Zusammenfassung
Die bei chronischen Lebererkrankungen, insbesondere bei Leberzirrhose häufig vorhandene Erniedrigung der peripheren Thrombozytenzahl scheint primär durch das Nebeneinanderbestehen einer Verteilungsstörung zwischen lienalem und zirkulierendem Plättchenpool (mit einer vermehrten Sequestration der Thrombozyten in der Milz) und einer verkürzten Thrombozytenüberlebenszeit (infolge eines gesteigerten Abbaus im Monozyten-Makrophagen-System der Milz) zustande zu kommen. Der immer wieder diskutierte Mechanismus einer schleichenden Verbrauchsko-agulopathie mit intravaskulärem Plättchenabbau und Mikrothrombosierung als Ursache der Thrombozytopenie konnte von uns für Patienten mit schwerer, aber stabiler Leberzirrhose widerlegt werden. Findet man bei schwerer Leberzirrhose trotz lienaler Plättchensequestration und verkürzter Thrombozytenüberlebenszeit normale oder nur gering erniedrigte Thrombozytenzahlen, so kann man davon ausgehen, daß bei diesen Patienten der Plättchenverbrauch durch eine gesteigerte Thrombozytenbildung im Knochenmark kompensiert wird. Mit fortschreitender Dauer und Schwere der chronischen Lebererkrankung scheint jedoch eine sekundäre Bildungsstörung im Knochenmark als eine Ursache für die zunehmende Thrombozytopenie verantwortlich zu sein. Die herabgesetzte Thrombozytopoese läßt sich durch eine unzureichende zyto-plasmatische Ausreifung von Megakaryozyten charakterisieren. Außerdem liegen Hinweise einer zirrhoseinduzierten Stoff Wechselveränderung vor, die zu einer Hemmung der Thrombozytopoese im Knochenmark bzw. zu einer Megakaryozytenreifungsstörung führen könnte. Eine metabolische Störung wie der von uns erbrachte Nachweis eines abnormen Sialinsäurebestandes der Blutplättchen läßt sich auch als eine mögliche Ursache der häufig vorhandenen Thrombozytopathie bei Leberzirrhose interpretieren.