Nervenheilkunde 2011; 30(10): 819-821
DOI: 10.1055/s-0038-1628430
Übersichtsartikel
Schattauer GmbH

Von der Schizophrenie zum Salience-Syndrom

Alter Wein in neuen Schläuchen?From schizophrenia to salience syndromeold wine in new bottles?
U. Palm
1   Klinik und Poliklinik für Psychiatrie, Psychotherapie und Psychosomatik, Ludwig-Maximilians-Universität, München
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Publikationsverlauf

Eingegangen am: 06. März 2011

angenommen am: 06. April 2011

Publikationsdatum:
22. Januar 2018 (online)

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Zusammenfassung

Der Begriff Schizophrenie ist seit seiner Einführung 1911 durch Stigmatisierung belegt, die durch ambitionierte Programme teilweise abgebaut werden konnte. Dennoch wurde in Japan deswegen die Schizophrenie in Integrationsstörung umbenannt. Gegenwärtig wird zur weiteren Entstigmatisierung diskutiert, die Schizophrenie in Salience-Syndrom umzubenennen, was eine Störung der Stimulusreaktionskontrolle beinhaltet. Begründet wird dies mit einer überschießenden Ausschüttung von Dopamin als Vermittlersubstanz zwischen Reiz und emotionaler Reaktion. Die Rückführung auf eine syndromale Ebene bildet jedoch nicht das Gesamtbild der Erkrankung ab, sondern lässt möglicherweise zusätzliche Symptome außer Acht, die für Verlauf und Prognose von essenzieller Bedeutung sind. Eine vereinfachte, rein syndromale Beschreibung mittels eines neu geschaffenen Kunstbegriffs geht am erwünschten Ziel einer Entstigmatisierung vorbei und erschwert nicht nur für Ärzte und Patienten die Einordnung und Akzeptanz der Erkrankung, sondern führt durch Zuhilfenahme des bekannten Schizophreniebegriffs als Erklärungsmodell zu einer neuerlichen Stigmatisierung.

Summary

The term schizophrenia has been stigmatizing since its appearance in 1911. Several programs for destigmatizing brought favourable results in the past years. However, in Japan, schizophrenia was renamed to integration disorder. Today’s debate on salience syndrome replacing schizophrenia implies a disorder of stimulus-reaction-control. Increased dopamine is the supposed neurobiological correlate, being mediator between stimulus and affective reaction. The reduction of the disease entity schizophrenia to a syndromal level might lead to a neglect of accessory symptoms, which could be essential for course and outcome of the illness. A mere syndromal description with a new art term does not fulfil the aim of destigmatization but will blur doctor’s view and impair patient’s acceptance. The new term might even be stigmatized if the old schizophrenia term is used for explaining the new syndrome.