Nervenheilkunde 2003; 22(01): 47-53
DOI: 10.1055/s-0038-1624361
Original- und Übersichtsarbeiten/Original and Review Articles
Schattauer GmbH

Die gutachtliche Beurteilung psychischer Spätschäden nach Konzentrationslagerhaft im Rahmen von Verschlimmerungsanträgen bei Verfolgungsleiden

Expert opinion about psychiatric long term damages by imprisonment in concentration camp in case of applications for worsening of persecution damages
R. M. Kirchhoff
1   Institut für Arbeitsmedizin, Zentrum für Human- und Gesundheitswissenschaften der Berliner Hochschulmedizin der Freien Universität Berlin und der Humboldt-Universität zu Berlin
,
G. M. Kirchhoff
1   Institut für Arbeitsmedizin, Zentrum für Human- und Gesundheitswissenschaften der Berliner Hochschulmedizin der Freien Universität Berlin und der Humboldt-Universität zu Berlin
,
G. Schäcke
1   Institut für Arbeitsmedizin, Zentrum für Human- und Gesundheitswissenschaften der Berliner Hochschulmedizin der Freien Universität Berlin und der Humboldt-Universität zu Berlin
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Publication Date:
15 January 2018 (online)

Zusammenfassung

In der Zeit des Nationalsozialismus in Deutschland von 1933–1945 wurden viele Menschen aus religiösen, ethnischen, politischen und anderweitigen Gründen verfolgt. Sie mussten eine oft mehrere Jahre andauernde Haft in Konzentrationslagern oder ähnlichen Einrichtungen erleiden und erlitten oft psychische und physische Traumen in einer auch heute kaum vorstellbaren Dimension. Nach dem Kriegsende wurden überlebende Konzentrationslagerhäftlinge zum Teil ärztlich untersucht und nach Erstellung medizinischer Gutachten bemühte sich die Bundesrepublik Deutschland, das während des Dritten Reiches erlittene Unrecht zu entschädigen. Mit dem noch relativ kurzen Abstand zu der Konzentrationslagerhaft wurde seinerzeit ein breites Spektrum an, damals als erlebnisreaktiv bezeichneten, psychischen Schäden dokumentiert und als Spätschäden festgehalten. In der Vielzahl der Fälle überwog damals bei den Geschädigten die Tendenz, das während der Haft Erlebte zu verdrängen. Deshalb war es auch schwierig, die gesamte Breite der psychosomatischen Reaktionen zu erfassen und zu entschädigen. Heute zeichnet sich teilweise ein anderes Bild ab, da die Betroffenen mit zunehmendem Abstand zu dem erlittenen Trauma sich ganz neu mit den erlebten Gräueln befassen, diese teilweise neu durchleben und auch eine intensivere Qualität psychosomatischer Reaktionen zeigen. Diese lassen sich heute als Spätschäden der Konzentrationslagerhaft erfassen.

Summary

During the NS-period in Germany from 1933–1945 many people were persecuted for ethnic, political and other reasons. They suffered extreme trauma and in many cases spent several years in concentration camps or similar establishments. They had to bare psychological and physiological traumas in a dimension unimaginable today. After their liberation a lot of these people were examined by German doctors and doctors from other nations, especially from the USA and Israel. The federal republic of Germany tried to compensate the crime victims. Because the time elapsed since the patients left the concentration camps was very short, the doctors providing an expert opinion saw a large variation of diagnoses, which were named as psychoreactive and identified as long term psychiatric damage. In most cases, it was recognized that the damaged patients tried to suppress all memory of the crime, so therefore it was difficult to determine the total amount of psychosomatic problems, and to compensate them. Today we see a particularly different situation, because the prisoners live with a greater distance to the period spent in concentration camps. They remove the crime into their mind and so they experience the suffering once more and much more intensively showing a stronger manifestation of psychosomatic reactions. This should be recognized today as long term damage by persecution in concentration camps.

 
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