Nervenheilkunde 2012; 31(04): 231-235
DOI: 10.1055/s-0038-1628150
Neurophilosophie und Neuroethik
Schattauer GmbH

Therapieentscheidungen bei Wachkoma-Patienten

Analyse deutscher Gerichtsurteile und RechtslageTreatment decisions for patients in the vegetative stateAnalysis of German court decisions and law
T. Budick
1   Institut für Ethik, Geschichte und Theorie der Medizin, Ludwig-Maximilians-Universität München
,
S. T. Vogel
2   Interdisziplinäres Wissenschaftliches Zentrum Medizin-Ethik-Recht, Martin-Luther-Universität, Halle-Wittenberg
,
R. J. Jox
1   Institut für Ethik, Geschichte und Theorie der Medizin, Ludwig-Maximilians-Universität München
3   Interdisziplinäres Zentrum für Palliativmedizin, Klinikum der Universität München
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Publikationsverlauf

Eingegangen am: 10. Oktober 2011

angenommen am: 28. Dezember 2011

Publikationsdatum:
23. Januar 2018 (online)

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Zusammenfassung

Gegenstand und Ziel: Entscheidungen über lebenserhaltende Therapie bei Patienten im Wachkoma wurden oft vor Gerichten verhandelt. In dieser Studie wurden die Gerichtsurteile auf ihre ethischen Begründungsstrukturen hin analysiert. Material und Methoden: Veröffentlichte deutsche Gerichtsurteile zu Wachkoma-Patienten von 1994 bis 2010 wurden über Datenbanken identifiziert. Die Texte wurden einer Dokumentenanalyse unterzogen, wobei die Methode der Qualitativen Inhaltsanalyse angewandt wurde. Ergebnisse: Es wurden 30 Urteile identifiziert, die meisten aus dem Betreuungsrecht. Sie bezogen sich auf 17 Patienten, bei denen es stets um die künstliche Ernährung und Hydrierung ging. In zehn Fällen führten soziale Konflikte zu den Prozessen. Die Urteile basieren auf den ethischen Prinzipien des Patientenwillens und des Patientenwohls. Letzteres verbanden die Richter mit Bewusstsein und Kommunikationsfähigkeit, wobei auch die Prognose eine Rolle spielte. Schlussfolgerungen und klinische Relevanz: Die Urteile haben inzwischen zu einer klaren Rechtslage geführt, die den Ärzten Rechtssicherheit bietet. Eine ethische Herausforderung bleibt die Frage der Indikation.

Summary

Objective: Decisions about life-sustaining treatment for patients in the vegetative state have often been taken to court in recent years. In this study, we retrospectively analyzed these court decisions with regard to their ethical foundation. Material and methods: All published German court decisions about patients in the vegetative state between 1994 and 2010 were identified in databases. The texts passed a document analysis, using the method of Qualitative Content Analysis. Results: We identified 30 judgments, most of which concerned civil law proceedings. They related to 17 patients, and each case was about the administration of artificial nutrition and hydration. In ten cases, social conflicts led to the proceedings. The judgments are based on the ethical principles of patient autonomy and patient wellbeing. The latter was associated by the judges with awareness and the ability to communicate, while prognosis also played an important role. Conclusions: The judgments have now led to a clear state of law that gives physicians legal certainty. An ethical challenge that remains is the question of medical indication.