Zusammenfassung
Eine Kastration ist immer eine Amputation im Sinne des § 6, Abs. 1 Tierschutzgesetz. Die Indikationen für eine Kastration im Rahmen einer Tierverhaltenstherapie sind von klinisch indizierten Eingriffen zu unterscheiden, auch wenn es sich in beiden Fällen um eine therapeutische Maßnahme handelt. Ebenso wie die klinisch indizierten Eingriffe erfordern die tierverhaltenstherapeutischen Indikationen eine umfassende Diagnosestellung, sowohl aufgrund der individuell unterschiedlichen Genese als auch aufgrund der Schwierigkeit, im Vorfeld die Auswirkungen einer Kastration auf das zu therapierende Verhalten einzu-schätzen. Verbesserungen im Verhalten bei Rüden konnten bisher bei geschlechtsspezifischen Verhaltensproblemen nachgewiesen werden, insbesondere bei rangbezogener Aggression, Harnmarkieren, Stubenunreinheit, unerwünschtem Bespringen und Streunen. Bei Hündinnen gilt die übersteigerte maternale Aggression als Indikation. Bei der Einschätzung der potenziellen Auswirkungen der Kastration auf das individuelle Verhalten müssen die Lernerfahrung (z. B. bei „erfahrenen Deckrüden”), das Alter und die Gruppenzusammensetzung in einem Mehrhundehaushalt berücksichtigt werden. Die indirekten Einflüsse auf das Verhalten, beispielsweise eine Reduzierung der generellen Aktivität oder eine höhere Reizschwelle bei direkter Bedrohung durch Artgenossen (Rüden sind leichter ablenk-und somit trainierbar), machen für viele Besitzer den Umgang mit einem kastrierten Hund im Alltag leichter. Eine Kastration stellt allerdings kein Allheilmittel dar, um den Umgang mit Hunden zu erleichtern, sondern bedarf einer exakten tierverhaltenstherapeutischen Indikation, da sonst mit der Kastration gegen das Tierschutzgesetz verstoßen wird.
Summary
The castration of dogs is an amputation covered by Section 6 (1) of the Animal Protection Law in Germany. Apart from the general indications given by veterinary medicine, castration of an animal is a potential method of animal behaviour therapy. However, the highly variable, individual effects of castration on behaviour require detailed diagnosis by the veterinarian. Castration appears to exert its strongest influence on sexually dimorphic behaviour patterns in male dogs, e.g. statusrelated aggression, urine marking, mounting, house-soiling problems, and roaming. An indication to castrate a bitch is maternal aggression. When evaluating the effects of castration, one should always consider individual circumstances, such as learning experience (for example in the case of “experienced copulators”), age, and pack behaviour (if there is more than one dog in the household). Additional benefits of castration include a reduction in the dog’s general activity level, decreased preparatory arousal and a decline in the dog’s ability to focus its attention fully on the target of attack. As a result, it is much easier for the owner to disrupt and manage or control the dog’s agonistic intentions. However, castration is not the ultimate remedy in dog-handling. Any decision in this respect should be based on a precise behaviourrelated indication. Otherwise, such surgery may well violate the Animal Protection Law.
Schlüsselwörter
Kastration - Hund - Tierverhaltenstherapie - Tierschutz
Key words
Castration - dog - animal behaviour therapy - animal welfare