachten die Besonderheiten der Interaktion des Arztes und des Patienten. Aber ist es dann schon Alles?! Jedes Mal interagieren wir miteinander, wir öffnen unsere Gefühle, wir teilen unsere Gedanken und Emotionen, wir bemühen uns, einander nach Ebenbildern und Metaphern zu verstehen. Es ist so intim und tatsächlich schön! Ich denke, dass wir diese emotionale Erfahrung ins Leben, in die Beziehungen mit den Patienten, Kollegen, Freunden und Familienmitgliedern einbringen. Diese Erfahrung bereichert uns, macht uns feinfühliger, duldsamer, besser. Sie trägt in sich das Beste, was für uns Menschen bedeutsam ist. Eine Aussage hat mich sehr beeindruckt. Ich sprach in Aachen mit einem Kollegen aus Australien (!) Ich sagte: «Sie kommen von so weit her»! Er hat mir lachend geantwortet: «Hier habe ich meine Balint-Familie”…wir sahen uns in die Augen ein bisschen länger als gewöhnlich…
Tatsächlich, in der Balint-Gesellschaft existiert eine besondere Atmosphäre. Sie gibt das Gefühl des Zuhause, der Wärme, des Komforts. In der Geschäftswelt könnte man das als «korporativen Geist» nennen. Hier, bei uns, haben wir nicht den Geist – wir haben die Seele. Im Russischen „duscha“, wie auch im Deutschen ist „die Seele“ weiblich.
Wohin führt uns also unser geliebte“ Balinterfahrung?
Besser im Beruf werden? – Ja!
Die Gesellschaft von Gleichgesinnten zu suchen? – Ja!
Eigene Erfahrungen den Anderen zu vermitteln – Ja!
Und doch… Mir scheint es, dass das Wichtigste woanders liegt:
wenn du dem Balint folgst, kommst du zum Ursprung, zu dem, was hinter den Worten steht… Womöglich höher als die Worte, weil man es nicht mit Worten ausdrücken kann… Es bedarf keiner Übersetzung, man kann es nur mit Gefühlen erfassen…
Dieses Licht, dass uns erleuchtet, darf man nicht in sich behalten! Man muss es den Anderen weitergeben!…
Elena Ivanova,
Psychoanalytische Psychotherapeutin, Leiterin Balint Gruppen