Nervenheilkunde 2005; 24(09): 819-828
DOI: 10.1055/s-0038-1630014
Original Article
Schattauer GmbH

Die Geschlechtlichkeit des Menschen

Ihre Bedeutung für ein Verständnis psychischer StörungenGender and its significance for mental disorders
B. R. Brüggemann
1   Medizinische Hochschule Hannover, Abteilung Sozialpsychiatrie und Psychotherapie (Leiter: Prof. Dr. med. W. Machleidt)
,
P. Garlipp
1   Medizinische Hochschule Hannover, Abteilung Sozialpsychiatrie und Psychotherapie (Leiter: Prof. Dr. med. W. Machleidt)
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Publication Date:
24 January 2018 (online)

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Zusammenfassung

Biologische Studien konnten den Einfluss von Geschlechtshormonen auf die Feinstruktur und Funktion des Gehirns nachweisen. Geschlechtstypische Unterschiede hinsichtlich verschiedener Verhaltens- und Erlebensweisen können jedoch nicht einfach auf hormonelle Einflüsse auf das Gehirn zurückgeführt werden, da sich psychische und soziokulturelle Faktoren ebenso auf die Morphologie und Physiologie des Gehirns auswirken. Soziologische Theorien können andererseits nicht ohne Rückgriff auf psychologische oder biologische Theorien erklären, warum nur ein Teil der Menschen, die pathogenen psychosozialen Bedingungen ausgesetzt sind, tatsächlich eine psychische Störung entwickeln, und warum andere Personen trotz Fehlen dieser Bedingungen psychisch erkranken. Für das Verständnis verschiedener psychischer Störungen erweist sich der Bezug auf die Geschlechtlichkeit des Menschen unter Berücksichtigung biologischer, psychologischer und soziokultureller Konzepte als paradigmatisch. Am Beispiel des Lesch-Nyhan-Syndroms und der Geschlechterverteilung depressiver Störungen wird die Bedeutung der Geschlechtlichkeit des Menschen für das Verständnis psychischer Störungen aufgezeigt.

Summary

Biological studies have proven the influence of sex hormones on brain structure and function. Gender differences concerning behaviour and experience cannot simply be attributed to hormonal influences, as psychological and socio-cultural factors also affect brain morphology and physiology. Otherwise sociological theories cannot – without respect to psychological and biological theories – explain why only a part of these persons, who are exposed to pathogenic psychosocial conditions develop a mental disorder and why other persons lacking these conditions fall mentally ill. For the understanding of mental disorders the reference to sex and gender considering biological, psychological and socio-cultural concepts is paradigmatic. The significance of sex and gender for the understanding of mental disorders is illustrated by the example of Lesch-Nyhan syndrome and the distribution of depressive disorders among men and women.